Die strenge Pracht der Himmelsstürmerin (#41)

Liebfrauenmünster, Pl. de la Cathédrale, 67000 Strasbourg, Frankreich

Mein Besuch am 27. Dezember 2022

Das höchste Gebäude der Welt war der Nordturm des Straßburger Münsters bis vor 150 Jahren. Daneben ist ein Südturm angelegt, wurde aber nie verwirklicht.

Bis vor 150 Jahren war der 142 Meter hohe Nordturm dieser ehrfurcht-erregenden Kirche „das höchste Gebäude der Menschheit“ (Wikipedia). Ein himmelstrebender Turmbau, erinnert das nicht ein wenig an die biblische Geschichte von Babel? Gleich daneben ist der ganze Zweifel an solcher Himmelsstürmerei präsent. Der Südturm ist zwar architektonisch offenkundig und bestens sichtbar angelegt, wurde aber niemals gebaut. Zwei solche Türme hätten denn vielleicht doch noch mehr Zweifel aufkommen lassen an der notwendigen Demut der Menschheit.

Der Bau dieser Kirche begann in der Mitte des 12. Jahrhunderts und dauerte fast 300 Jahre, aber fertig war seither noch keine Generation damit. Mehrfach hat die Herrschaft über Straßburg gewechselt in diesen Jahrhunderten, Kriege und Revolutionen hatte das Straßburger Münster auszuhalten, haben zerstört und beschädigt. Ein solches Gotteshaus ist eine dauernde Baustelle, eine ständige Restaurierung und Modernisierung, bis heute. Auch die Warteschlange der Besucher von heute führt unter dem derzeit errichteten Gerüst hindurch.

Der Tod im Glockenspiel: Die astronomische Uhr wurde 1574 vollendet.

Alles das spielt keine Rolle. In Kirchen wie dieser kann der Besucher betrachten, erleben, vielleicht sogar spüren, was „Zeit“ bedeutet. Das Innere des Straßburger Münsters ist von mystischer Schönheit, dunkel-farbig erhellt von den Glasfenstern, die beginnend aus dem 13. Jahrhundert bis zur Neuzeit stammen. Tausende Lichter setzen das gegliederte Innere in effektvolles Halbdunkel, und alle paar Minuten ermahnt ein Lautsprecher mit einem „Psssst!“ zur angemessenen Stille für diesen unvergleichlichen Raum.

Aber wie soll man schweigen im Angesicht dieser strengen Pracht, der überlebensgroßen Skulpturen, der himmlisch schwebenden Engelsfiguren, dem mechanischen Wunder der astronomischen Uhr, der erzählfreudigen Wandteppiche und Gemälde? „Schau da, schau dort“, möchte man doch sprechen zum nächstbesten Reisebegleiter, oder vielleicht auch nur zu sich selbst – in dieser Kirche, deren Besuch ich nie wieder vergessen werde.

Die große Rosette über dem Haupteingang in der Westfassade gehört zu den größten ihrer Art weltweit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Besuch des Münsters von Straßburg, das nun, in Zeiten des Friedens in der Mitte Europas, auch ein Symbol der deutsch-französischen Geschichte und der europäischen Einigung ist, das man ohne Passkontrolle besuchen kann, sollte niemals versäumt werden, auch wenn man schon dort war. Mich beeindruckt der Bau immer wieder neu.

Über die kunsthistorische Bedeutung und die zahlreichen Schätze des Straßburger Münsters ist alles geschrieben worden; dem ist nichts hinzuzuführen. Die sehr ausführliche Zusammenfassung auf Wikipedia war für mich hilfreich. Gefallen hat mir auch dieser kurze Film von arte:

 

Das Straßburger Münster ist #41 meiner Sammlung #1000Kirchen. Die anderen finden Sie hier. 

 

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