Der lange Schatten der kleinen Mauer

Vom Berliner Reichstag zur Danziger Werft und zurück

In diesem Text geht es um zwei Mauern, und was sie verbindet. Beide stehen in Berlin, und eine davon auch in Danzig. Diese Mauer ist unscheinbar, verglichen mit jener Mauer, die Deutschlands Hauptstadt einst durchschnitt, und die wundergleich vor 35 Jahre in sich zusammenstürzte. An den Fall der großen Mauer durch Berlin erinnern heute zahlreiche Gedenkstellen, etwa eine Mauer-Ausstellung im neuen Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestages. Original rekonstruiert wurde sie dort im früheren Verlauf mit echten alten DDR-Mauer-Bauteilen, und steht so wettergeschützt im Souterrain der Abgeordnetenbüros. Erinnert wird auch an die mindestens 327 Toten, die beim Versuch, diese Mauer zu überwinden, verstorben sind.

Die weltberühmte Berliner Mauer – hier als Museumsstück im Souterrain des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses des Deutschen Bundestages – direkt am Spreeufer.

Die andere Mauer ist gleich gegenüber, auf der anderen Seite der Spree. Unscheinbar wurde sie als Gedenkstätte in eine Ecke neben die gewaltige Pracht des Reichstagsgebäudes gequetscht. Immerhin erzählt eine kleine Tafel ihre Geschichte. Wie viele Menschen mögen wohl schon an diesem kleinen Stück Backstein-Mauer achtlos vorübergegangen sein? Es muss sich gegen den stolzen Parlamentsbau behaupten. Die Fahnen Deutschlands und Europas flattern auf seinen wuchtigen Ecktürmen, glänzend schimmert die gläserne Kuppel im Sonnenlicht. Plenumsbetrieb ist im Bundestag, reihenweise schwarze Ministerlimousinen lassen die Touristen nach ihren Handys greifen. Es herrscht erhöhte Alarmbereitschaft, Polizei patrouilliert vorbei. Die Aura von Bedeutung und Macht durchtränkt den Äther rund um dieses „hohe Haus“. Wer wird da auf ein kleines Stück Backsteinmauer achten?

Die andere Mauer in Berlin: In einer Ecke des Reichstagsgebäudes steht ein Stück Mauer von der Danziger Werft.

Auch die kleine Backstein-Mauer ist ein Erinnerungsort. Sie steht für das Staunen darüber,  dass nichts bleibt und sich alles immer wieder ändern kann, auch grundlegend, und auch wenn man es für unglaublich hält. Verschwommene Erinnerungsbilder tauchen vor dem geistigen Auge auf; verwackeltes Schwarz-weiß-Fernsehen: Es kann Risse geben im festgefügten Block der kommunistischen Welt. Erinnerungen an das Geschehen im Nachbarland Polen im Jahr 1980.

Zwei Tage später in Danzig

Zwei Tage später in Danzig: Da ist es wieder, das gleiche Gemäuer. Backsteine, aufeinandergeschichtet, hier nun über und über behängt mit Tafeln, davor ein großes Denkmal: Es geht um die Toten des Arbeiteraufstandes von 1970, um Schüsse, Streiks, Niederlagen und Siege. Einer der Siege hat mit jenem kleinen Mauerstück zu tun, das jetzt als Geschenk des polnischen Parlaments Sejm an den deutschen Bundestag neben dem Reichstagsgebäudes steht. Es ist ein Stück Mauer von der Danziger Werft, über die der Elektriker und Gewerkschafter Lech Wałęsa im August 1980 kletterte, um die Führung der in der Werft streikenden Arbeiter zu übernehmen. Das waren damals die Bilder, die den Riss zeigten.

Im „Europäischen Zentrum für Solidarität“ auf dem früheren Werftgelände wird die Geschichte der Werftarbeiter in Danzig und die Gründung der Gewerkschaft „Solidarnosc“ aufgearbeitet. Das Zentrum ist ein moderner Begegnungsort für das neue Polen.

Heute muss niemand mehr die Mauer in Danzig überwinden. Die Tore stehen offen, Schiffe werden hier schon lange nicht mehr gebaut. Wer heute unter den großen Buchstaben „Stocznia Gdańska“ hindurchgeht, den erwartet ein im Jahr 2014 eröffnetes, eindrucksvolles Gebäude, das als „Europäisches Zentrum für Solidarität“ betrieben wird. Ein lichtdurchflutetes Foyer mit Café, Pflanzen, Sitzbänken, Rolltreppen empfängt die Besucher – hier wurde dem modernen, demokratischen Polen ein schicker Begegnungs-, Diskussions- und Erinnerungsort gewidmet. Die multimedial gestaltete Ausstellung führt mitten hinein in die Streiks der Werftarbeiter, in die Gewalt, die sie erlebten, macht ihren Widerstandswillen spürbar. Letztlich haben sie gewonnen: Unter ihrem Druck wurde im Sommer 1980 „Solidarność“ gegründet, die erste freie Gewerkschaft im „Ostblock“. Solidarność übernahm bald eine zentrale Rolle in der polnischen Politik. Freiheiten wurden erkämpft zu einer Zeit, als an vergleichbare Bestrebungen in Ostdeutschland nicht zu denken war. Die Gewerkschaft überlebte sogar das polnische Kriegsrecht.

Der Held: Lech Wałęsa führt den Arbeitskampf in der Werft und veränderte ganz Polen zu einer Zeit, als im restlichen Ostblock an Liberalisierungen nicht zu denken war. 1990 wurde er zum Präsident Polens gewählt. Aber für den Alltag der Politik erwies er sich als untauglich.

Alles das ist mit einem Namen verbunden: Lech Wałęsa, der Mann, der einst über die Werft-Mauer kletterte. Im „Europäischen Zentrum für Solidarität“ atmet alles den Geist dieses Mannes, der – inzwischen 82 Jahre alt – dort sogar ein Büro hat. Ein polnischer Volksheld war er in den 80er Jahren, bestaunt vom Ausland, gefeiert und bejubelt in Polen. Die kommunistischen Machthaber internierten ihn, aber sie konnten ihn nicht unter Kontrolle bringen. Er erhielt 1983 den Friedensnobelpreis, führte eine gewaltfreie Revolte an, und wurde mit Begeisterung auf den Schultern der Massen getragen. Nach der politischen Wende wählten die Polen Wałęsa im Jahr 1990 mit 70 % der Stimmen zu ihrem Präsidenten. Aber für den politischen Alltag schien sich der Revolutionär nicht zu eignen. In der Wiederwahl 1995 scheiterte er knapp, fünf Jahre später trat er noch einmal an und bekam nur ein Prozent der Stimmen.

Brutaler kann ein Held kaum stürzen

Brutaler kann ein Held kaum stürzen. Im heutigen Polen spielt Lech Wałęsa keine Rolle mehr, trotz dieses prächtigen Zentrums, das auch ihm zu Ehren auf dem Gelände der Danziger Werft errichtet wurde. Vorwürfe der Kooperation mit dem kommunistischen Geheimdienst belasten sein Andenken genauso wie fragwürdige Äußerungen, die als homophob gedeutet werden müssen. In einem Interview von 2023 für den Sender „Arte“ zeigt sich der damals 80-Jährige entschlossen proeuropäisch, kritisiert die Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz und unterstützt die Abwehrkämpfe der Ukraine gegen den russischen Aggressor. Trotzdem wirken viele seiner Äußerungen erratisch, wie aus der Zeit gefallen. Wałęsa erkennt das selbst und blickt vor allem zurück. „Wir waren es“, sagt er, und der Stolz blitzt aus seinen Augen, „die dem russischen Bären die Zähne ausgeschlagen haben.“ Manches spricht dafür, dass ohne Lech Wałęsa und die von ihm gegründete Solidarność die Weltordnung der Moskauer Politbüro-Greise vielleicht niemals ins Wanken geraten wäre.

Und wieder zurück in Berlin

Zurück in Berlin. Wer steht da nun also in wessen Schatten? Fast scheint es, als könnte der Schatten der kleinen Backsteinmauer so lang sein, dass das ganze Reichstagsgebäude darin verschwinden kann.

 

Mehr über das Europäische Zentrum für Solidarität in Danzig finden Sie hier (in englisch). Das Interview mit Lech Wałęsa aus dem Jahr 2023 ist auf arte abrufbar. 

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Im Candy-Storm des Religiösen

Besuch am „Berg der Kreuze“ in Litauen – Ein Erlebnisbericht

Wahrscheinlich war es in einer Morgendämmerung, als die Bulldozer anrollten. Brutalitäten, für die sich die Verantwortlichen schämen, finden immer in der Morgendämmerung statt. Oder wurden sie schon am Abend vorher bereitgestellt? Vielleicht passierte es aber auch zu verschiedenen Tageszeiten, denn es geschah mehrfach. Sicherlich knackte und splitterte es, wenn die Hölzer unter der Last der Maschinen brachen. Es ging darum, Kreuze niederzuwalzen.

Der „Berg der Kreuze“ ist ein Ort ungebremster Religiosität, dessen außergewöhnliche Wucht auch den aufgeklärten Zweifler nicht unberührt lässt.

Niemand kann mehr genau sagen, warum die Menschen im 19. Jahrhundert genau an dieser Stelle, auf zwei unscheinbaren Hügeln in der Nähe der Stadt Šiauliai im Norden des heutigen Litauens damit begonnen hatten, Kreuze aufzustellen. Nicht ein oder zwei, sondern Zig, Hunderte, später Tausende. Vielleicht folgten sie einer Legende, wonach das Aufstellen eines Kreuzes ein Kind geheilt habe. Oder sie taten es aus anlassloser Frömmigkeit. Oder aus Angst vor dem Tod, oder als Hoffnung auf ein Leben danach. Vielleicht als Fürbitte? Oder es ging ihnen darum, der Toten in den Freiheitskämpfen Litauens gegen die russische Herrschaft zu gedenken. Warum auch immer, sie taten es.

Viermal wurde versucht, die Kreuze zu zerstören

In Folge des Hitler-Stalin-Paktes geriet auch dieser Ort unter den Einfluss der Sowjetunion. 1940 sollen auf den Hügeln etwa 140 Kreuze gestanden haben. Nach kommunistischer Ideologie zu viele, schon gar, wenn sie auch noch an die Toten erinnern wollten, die nach Sibirien deportiert worden waren. Ein solchen Ort voller Kreuze störte das Bild, ein Platz ungeregelter Volksfrömmigkeit war im Kommunismus unerwünscht. Insgesamt viermal – erstmals am 5. April 1961, dann nochmals in den Jahren 1973, 74 und 75 ließen sie die Bagger anrollen und machten die aufgestellten Kreuze dem Erdboden gleich. Sie verbrannten das Holz, zertrümmerten den Beton, schmolzen das Metall ein.

Aber es nutzte nichts, oft schon wenige Tage später standen wieder die nächsten Kreuze da. Wie von Zauberhand. So wurde mit jeder Zerstörung mehr der „Berg der Kreuze“ von einem religiösen Symbol zu einem politischen Ort. Seit 1991 ist Schluss mit der Vernichtung der Kreuze. Der politische Umsturz in Osteuropa mit der Wiedergewinnung der staatlichen Souveränität Litauens legitimierte auch diesen Ort. Wer heute den Berg besucht, findet eine gut durchstrukturierte Tourismus-Infrastruktur vor: ein gebührenpflichtiger Parkplatz, moderne Toilettenanlagen, Imbissbuden und zahlreiche Verkaufsstationen für allerlei frommen Tand. Wer Menschen erlebt hat, die ihren Glauben ganz einfach ausleben, nicht hinterfragen, nicht grübeln, sondern einfach ganz schlicht daran glauben, was die katholische Kirche verspricht – der kennt solche Orte ungebrochener Frömmigkeit.

Eine Wucht ganz besonderer Art

Der aufgeklärt-zweifelnde Besucher ahnt also, worauf er sich hier einlässt, während er den breit ausgebauten Fußweg zu den Hügeln, die jetzt ein immaterielles UNESCO-„Kulturerbe der Menschheit“ sind, entlangschreitet. Dort angelangt, ist es aber dann doch eine Wucht ganz besonderer Art, die hier das spirituell orientierungslose Gemüt überwältigt. Nicht nur, dass die politische Komponente sehr klar spürbar ist, dieses offenkundig ausgestellte, abertausendfache Obsiegen einfacher Kreuze gegen die ideologische Verneinung allen Übersinnlichen. Es auch eine Art gläubiges Evolutionserlebnis, das sich hier bietet; eine Chance, am Schicksal der Kreuze live mitzuerleben, wie alles Materielle den Weg des verrottenden Verfalls geht, welche strahlende Verheißung es auch immer gewesen sein mag zu Beginn.

So unbeugsam die Kreuze seit rund 150 Jahren der politisch gewollten Unterdrückung widerstanden haben – so sehr sind sie doch dem natürlich Verfall ausgesetzt. Die provozierende Regellosigkeit dieses Ortes lässt nachdenken über das evolutionäre Schicksal aller Materie.

Auf dem Berg der Kreuze herrscht weitgehende Regellosigkeit. Vorgegeben ist nur, wo keine Kreuze hingestellt werden dürfen, und verboten ist es aus naheliegenden Gründen, Kerzen anzuzünden. Aber sonst kann jede und jeder so viele, so große Kreuze errichten, sie beschriften und widmen, wie es beliebt. Eine Gruppe Studierender hat in den 90er Jahren einmal versucht, nur die aufgestellten (nicht die liegenden, hängenden, angelehnten) Kreuze zu zählen und hat angeblich bei der Zahl 50.000 das Experiment abgebrochen. Es sind unzählbare Massen von Kreuzen, die hier versammelt sind, sich stapeln, aneinander lehnen, hängen, abrutschen, verrotten und zerfallen. Niemand sorgt für Ordnung, zwischen den Kreuzen bahnen sich die Trampelpfade ihren Weg und wuchert das Gebüsch. Wie eine Flechte greifen die Kreuze immer weiter aus, besiedeln inzwischen schon die Zugangswege. Große Kreuze recken sich wichtigtuerisch dem Betrachter entgegen, schüchterne Kreuze erkennt man erst auf den zweiten Blick, es gibt kleine und allerkleinste, die an Bäumen hängen und im Wind baumeln. Kreuze mit Botschaft und ohne, Kreuze verschiedener christlicher Religionen, eitle Kreuze und namenlose – alles durcheinander.

Mitmachen beim Massenkreuzgang?

Der polnische Papst Johannes Paul II. war natürlich auch schon da. Eine große Messe hat er bei seinem Besuch im Jahr 1993 an dieser Stelle abgehalten; der Pavillon davon steht noch immer. Ein Kloster wurde in der Nähe gegründet. Und doch verblasst alles das gegen diese gläubige Massenenergie, die hier greifbar wird. Eine analoger Candy-Storm der Religiosität ist hier im Gange, jeden Tag neu. Kreuze in allen Größen werden verkauft neben dem Parkplatz, und während man schon zugreifen möchte, um auch dabei zu sein bei diesem Massenkreuzgang, da lädt schon eine Familie ihr stolzes Großkreuz aus dem Kofferraum.

Also auch ein eigenes Kreuz diesem Ort der Spiritualität beisteuern, es dem Verfall preisgeben, der körperlosen Ewigkeit überantworten? Bei allem Respekt für Gläubigkeit und politische Freiheitsbotschaft: Dem aufgeklärten Zweifler ist dieser Weg zum Glück eben doch versperrt.

… und für Nachschub ist gesorgt.

Der „Berg der Kreuze“ ist eine wichtige touristische Attraktion in Litauen. Eine gut zusammengefasste Information findet sich bei Wikipedia oder z.B. hier. 

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Vom 17. bis 31. Mai 2025 habe ich eine Studienreise von Berlin aus durch den Norden Polens, anschließend durch alle drei baltischen Staaten unternommen. Nach einem Schiffstransfer über den finnischen Meerbusen endete die Reise in Helsinki. In mehreren Texten versuche ich, einen Teil der Eindrücke zu schildern. Einen weiterer Text finden Sie hier:  „Unterwegs im wohlvertraut Unbekannten“. 

Unterwegs im wohlvertraut Unbekannten

Fünf Impressionen aus dem Baltikum

Vom 17. bis 31. Mai 2025 habe ich eine Studienreise von Berlin aus durch den Norden Polens, anschließend durch alle drei baltischen Staaten unternommen. Nach einem Schiffstransfer über den finnischen Meerbusen endete die Reise in Helsinki. In mehreren Texten versuche ich, einen Teil der Eindrücke zu schildern. Dieser hier fasst fünf Impressionen zusammen. 

Trakai war die mittelalterliche Trutzburg gegen die Deutschordensritter – heute ist sie ein Symbol für die nationale Eigenständigkeit Litauens. Willkommen im Baltikum!

Störche, Kiefern und Kirchen

Wie vertraut diese Landschaften sind! Längst rollt das Gefährt nördlich von Deutschlands Norden, ist über die geografische Höhe von Kopenhagen weit hinaus. Polen ist durchfahren, nun weht die Fahne mit dem litauischen Ritter über der Trutzburg von Trakai, die einst den Deutschen Orden auf seinem Eroberungszug nach Norden aufhielt. Hier und im weiteren Verlauf bestimmen weite gelbe Rapsfelder das Landschaftsbild, geduldig vorbeigleitende Kiefernwälder, später oft Birken. Häufige Storchennester. Der große Vogel zieht viel Aufmerksamkeit auf sich, wo immer er auftaucht. Denn es gibt sonst wenig in der Landschaft, was im Vergleich zu dem bei uns Wohlbekannten ungewöhnlich wäre. Litauen, Lettland, Estland: Das Baltikum ist kein Abenteuer, sondern die Wiederentdeckung einer vertrauten Welt. Eine europäische Kulturlandschaft, geprägt von den gleichen Bäumen und Blumen, den gleichen Dörfern, Burgen und Kirchen, die wir aus unserer Welt kennen. Nichts Exotisches haben diese Landstriche an sich, das Baltikum ist Brandenburg ähnlicher als dem Baskenland. Wer also käme auf die Idee, diese alten Kulturvölker würden nicht dazugehören zu einem geeinten Europa? Wie gut: Sie gehören dazu, und keine Grenzkontrolle unterbricht die Reise ins wohlvertraute Unbekannte.

 

Unermesslicher Großmut im Billigflieger-Revier

Muss es wiederholt werden? Ja, es muss, damit der Partytourismus sein angemessenes Gegenstück hat. Die lettische Hauptstadt Riga liegt im Billigflieger-Trend: Schnell mal für ein Wochenende dorthin, das Bier ist preiswert, die Stimmung gut, und Fußball gucken lässt sich gesellig mit den vielen Feier-Briten, die hier unterwegs sind. Nur ein Kilometer entfernt vom heutigen Vergnügungsrevier in der Altstadt lag das jüdische Getto, heute eine Gedenkstätte. In Vilnius begegnet uns zwar nicht so viel Ballermann, aber auch ein jüdisches Viertel, das von den Deutschen wie in Riga systematisch leergeräumt wurde – durch Deportationen, Ermordungen, Massenerschießungen. Riga-Bikernieki, Kaunas, Kauen, Raasiku – wenige Namen nur sollen aufgezählt sein für die vielen anderen Orte des Grauens, die es genauso zu nennen gelten würde. Sie alle haben nun doch den Deutschen verziehen, was nicht zu verzeihen und  schon gar nicht zu vergessen ist. So erzählen sie jetzt vom unermesslichen Großmut geschundener Völker, der den Nachkommen der Mörder erst ermöglicht, in diesem Teil Europas unterwegs zu sein.

„#WirsindNATO“ steht in Mensch-großen Lettern vor dem Verteidigungsministerium von Vilnius.

Fragiler Reichtum der Unabhängigkeit in Freiheit

Mit ihrer nationalen Unabhängigkeit haben Deutsche den schrecklichst-denkbaren Missbrauch betrieben. Und doch: Das Gefühl, dass sie im eigenen Staat ihr Schicksal selbst bestimmen können – dieses Gefühl ist Deutschen seit Generationen so vertraut, als wäre es selbstverständlich. Dabei hatten sie es schon verwirkt und doch noch einmal geschenkt bekommen nach der Katastrophe der Nazidiktatur. Deutsche leben nun in einem freien Land, tief verankert in Europa, umgeben von Freunden, gewiss nicht perfekt, schuldbeladen, aber doch weitgehend unabhängig in der Gestaltung ihres Schicksals. Auf der Reise durch das Baltikum erspürt ein deutscher Mensch neu den fragilen Wert dieses Schatzes nationaler Selbstbestimmung. Litauen, Lettland und Estland wurden über Jahrhunderte hin und her geschubst zwischen de angrenzenden Großmächten. Zuletzt haben sie sich ihre Eigenstaatlichkeit erst wieder erkämpfen müssen vor gerade einmal gut dreißig Jahren. Kaum wahrgenommen  von der Weltöffentlichkeit, schon gar nicht in Deutschland, das im ungläubigen Staunen über die unerwartete Chance zur Einheit gebannt nach Ostberlin, Leipzig, Dresden starrte. Weiter nördlich haben im August 1989 zwei Millionen Menschen eine Menschenkette über 600 Kilometer durch alle drei baltischen Staaten gebildet, die damals noch Sowjetrepubliken waren. Sie haben später sowjetischen Panzern getrotzt, die der hierzulande so beliebte Michail Gorbatschow noch loskommandierte, um einen Zerfall seiner kollabierenden Sowjetunion aufzuhalten. Nun ist in jedem Gespräch, in jeder Begegnung die Angst vor Russland zu spüren. Die russische Exklave Kaliningrad lauert wie eine gefährliche Tretmine an Litauens Grenze, und der Osten Estlands grenzt direkt an den aggressiven Nachbarn. Verloren ist an beiden Stellen die dort schon einmal gewonnene Normalität. Die Unabhängigkeit ist erreicht, aber fragil, trotz EU- und Nato-Mitgliedschaft. Wissen Deutsche, was für ein Reichtum im Gewinn der Unabhängigkeit in  Freiheit steckt? Wer ihn spüren will, wer erfahren will, wie gefährdet dieser Reichtum sein kann, sollte hierher reisen.

Eine Lebensversicherung? Litauen hofft, dass die Zusagen des US-Präsidenten auch für seine Nachfolger gelten. (gesehen am Rathaus von Vilnius)

Der Stolz der Restauratoren

Wenn die Fresken zerstört sind, wenn die Mauern in Trümmern liegen, wenn die Fenster zersplittern – spielt es eine Rolle, wer Verursacher war? Deutsche haben hier gemordet und vergewaltigt, sie haben Menschen gequält und ihre Städte und Dörfer geschunden. Auch Stalins  Rotarmisten haben hier getötet und gefoltert, Kulturstätten im Baltikum zerstört, zerbombt und geplündert. Sowjetische Ideologen haben Kirchen verrotten lassen, zu Lagerhäusern umfunktioniert ohne Rücksicht auf die ihnen schutzlos ausgelieferten Kulturgüter. Die drei jungen Staaten des Baltikums bemühen sich nun um eine Restaurierung ihrer kulturellen Identitäten, ihrer Geschichte und Geschichten. Die Menschen, die es praktisch tun, berichten gerne von ihren Kämpfen und Erfolgen im Gefecht gegen den Zahn der Zeit, gegen das Vergessen und Zerstören. Es ist auch ein Streit um die Wahrheit und darum, was eigentlich die Wahrheit ist. Was davon soll sichtbar sein? Das Schöne naiv wiederherstellen, als wäre nie etwas gewesen? Die Wunden als solche erhalten? Zeigen, was fehlt? Und während der Besucher der restaurierten Orgel in Riga lauscht, bombardieren russische Flugzeuge gezielt auch Bibliotheken, Theater, Museen, Kirchen in der Ukraine. Wer den Restauratoren im Baltikum zuhört, spürt die Mühsal, aber auch den Stolz, die eigene kulturelle Identität wieder herzustellen, erfahrbar zu machen für sich selbst und alle, die kommen. Spielt es eine Rolle, wer schuld war? Nein, sagen sie dann, aber festgehalten werden, das muss es schon.

 

Von Kirchenglocken zu blau gefärbten Haaren

Natürlich könnte man einfliegen. Ein Wochenende im gemütlichen Vilnius, das nächste im feiergelaunten Riga, und schließlich eine Shopping-Tour nach Tallinn. Warum nicht? Alle drei baltischen Hauptstädte versprechen in den Sommermonaten lange helle Nächte bei angenehmen Temperaturen. Und doch hat der langsame Reiseverlauf vom Süden in den Norden des Baltikums eine eigene Qualität. Mit jedem Kilometer wandelt sich das Bild von der Tradition in die Moderne. Das geschichtlich mit Polen verbundene Litauen ist von katholischer Volksfrömmigkeit geprägt. In dieser eher konservativen Gesellschaft tönen die  Kirchenglocken noch lauter als die hochgetunten Autos. Vieles hier wirkt improvisiert, auf dem Land finden sich immer wieder verfallene Gehöfte, die ihrem Schicksal überlassen wurden. Menschen, die nicht dem europäisch-weißen Muster entsprechen, begegnen dem Reisenden kaum in Litauen und nur sehr vereinzelt in Lettland. Immerhin ist Riga urban und lebendig, die größte Stadt der ganzen Region. Aber erst im protestantisch geprägten Estland ändert sich das Bild: Der Sozialraum wirkt fast schon skandinavisch aufgeräumt, oft strahlen rote Holzhäuschen im satten Grün, fast alles ist geordnet, die Gärten akkurat. Hier schimmern auch einmal blau gefärbte Haare durch das Straßenbild, ungewöhnliche Kleidung kommt entgegen, andere Haut als weiß. Estland hat – anders als die beiden anderen Balten-Republiken – eine gemeinsame Geschichte und eine verwandte Sprache mit Finnland, und in nur zwei Stunden gleitet die Fähre von Tallinn nach Helsinki und zurück. Und zwei Stunden mit dem Zug oder dem Auto weiter Richtung Osten läge St. Petersburg, das auch zu Europa gehört. Unerreichbar – nicht nur, weil man ein Visum bräuchte.

Hinter der blauen Linie endet die Welt des Westens. (Schautafel auf der Kurischen Nehrung)

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein weiterer Text berichtet von meinem Eindruck am „Berg der Kreuze“, einen katholischen Wallfahrtsort der Sonderklasse: „Im Candystorm des Religiösen“ 

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Ein Kind des 8. Mai hat Geburtstag

Eine politische Kurzgeschichte

Das Handy gratuliert ihr als erstes. Sie war gerade aufgewacht, hatte mit tastendem Suchen nach dem Smartphone gegriffen. Auf dem Bildschirm steht: „Herzlichen Glückwunsch! Heute ist Dein Geburtstag!“ und, darunter, etwas kleiner: „8. Mai, Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus“. Vierzig Jahre alt ist sie nun, denkt sie und sinkt zurück in ihr Kopfkissen. Sie nimmt sich vor, heute einmal zufrieden zu sein mit sich: blond, schlank, sportlich, lange Haare, noch immer jugendlich wirkend, soweit sie das beurteilen kann, aber erfolgreich mitten im Leben: Beruf, Familie, zwei Kinder, eine eigene Immobilie, älter werdende Eltern. Geboren am 8. Mai 1985.

An dem Tag, als sie auf die Welt kam, hatten ihre Eltern keine Zeit gehabt für das sonstige Weltgeschehen. Die Wehen, die Schmerzen, das Glück, alles überstanden zu haben! Und dann der immerwährende Blick auf das kleine Wunder im Arm der Mutter. Ein Mädchen! Und der Vater, der sonst immer die Tagesschau schaute, hatte sich an diesem Tag um die älteren Geschwister gekümmert. Kein Gedanke frei für den damals noch gewölbten Röhrenbildschirm. Er war schwarz geblieben.

Wie ein Guckloch in die Vergangenheit

Dabei hätte es sich gelohnt. Wenn sie sich heute, an ihrem vierzigsten Geburtstag, die Zeit nähme, (z.B. auf Youtube) den Mitschnitt herauszufischen, könnte sie wie durch ein Guckloch in ihre eigene Vergangenheit blicken: Der Deutsche Bundestag in seinem Bonner Plenarsaal. Die noch nicht wiedervereinigte Republik fest in der Hand grauhaariger Männer.  Wenige Frauen sind Tupfer, seltene Einsprengsel im Einheitsschwarz der Anzüge. Keine Handys; noch nicht erfunden. Ein noch vergleichsweise schlanker Helmut Kohl als Kanzler.

Bundespräsident Richard von Weizsäcker bei seiner Rede zum 8. Mai 1985. (Foto: Bundespräsidialamt)

Es ist der 8. Mai 1985, vierzig Jahre nach Kriegsende. Der erst vor einem Jahr ins Amt gewählte, neue deutsche Bundespräsident Richard von Weizsäcker wendete mit einer Rede die Deutung der deutschen Geschichte. „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung“, sagte er, selbst ehemaliger Wehrmachtssoldat, „er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“

Reden können die Welt verändern

Beifall brandete auf. Weizsäcker war nicht der erste Deutsche, der einen solchen Satz sprach, aber der wichtigste. Deutschland und die ganze Welt horchte auf: Das Land der Täter bekennt sich ohne Wenn und Aber zur historischen Einmaligkeit seiner Schuld. Endlich, vierzig Jahre nach Kriegende, versteht sich (West-)Deutschland nicht mehr als Opfer einer Niederlage, sondern als Profiteur einer Befreiung, die sie den Siegern von damals verdankt.

Reden können die Welt verändern. Die Weizsäcker-Rede von 1985 war eine solche Rede, auch wenn man sie heute noch einmal hört. Jeder Satz brilliert in schnörkelloser Klarheit. Es sind demütige Worte nach außen und versöhnende nach innen, und doch von bewundernswerter intellektueller Schärfe. Nicht jede Wortwahl, aber jeder enthaltene Gedanke hat Gültigkeit bis heute.

Die Rede war umjubelt, aber nicht unumstritten. Ewiggestrige empfahlen, auf den Blick zurück zu verzichten. „Die ewige Vergangenheitsbewältigung als gesellschaftliche Dauerbüßeraufgabe lähmt ein Volk!“, schimpfte die CSU-Ikone Franz-Josef Strauß. Aber das blieben Einzelstimmen. Weizsäcker wendete das Blatt der deutschen Geschichte: Erst nach dieser Rede wurde es möglich, dass er als erster deutscher Bundespräsident nach Israel reiste. Nach dieser Rede konnte niemand, der ernst genommen werden wollte, irgendetwas herumdeuten wollen an der einzigartigen Verantwortung, die Deutsche auf sich geladen haben. Und dass bewusstes Erinnern notwendig ist, um Versöhnung erst möglich zu machen.

Wieder ist „Tag der Befreiung“ – den Namen hat Deutschland von der DDR übernommen

Seit jener Rede sind weitere vierzig Jahre vergangen. Wieder ist „Tag der Befreiung“. Den offiziellen Namen hat das wiedervereinigte Deutschland von der DDR übernommen – wo der 8. Mai schon seit 1950 so hieß. Im Westen war dieser Tag namenlos geblieben. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist der sechste Nachfolger von Weizsäckers.  Er blickt in das weite Rund des neuen Plenarsaals im Berliner Reichstagsgebäude. Er weiß genau: Was immer er sagt, wird im Schatten der großen Rede von 1985 stehen. Und so bleibt er über weite Passagen im Selbstverständlichen und Allgemeinen, zitiert seinerseits die große Rede von vor vierzig Jahren, und schlägt den Bogen zu den Herausforderungen von heute: Zur Notwendigkeit der Wehrhaftigkeit in einer Zeit, da Deutschland von der Gewalt im Osten und der Abkehr von gemeinsamen Werten in den USA bedroht ist. Und vom erstarkenden Rechtsextremismus in Deutschland: „Sie verhöhnen die Institutionen der Demokratie und diejenigen, die sie repräsentieren. Sie vergiften unsere Debatten. Sie spielen mit den Sorgen der Menschen. Sie betreiben das Geschäft mit der Angst. Sie hetzen Menschen gegeneinander auf. Sie erwecken alte böse Geister zu neuem Leben.“

Die Angesprochenen lümmeln in den blauen Sitzen

Die so Angesprochenen lümmeln in den blauen Sitzen und ertragen die präsidiale Schelte mit demonstrativem Desinteresse. Wie sich das Bild gewandelt hat in vierzig Jahren: Fort ist das Einheitsschwarz, manche Abgeordnete folgen der Rede in eher lässiger Kleidung. Jünger ist dieses Parlament, und diverser ist es auch. Aber noch längst nicht sitzen da gleich viele Frauen wie Männer, wenn auch sehr, sehr viele mehr als damals. Die Handys liegen auf der Bildschirmseite; während der Rede will sich von den allgegenwärtigen Kameras niemand beim Daddeln erwischen lassen.

„Ja, wir sind alle Kinder des 8. Mai,“ resümiert Steinmeier nachdenklich und zitiert damit den Philosophen Jürgen Habermas. Dann schließt er seine Rede mit einem Appell: „Schützen wir unsere Freiheit! Schützen wir unsere Demokratie!“ Beifall von Linken bis CDU. Kaum eine Hand der AfD rührt sich.

 

Als die Kinder in der Schule sind, gönnt sie sich wieder einen Blick auf das Handy, das ständig gebrummt hat. Geburtstagsglückwünsche trudeln ein, tanzende Torten-Videos, glitzernde Feuerwerkssterne, schwebende Luftballons. Dazwischen die Pushmeldungen im Newsfeed: „Steinmeier spricht zum 8. Mai“. Und dann: „Kein Beifall der AfD für die Rede des Bundespräsidenten“.

Aber das Kind des 8. Mai versteht gar nicht, warum das eine Meldung ist. Sie wischt sie weg.

 

 

Die Reden von Richard von Weizsäcker und Frank-Walter-Steinmeier kann man auf der Website des Bundespräsidenten nachlesen. Noch eindrucksvoller ist es, sich die Ansprache von 1985 als Video (Link führt zu Youtube) zu gönnen – 45 Minuten, in denen kluge Worte eine Welt veränderten.

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Ein Justizmord, die Nazis und der Papst

Zur Geschichte des „Tag der Arbeit“ am 1. Mai

Vielleicht war es im Mai. Wir schreiben das Jahr 1872, ziemlich genau vor 150 Jahren. Vielleicht erlebte damals ein junger Mann noch ein letztes Mal in Deutschland einen Sonnentag auf dem Höhepunkt des Frühlings, einen Tag voll blühenden Flieders, ein Tag der blumenübersäten Wiesen.

Kein Mörder, sondern ein Justizopfer: August Spies aus Deutschland. Foto: Chicago Historical Society, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=755968

Dann verließ der junge Mann Deutschland. Er bestieg ein Schiff, bezog darin ein Massenlager, vermutlich tief unten im stickigen Bauch des Ozeanriesen. Seine Reise war eine Flucht vor der Armut und sie brachte ihn nach New York.

Der junge Mann war der im Hessischen geborene Försterssohn August Spies. Er war erst 17 Jahre alt, als sein Vater starb. Spies´ Familie geriet deshalb in tiefe Not. Sozialsysteme, wie wir sie heute kennen, gab es nicht. August war das älteste Kind und arbeitsfähig, also musste er gehen. Mutter und Geschwister blieben zunächst in Deutschland zurück; später holte er sie nach.

Ein Streik veränderte die Weltsicht von August Spies

Spies schlug sich durch in der neuen Welt. Er begann in New York eine Lehre als Möbeltischler, zog um nach Chicago und begann sich für die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse zu interessieren. Dann erlebte er als 22-jähriger etwas, das sein weiteres Denken und Handeln grundlegend prägen sollte. Würde man es in unser deutsches Heute übertragen, dann muss man sich diese Ereignisse aus dem Jahr 1877 in den USA etwa so vorstellen:

Den Mitarbeitenden der Deutschen Bahn, den Schaffnern und Lokführerinnen, den Stellwerkern und Rangierkräften, den Werkstattmitarbeitern und dem Reinigungspersonal – einfach allen – wird zum dritten Mal innerhalb eines Jahres mitgeteilt, dass ihre Gehälter gekürzt werden. Die wirtschaftliche Lage sei schlecht, heißt es zur Begründung, außerdem habe ein Krieg das Land ruiniert. Daraufhin treten die empörten Angestellten der Bahn an verschiedenen Orten in den Streik. Immer mehr Eisenbahnerinnen und Eisenbahner schließen sich landesweit an. Kaum noch ein Zug wird gewartet, die Gleise werden blockiert, keine Fahrkarten mehr verkauft, die Loks bleiben stehen. Der Vorstand der Bahn ruft den Staat zur Hilfe – und der schickt die Bereitschaftspolizei. Mit Knüppel und Schusswaffen kämpft der Staat die Arbeitnehmer nieder, diese reagieren mit Vandalismus: Gebäude werden niedergebrannt und Lokomotiven zerstört. Nach mehr als zwei Monaten Verwüstung und Gewalt gewinnt der Staat die Oberhand. Im ganzen Land hat der Kampf der Streikenden gegen die Polizeigewalt mehr als 100 Tote gefordert.

Der Große Eisenbahnstreik von 1877, die sozialen Ungerechtigkeiten, die ihn ausgelöst haben, und die Gewalt, mit der er beendet wurde, erschütterten die USA. August Spies machten die Ereignisse um die staatliche Niederschlagung des Streiks gegen die zunächst unbewaffneten Streikenden so wütend, dass er sich einer paramilitärischen Arbeiterorganisation anschloss. Später gründete er eine Arbeiterzeitung und wurde ihr Herausgeber und Chefredakteur.

Eine Bombe, ein Justizmord

Neun Jahre später, am 1. Mai 1886, stand August Spies in Chicago auf dem Haymarket und hielt eine flammende Rede. Er brandmarkte die Ungerechtigkeit der Arbeitsordnung. Er verlangte bessere Löhne und einen gesetzlichen Acht-Stunden-Arbeitstag für die Werktätigen. Wieder eskalierte die Situation durch Gewalteinsatz der staatlichen Milizen. Es folgten über mehrere Tage Großdemonstrationen, denen der Staat jeweils mit brutaler Gewalt begegnete. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen wurden am 3. Mai sechs streikende Arbeiter erschossen, etliche weitere verletzt. Am 4. Mai explodierte auf dem Haymarket eine Bombe, deren Herkunft bis heute ungeklärt ist.

Das dadurch verursache Chaos nahm die Polizei zum Anlass, die Streikanführer zu verhaften. Acht Männer, darunter August Spies, wurden für die Bombe verantwortlich gemacht, als „Mörder“ angeklagt, zum Tode verurteilt und hingerichtet. August Spies starb im Herbst 1887 durch Erhängen. Sechs Jahre später rehabilitierte der Gouverneur von Illinois die Getöteten: Ein Zusammenhang ihrer gewerkschaftlichen Agitation mit der Bombe sei nicht nachweisbar.

Wofür werben eigentlich die Plakate seit Mitte April?

Diese Geschichte könnte im Kopf haben, wer sich an diesem Sonntag – geeignetes Wetter vorausgesetzt – im Biergarten ein kühles Bierchen bestellt. Auf dem Weg dorthin hat sich vielleicht sogar der eine oder andere gefragt, wofür die Plakate eigentlich werben, die der Deutsche Gewerkschaftsbund jedes Jahr ziemlich lieblos ab Mitte April an die Laternenmasten klemmt.

Wofür wird hier geworben? Aktuelles Plakat des DGB zur Maikundgebung vor den Werkstoren von BOSCH in Stuttgart-Feuerbach.

Der radikal-anarchistische Arbeiterführer August Spies, das deutschstämmige Opfer eines amerikanischen Justizmordes, zählt zu den Urvätern des 1. Mai als Feiertag. Die internationale Arbeiterbewegung erhob in Andenken an ihn und an den Kampf der Streikenden auf dem Chicagoer Haymarket erstmals den 1. Mai 1890 zum internationalen Kampftag der Werktätigen. Die damals Mächtigen beeindruckte das kaum. Erst mehr als 40 Jahre später waren es in Deutschland ausgerechnet die Nationalsozialisten, die diesen Schritt vollzogen und den 1. Mai zum arbeitsfreien „Tag der nationalen Arbeit“ erklärten. Ein Paradebeispiel für ideologische Aneignung: Am 1. Mai 1933 erlebten die deutschen Berufstätigen erstmals den Feiertag zu ihren Gunsten, aber am Tag darauf, am 2. Mai 1933, stürmten Nazi-Schergen die Häuser der deutschen Gewerkschaften, betrieben ihre nationalsozialistische „Gleichschaltung“ und verhafteten ihre Anführer.

Der 1. Mai: Eine ideologische Projektionsfläche

Nach dem Krieg erbte die junge Bundesrepublik Deutschland den weltlichen Mai-Feiertag. Oft strahlendes Frühsommerwetter, keine Maloche, und noch dazu kein Kirchenbesuch – der 1. Mai war der Lieblingsfeiertag der aufkommenden deutschen Freizeitgesellschaft. Immerhin, wer sich in den 60er und 70er Jahren gesellschaftlich engagierte, empfand es noch als edle Werktätigen-Pflicht, auf die gewerkschaftliche Maikundgebung zu gehen. Ein Großereignis war das, Zigtausende auf den Marktplätzen, die Radiosender übertrugen die Maikundgebungen aus verschiedenen Städten ihres Sendegebietes live in einer Konferenzschaltung wie am Samstagnachmittag die Bundesliga.

Abends dann, in der „Tagesschau“, da waren die Bilder aus Ostberlin und aus Moskau oder Peking zu sehen. Endlose Paraden defilierten vor den Tribünen, furchteinflößende Waffen rollten vorbei, fröhliche Erzieherinnen schwenkten gemeinsam mit den von ihnen beaufsichtigten Kindern im sozialistisch gradlinigen Gleichschritt die roten Fähnchen. In der kommunistischen Welt wurde der „Tag der Arbeit“ zu Schwerstarbeit für Paraden-Organisatoren und Ordensspangen-Festnäherinnen. Auf den Tribünen saßen alte Männer, die von der Situation der Werktätigen keine Ahnung hatten, sich aber als Vertreter der siegreichen Arbeiterklasse fühlten.

Neue Aufgaben für „Josef den Arbeiter“ aus der Weihnachtskrippe

In diesem ideologischen Getümmel rund um den „Tag der Arbeit“ wollte im Jahre 1955 ein anderer alter Mann nicht beiseite stehen. Der fast 80-jährige Papst Pius XII. erhob einen prominenten Zimmermann in den Status der „Arbeiters“ und machte damit den 1. Mai zu einem katholischen Gedenktag. Die Ehrung der Arbeit sollte nicht den atheistischen Systemen des Ostblocks allein überlassen bleiben. „Josef der Arbeiter“ heißt seither jener gütige, uneheliche Vater von Jesus, uns allen besser bekannt als der Mann neben dem Kindlein in der Weihnachtskrippe.

Prost! – Ein Hoch auf alle, die am 1. Mai arbeiten

August Spies hat sich das alles am 1. Mai 1886 bestimmt nicht so gedacht. Erreicht hat er einiges: Der 8-Stunden-Tag ist heute in den reichen Teilen der Welt die Regel. Und der arbeitsfreie Feiertag 1. Mai gilt in vielen Ländern für alle, die das Glück haben, den dafür passenden Beruf gewählt zu haben. Denn arbeitsfreier Feiertag für viele heißt besonders viel Arbeit für wenige, die auf unsere Sicherheit, unsere Gesundheit, unsere Mobilität achten – oder uns das Bier an den Biergartentisch schleppen.

Also lasst uns das Glas heben: Ein frisch gezapftes Maibock auf August Spies – und auf alle, die am 1. Mai arbeiten!

 

Zur Geschichte des 1. Mai siehe auch auf der Website des DGB: https://www.dgb.de/themen/++co++d199d80c-1291-11df-40df-00093d10fae2

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Ich werde Ihnen zuhören, Herr Merz

Ein offener Brief an den neuen Bundeskanzler

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

gewählt habe ich Sie nicht, aber nun sind Sie trotzdem mein Bundeskanzler. Ja: „mein“ Kanzler. Denn ich habe mir vorgenommen, Ihnen mit dem Respekt zu begegnen, den das Amt, das Sie ausfüllen, verdient. Und erst recht habe ich Respekt vor der Größe der Aufgabe und Verantwortung, die nun auf Ihnen lastet. Ich danke Ihnen dafür, dass sie auch für mich diese Last tragen werden. Ich bin überzeugt, dass Sie „das Beste“ für mich wollen, auch wenn wir vielleicht streiten müssten, was genau „das Beste“ ist.

Friedrich Merz auf der Mission ins Kanzleramt – Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Ich bitte Sie um nichts, was nur meinen Interessen dient. Ich bin kein Lobbyist für mich selbst. Ich erwarte keine Steuersenkungen und keine Rentenerhöhungen und auch keine anderen Wohltaten zu meinem Vorteil. Ich wünsche mir von Ihnen das, was sich alle wünschen, die guten Willens sind: Sicherheit für dieses Land durch Besonnenheit und kluge Diplomatie, aber auch in angemessener Wehrhaftigkeit. Den Wohlstand erhalten, in dem der größte Teil meiner Mitmenschen, wie ich selbst auch, leben. Dabei dürfen wir nicht weiter die begrenzten, natürlichen Ressourcen vernichten. Dass die Kinder gerne in eine intakte Schule gehen, die Straßen nicht voller Schlaglöcher oder gesperrt sind wegen der maroden Brücken. Dass die Bahn pünktlicher wird. Dass wir uns auf eine integre Polizei und eine unabhängige Justiz verlassen können. Dass wir als Gesellschaft das Ziel der sozialen Gerechtigkeit nicht aus den Augen verlieren, dass wir stets im Blick behalten, wo Not ist und wie wir sie lindern können.

Das alles wünsche ich mir wie Millionen andere, und ich zweifle nicht daran, dass Sie, sehr geehrter Herr Merz, sich genau das vorgenommen haben.

Ich möchte Sie zur Demut ermutigen

Aber ich möchte Sie zur Demut ermutigen. Ich möchte Sie darum bitten – und sei es nur für sich selbst und nicht öffentlich -, sich einzugestehen, dass es ein fraglicher Impuls war, als sie wenige Tage vor der Wahl Ihre Rhetorik gegen Geflüchtete mithilfe fraglicher Behauptungen verschärften („tägliche Gruppenvergewaltigungen“). Dass es unklug war, sich in dieser Sache von rechtsradikalen Demokratiefeinden unterstützen zu lassen. Dass Sie sich nun vornehmen, in Ihrem neuen Amt sich solche zuspitzende Impulsivität nicht mehr zu genehmigen.

Ich möchte Ihnen Mut zusprechen, den Verlockungen der scheinbar einfachen Wahrheiten entgegenzutreten. Politik ist kein Lieferdienst, daher muss sie nicht „endlich liefern“, wie derzeit alle von Ihnen fordern, sondern besonnen und entschlossen handeln. Ich brauche auch gar keinen „Politikwechsel“, sondern verlässliches, nachvollziehbares Regieren im Diskurs, aber ohne verletzenden Streit.

Sie sind Christ, wie ich.

Ganz gewiss werden Sie politische Entscheidungen treffen müssen, die ich inhaltlich kritisieren werde. Ich würde mir wünschen, dass Sie dann so viel an Bedächtigkeit zeigen, passende Worte der Abwägung finden, so dass ich Ihre Entscheidung vielleicht wenigsten verstehen, wenn auch nicht billigen kann.

Sie sind Christ, wie ich. Ich möchte Ihr Sprechen daran messen können. Wenn ich Ihnen künftig zuhören werde, dann hoffe ich auf Worte, die jederzeit dem Ideal einer unteilbaren Menschenwürde gerecht werden. Dem grundlegenden Verständnis für jeden Menschen in Not, egal welcher Rasse, Glaube oder Herkunft er sei. Der immerwährenden Achtung vor der Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen.

Nach allem, was ich über Sie und von Ihnen gehört und gelesen habe, bin ich sicher, dass Sie in reflektierten Momenten genau so denken. Und ich verstehe durchaus, dass ich Ihr politisches Handeln nicht immer nur an diesem Maßstab werde messen dürfen. Denn Sie müssen nun die Interessen Deutschlands in einer Welt und Wirklichkeit vertreten, die sich nicht ausschließlich an den Grundwerten der UN-Charta oder unseres Grundgesetzes orientiert. Ich weiß das.

Aber Ihre Worte, sehr geehrter Herr Merz, – Ihre Worte sollten es sein. In diesem Sinne vertraue ich Ihnen. Vielleicht bin ich naiv, aber ich werde aufmerksam sein. Nehmen Sie sich in Acht. Ich werde Ihnen zuhören.

Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen!

Ihr Andreas Vogt

aktualisiert am 6. Mai 2025

Weitere Texte als #Politikflaneur finden Sie hier – auch zwei weitere Texte über Friedrich Merz aus der Wahlkampf-Phase: Friedrich, der Zaubergeselle und Trump, Merz und der Fosbury-Flop

 

Moderner Narziss im Blütenmeer

Ein Besuch bei der Tulpenblüte in Holland

Reihe um Reihe recken die Tulpen, abertausende, vielleicht Millionen ihre farbigen Köpfe der Sonne entgegen. Dort, wo sie dicht an dicht stehen, schützt sie ihre eigene Pracht davor, einfach zertrampelt zu werden. Aber an ihrem Ende franst die Reihe aus, wird löchrig, und eine einzelne Pflanze hat schließlich das traurige Schicksal, dort ganz am Rand zu stehen, als äußerster Vorposten der Blütenpracht, gerade noch dazugehörig und doch schon gefährlich vereinzelt.

Diese Tulpe ist es, die größte Gefahr läuft, von Narziss übersehen zu werden.

Der schöne Jüngling war verliebt in sein Spiegelbild

Um diesen schönen Jüngling aus der griechischen Mythologie geht es in diesem Text. Die gelbe Frühlingsblume „Narzisse“, hierzulande auch oft als „Osterglocke“ bekannt, verdankt ihm ihren Namen. Die Sage erzählt, dass Narziss sich so sehr in sein eigenes Spiegelbild verliebt habe, dass er von den Göttern schließlich in diese Blume verwandelt worden sei. Gemeint war dies als eine Art Erlösung oder Gnade, damit die grenzenlose Eigenliebe irgendwann und irgendwie enden kann.

Narziss – verliebt in sein eigenes Spiegelbild – Gemälde von Michelangelo Merisi da Caravaggio (ca. 1599) – Foto: Gemeinfrei via Wikimedia

Auch ein Narzissenfeld, fast bis zum Horizont reichend, gehört zur „Tulip Barn“, der „Tulpenscheune“, einer Art Schaubauernhof für Tulpenfreunde in der holländischen Blumenregion Bollenstreek. Man sollte nicht überrascht sein, dort auf Selbstverliebtheit zu stoßen, denn schon die Webseite wirbt mit eindeutigen Verlockungen: „Entdecken Sie unseren Selfie-Garten“, wird versprochen, und: „Wir haben über 20 tolle Fotomotive platziert und ihn so zum Traum eines jeden Instagrammers gemacht.“

Dieser Lockruf zum unproblematisch Schönen, zum scheinbar Harmonischen, zum unpolitischen Blühen und Wachsen, das die Schrecknisse dieser Welt nicht kennt, besser noch: farbig überstrahlt – hallt weit hinaus während der Wochen der Tulpenblüte in Holland. Menschen aus aller Welt pilgern dorthin, wandern und radeln, oder stauen sich zu den Großparkplätzen. Allesamt sind sie voller Erwartung auf das magische Blütenwunder.

Der Tulpenwahnsinn erblüht zu Millionen

Zu Recht. Der Tulpenwahnsinn erblüht zu Millionen in praller Farbenfreude, soweit das Auge reicht. Mal in einheitlicher Farbe knallt einem schrilles Rot oder leuchtendes Gelb entgegen, dann wieder in gemischter Pflanzenformation die ganze bunte Welt der Tulpen, Hyazinthen oder Narzissen. Es ist fast des Schönen zuviel.

Auf der Suche nach der (eigenen?) Schönheit: Tulpenblüte in Holland als modernes Narziss-Erlebnis.

Eitel sind sie, diese Blüten, wie sie sich in ihrer vergänglichen Farbpracht dem Betrachter entgegenöffnen, ihn mit ihrem Duft locken, mit ihrer Vielfalt überwältigen! Aber noch eitler ist doch die Spezies Mensch, die Eintritt bezahlt, um Teil dieser Natur-Inszenierung werden zu können. Den „Traum eines jeden Instagrammers“ bereitzustellen, bedeutet: Nicht nur die blühende Überwältigung muss her, sondern auch sonst alles, damit schöne Fotos entstehen.

Ein bunt betulpter Oldtimer steht da, eine romantische Hollywood-Schaukel lädt zum Wippen im Blütenkranz, rosa Stühle im Tulpenfeld sorgen für die richtige Kulisse. Farblich passende Schmetterlingsflügel verwandeln den Fotografierten in ein liebenswertes Rieseninsekt, und auch menschhohe Spiegel im Tulpentsunami dürfen nicht fehlen. Narziss, hier als Tulpenfreund, will sich vor dem Hintergrund der Tulpenpracht selbst sehen und bewundern.

Es klickt und klackt und posiert sich

Ein lebendiges, selbstverliebtes Gewusel herrscht also zwischen den prächtig erblühten Pflanzreihen, es klickt und klackt und posiert sich das Volk der Narzissten vor dem bunten Hintergrund. Da werden Röcke gerichtet, Sakkos geschlossen und Haare drapiert, es wird gehüpft und getanzt und sogar manche filmende Drohne schwirrt über das Blütenmeer.

Aller Narzissten Blicke sind so gerichtet auf die eigene Schönheit, und die der Blüten wird zur Kulisse für eine große Inszenierung der Selbstliebe. Da bleibt kein Blick übrig, hinab vom Display, diesem Spiegelbild der Moderne, hinunter auf den grauen Grund, aus dem die Blüten herauswachsen, sich freigekämpft haben aus ihrer Zwiebel, das harte Erdreich durchstoßen haben, getrieben von ihrer Sehnsucht nach Licht.

Und ach – die arme kleine Tulpenpflanze, die das Schicksal ganz an den Rand der Pracht gedrängt hatte, sie lebt schon nicht mehr. Abgeknickt ist die Blüte, ein Selbstverliebter ist draufgetreten auf der Suche nach dem schönen eigenen Spiegelbild.

 

Mehr über die Mythologie des Narziss auf Wikipedia. 

Der Besuch der Tulpenblüte in Holland hinterlässt bleibende Eindrücke. Einen Eindruck dazu gibt es auf der Website der Tulip Barn in Hilegom. 

Weitere Texte als #Kulturflaneur finden Sie hier.

 

 

Die sinnliche Seite der Zeit

Christian Marclays Videokunstwerk „The Clock“ in Stuttgart

„Sehen Sie nur“, sagt die blondgeföhnte, hochseriöse Dame im Verkauf für sehr, sehr teure Uhren zum solventen Kunden (natürlich ein Mann). „Sehen Sie nur: Die Akkuratesse der Mechanik, wie in jedem Innehalten des Zeigers die Möglichkeit von Stillstand steckt, und wie jedes Mal die gleiche Entscheidung getroffen wird: Weiter, immer weiter, es gibt keinen Weg zurück!“ Sie macht eine kunstvolle Pause, beider Blicke ruhen auf dem winzigen Uhrwerk hinter gewölbtem Glas, und der Kunde nippt am Sekt. „Und welche Eleganz in dieser Unerbittlichkeit liegt“, haucht sie ihm dann in die bereits von Gier geweiteten Ohren, „welche Schönheit und welche Traurigkeit …“

Mit dieser Szene beginnt die zweite Folge der großartigen Fernsehserie „Die Affäre Cum Ex“, die es derzeit ganz frisch in der ZDF-Mediathek abzurufen gilt. Der junge Mann ist zu Geld gekommen und will es standesgemäß in einer edlen Uhr anlegen. „Da wären wir bei 43.800 Euro,“ ergänzt die Dame im Kostüm eher beiläufig, „plus Mehrwertsteuer“, und der Banker blickt auf, aber verbietet sich jedes Zucken angesichts dieser Zahl. Seine ganze Aufmerksamkeit gilt dem kleinen mechanischen Wunder.

Die Zeit vergeht, und wir alle schauen zu: „The Clock“ von Christian Marclay (Foto: Kunstmuseum Stuttgart)

Nichts tickt mehr, aufziehen ist out

Die sinnliche Erfahrung eines Uhrwerks muss nicht so teuer sein. Für nicht einmal fünfzig Euro ist ein Bausatz aus 166 Holz- und wenigen Metallteilen zu haben, mit dem auch ein ungeübter Bastler sich seine eigene Uhr zusammenstecken kann. Wer es macht, verbringt ein paar Stunden mit Heraus- und Zusammendrücken der vorgestanzten Zahnräder und Halterungen, mit Messen und Ausrichten, und erlebt dann staunend, wie sein Werk heranwächst. Und: Wie das zunächst tote Material nach einigem Balancieren und Justieren zu magischem Leben erwacht. Die Holzuhr, eben noch ein Stapel flacher Sperrholzbrettchen, tickt tatsächlich, die Zahnräder greifen ineinander, die Unruhe zappelt, das Pendel bewegt sich hin und her, wie von Zauberhand angetrieben (wenn auch in Wahrheit von einer aufgezogenen Feder). Weiter, immer weiter, es gibt keinen Weg zurück!, erzählt dann auch das laute Ticken dieser Uhr, beinahe selbst geschaffen, fast wie aus dem Nichts, und nun ein Symbol für das immer Verheißungsvolle des Kommenden, das ewig Verlorene des Vergangenen.

Seit sich die Digitalisierung auch unserer Zeit bemächtigt hat, ist die hier beschriebene sinnliche Seite des Alltagsgegenstandes „Uhr“ weitgehend verlorengegangen. Da tickt normalerweise nichts mehr, und aufziehen, dagegenklopfen, am Ohr horchen muss man auch nicht mehr. Die Uhrzeit wird schnöde in Zahlen angezeigt, sekundengenau zumeist, und wer die Uhr mit Sonnenenergie betreibt, braucht sich nicht einmal Gedanken um das Ermüden von Batterie oder Akku machen.

„The Clock“ – ein kommerziell erfolgreiches Kunstwerk

Alle diese Gedanken begleiten den Kulturflaneur, wenn er sich dem sensationellen Video-Kunstwerk „The Clock“ nähert. Noch bis 25. Mai ist es erstmals in Deutschland zu erleben – im Kunstmuseum Stuttgart, wegen eines Jubiläums noch dazu bei freiem Eintritt. Der US-amerikanisch-schweizerische Videokünstler Christian Marclay hat es zusammen mit vielen anderen geschaffen, es gibt weltweit davon nur sechs Kopien. Jede konnte Marclay für rund 500.000 US-Dollar verkaufen, vor allem an Museen. „The Clock“ ist damit vermutlich das bisher kommerziell erfolgreichste Werk der Videokunst. Streamen kann man es nicht, weil es eben kein Film ist, sondern ein Kunstwerk, für das Marclay im Jahr 2011 den Goldenen Löwen der Biennale von Venedig gewann.

Zu sehen ist der Ablauf von genau 24 Stunden, also 1440 Minuten. Um „The Clock“ zu erstellen, wurden Zigtausende von Film- und Fernsehsequenzen gesichtet und nach Szenen durchsucht, in denen Uhren zu sehen sind oder von der Uhrzeit die Rede ist. Rund zwölftausend Filmschnipsel haben es schließlich in das Werk geschafft. Sie sind nicht sinnlos nacheinander gereiht, sondern so, dass sie durchaus so etwas wie eine Ahnung von kurzen Handlungen ergeben. Beispiel: Eine Frau springt aus dem Bett und geht durch eine Tür – Schnitt – eine ganz andere Frau aus einem ganz anderen Film kommt aus einer anderen Tür heraus, nimmt ein Baby in die Hand – Schnitt – Großaufnahme eines weinenden Babys auf dem Arm einer Krankenschwester – diese blickt auf die Uhr im Flur: 11.55 Uhr.

Das Werk über die Zeit ist selbst eine Uhr

„The Clock“ darf nur so synchronisiert gezeigt werden, dass während des Filmes die echte Zeit vergeht – oder auch angezeigt wird, je nachdem, wie man es betrachten möchte. Wenn es also 11.55 Uhr ist, so wird eine Filmszene gezeigt (manchmal auch mehrere), in der es ebenfalls genau fünf vor zwölf Uhr ist: Irgendwo, auf der Uhr an der Wand, auf einer Armbanduhr oder im Gespräch der Filmhandlung. Die Sequenzen bilden nebenbei oft den Tagesablauf ab: Vormittags wird meist gearbeitet, mittags viel gegessen, abends treffen sich Freunde in der Bar, nachts wird geschlafen. So geht das jede Minute, ohne Unterbrechung, 24 Stunden lang. Das Werk über das Vergehen der Zeit ist selbst eine Uhr.

Etwa zwanzig bequeme Sofas stehen im abgedunkelten Raum des Stuttgarter Kunstmuseums. Besuchende können sich hineinsaugen lassen in dieses einzigartige Monumentalwerk der Videokunst. Filmen und Fotografieren ist streng verboten. Minute um Minute vergeht, Stunde um Stunde blickt man gebannt auf die Zeit. Vom 17. auf den 18. Mai könnte man das sogar die ganze Nacht hindurch tun, denn dann hat das Museum aus diesem Anlass rund um die Uhr geöffnet.

„The Clock“ macht süchtig. Lümmelnd auf dem Sofa zieht die Zeit vorbei, sinnlich, vielfältig, tiefsinnig und albern. Beim Schauen auf dieses Räderwerk der Bilder bleibt keine Zeit zum Nachdenken, nur zum Mitspüren. Ist der Moment gelebt, schon ist er verloren. „Welche Schönheit in dieser Erkenntnis liegt!“ Ja, und auch: welch tröstende Traurigkeit. Ein großes, buntes, stumm machendes Erlebnis aus gut verbrachter Zeit.

Mehr zu „The Clock“ im Kunstmuseum Stuttgart finden Sie hier.

Die Fernsehserie „Die Affäre Cum-Ex“ finden Sie in der ZDF-Mediathek.

Weitere Texte als #Kulturflaneur finden Sie hier.

 

Tag 8: Lust und Last des Gedenkens

Tag 8 (21. März 2025)

Von Spechtsbrunn nach Heinersdorf

Viele Dörfer liegen nah an der früheren Grenze. Vierzig Jahre lang waren sie die Leidtragenden der Weltpolitik. Die Entscheidung des „Ostblocks“, die Grenze strikt abzuriegeln, bedeutete für sie, wenn sie auf DDR-Gebiet lagen: Im besten Fall Zutritt nur mit Sondergenehmigung, noch mehr Überwachung als sonst – und im schlechtesten: zwangsweise Umsiedlung.

Es waren nicht diese Dörfler, sondern die rebellischen Bürger der großen Städte, die das ganze System ins Wanken und schließlich am 9. November 1989 zum Einsturz brachten. Und plötzlich klopfte die Weltgeschichte an die Mauer auch in diesen Dörfern.

Erinnerungsort für den „Kleintettauer Zipfel“ – informativ und einladend. Im Hintergrund eines der Häuser, die stehen geblieben sind und 1976 im Zuge eines Gebietstauschs nach Bayern zurück-eingemeindet wurden.

Mein Weg am Vortag hatte in Kleintettau geendet, ein Dorf, das ich über einen Radweg, vorbei an friedlich grasenden Hochlandrindern erreichte, der insgesamt viermal die heutige Landesgrenze zwischen Bayern und Thüringen durchschneidet. Zu DDR-Zeiten gab es ihn nicht, hier war Sperrgebiet. Kleintettau liegt eigentlich in Bayern, aber drei Höfe des Ortes waren durch die Weltgeschichte auf DDR-Grund geraten. Wie ein Dorn ragt auch heute ein Stück Thüringen nach Bayern hinein. Die Bewohner dieser Häuser waren daher vermutlich die einzigen DDR-Bürger, die über bundesdeutsche Pässe verfügten. Dem SED-Staat erschien es unangemessen, diesen Menschen beibringen zu wollen, dass das restliche Dorf in Bayern nicht weiterhin ihre Heimat sein sollte. Ein Glücksfall, denn andernorts in ähnlicher Konstellation – etwa in Mödlareuth – konnte ich bereits andere Entscheidungen besichtigen. Man hätte die drei Häuser auch mit Gewalt aussiedeln können. Davor schreckte die DDR-Führung zurück; im Zuge eines Gebietstausches kamen die Menschen schließlich 1976 in den Westen. Eine gut gepflegter Erinnerungsort, informativ und einladend, erzählt nun diese glückliche Geschichte.

Der Mauer-Rest im Hintergrund ist original und steht unter Denkmalschutz. Die Gedenksteine davor sind kaum lesbar, und der Autoverkehr rauscht vorbei, als wäre es nie anders gewesen: Gedenken in Heinersdorf, wo einmal die Welt zu Ende war.

Heute dagegen endet mein Weg in Heinersdorf. Von thüringischer Seite her kommend begrüßt mich am Ende eines Radweges durch traumhaft schöne Natur entlang der Tettau die abgrundtief hässliche Ruine eines früheren Wohnheims für Grenzsoldaten. Heute dient es als Areal für Airsoft-Spiele. Offenbar haben dabei alte Autoreifen eine wichtige Bedeutung, denn solche liegen zu Tausenden auf dem Gelände. Das lang gezogene Straßendorf, das zur thüringischen Stadt Sonneberg gehört, hat dann viel herausgeputzte Privatheit zu bieten, nette Vorgärten und sauber renovierte Einfamilienhäuser. Für den öffentlichen Raum fehlt aber das Engagement: Kaum eine Parkbank, wenig öffentliches Grün, und die frühere Gaststätte ist schon von außen ein ausgesuchter Hort der Trostlosigkeit. Kein Wunder, dass sie niemand mehr betreiben möchte. Einst endete der Ort an der Mauer, kein Weg ging weiter dort, wo jetzt die neue Straße liegt, auf der die Autos vorbeisausen, von Bayern nach Thüringen und umgekehrt, als wäre es nie anders gewesen. Reste der Mauer stehen noch, auch hier angelegt als Erinnerungsort mit verwitterten Gedenksteinen. Hier gab es keinen DDR-Grenzübergang, aber nach den Ereignissen in Berlin wurde einer geschaffen. Die provisorische Bretterbude steht noch, sie staubt und bröckelt als „Gedenkstätte“ vor sich hin. Das Gedenken, so scheint mir, ist hier zur Last geworden.

Distanz: 17,7 Kilometer, 24.500 Schritte

Begegnungen mit Wanderern: keine. Ein paar Radfahrer auf dem letzten Stück.

Jäger-Hochsitze am Weg: 15

Alle Texte aus meinem Wandertagebuch #Grenzerfahrung finden Sie hier.

Im Text sind Weiterleitungen zum besonderen Schicksal der Dörfer Kleintettau und Heinersdorf verlinkt, und speziell zu meinem Text über Mödlareuth (Tag 2).

Tag 7: Fast ganz allein im Haus des Volkes

Größer als die Kirche: Das Bauhaus-Ensemble „Haus des Volkes“ dominiert das Stadtbild des Grenzortes Probstzella. Das Gebäude und seine Geschichte sind eine Sensation. Aber den Ort kennen alle nur wegen seines Schicksals als Grenzbahnhof.

Tag 7 (20. März 2025)

Von Probstzella nach Kleintettau

Mein Weg führt weiter Richtung Westen, über die rauschende Loquitz auf der gegenüberliegenden Seite den Hügel hinauf auf dem Kolonnenweg. Bald habe ich eine aussichtsreiche Höhe erreicht, um meinen Blick zurück auf Probstzella zu richten. Millionen Menschen haben schlechte Erinnerungen an den Ort, der für Reisende nur aus dem Grenzbahnhof zu bestehen schien. Zwischen 1949 und 1989 mussten dort alle Züge von und nach Berlin aus dem Süden der Bundesrepublik anhalten, hunderttausende Leibesvisitationen, Gepäckkontrollen, Schikanen und Erniedrigungen wurden hier durchlitten, manche haben auch Gewalt erfahren.

Vor allem aber sind mit Probstzella Erinnerungen an Ängste verbunden. Über den DDR-Grenzbahnhof ist viel geschrieben worden, und heute erinnert ein kleines Museum im Bahnhof an seine Geschichte. Das eigentliche Gebäude, ein hässlicher Betonbau, das damals der wahre Ort von Willkür auf deutschem Boden war, wurde bald nach dem Mauerfall abgerissen; bis zuletzt haben historisch Bewusste (u.a. auch die heutige Bundestags-Vizepräsidentin Göring-Eckardt) erfolglos dagegen gekämpft.

Einen Vorteil hat dieser Eingriff in die historische Substanz immerhin. Die Sicht auf den ganzen Ort ist jetzt frei, wenn der Wanderer vom gegenüberliegenden Hügel hinüberblickt auf das Städtchen. Aus der Entfernung wird das Grauen klein und das Malerische groß. Und so ist zu sehen, dass das größte Gebäude dieser Stadt nicht die Kirche ist – wie sonst so oft – sondern ein mächtiger Bau mit dem Namen „Haus des Volkes“ direkt gegenüber dem alten Bahnhof.

„Oh Gott, sozialistische Propaganda“, mag nun mancher ausrufen, wenn er diesen Namen hört – und liegt damit meilenweit daneben. Dieses gewaltige Haus, das heute wieder mehrere Säle, eine Bowlingbahn, ein Kino, einen Billardraum, Tagungsräume, eine Sauna und ein Hotel beherbergt, zu dem ein Park gehört mit Musikpavillon, Kneippbecken und Seerosenteich – dieser Bau heißt so, weil schon im Jahr 1925 sein Erbauer es so wollte.

Franz Itting war in Probstzella zu Geld gekommen, weil er die neu aufkommende Elektrizität herstellte und verkaufte. Itting war ein schwerreicher Industrieller – und ein überzeugter Sozialdemokrat. Itting wollte ein sozialer Vorbildunternehmer sein. Er ließ für seine Arbeiter Wohnungen bauen, schloss für sie Lebensversicherungen ab, führte die 40-Stunden-Woche ein. Und er ließ für die Stadt, mit deren Elektrifizierung er so reich geworden war, ein gewaltiges Gebäude errichten im damals aktuellen Bauhaus-Stil – zur Förderung der kulturellen und gesellschaftlichen Gemeinschaft –, und nannte es „Haus des Volkes“. Schon den Nazis war Itting als Person und die offene Idee seines „Haus des Volkes“ suspekt. Er wurde drangsaliert, zeitweise ins Konzentrationslager gesperrt, und sein großes Haus durfte auch nicht mehr dem Volk gewidmet sein. Itting überlebte den Terror, aber dann kamen die kommunistischen Ideologen an die Macht– und auch ihnen konnte er es nicht Recht machen. Sie misstrauten seinem Reichtum, enteigneten den Sozialdemokraten und brachten ihn schließlich dazu, sein Leben und einen kleines Teil seines Besitzes wenige Kilometer entfernt auf die bayerische Seite der Grenze nach Königsstadt zu retten, als das noch möglich war.

Das „Haus des Volkes“ diente dann als Veranstaltungsraum und den Grenzsoldaten als Büro und Unterkunft. Und es hieß nun auch wieder so. Heute steht es unter Denkmalschutz, und mit bemerkenswerten Engagement versucht ein privater Betreiber, es als Hotel- und Veranstaltungsstätte in stabilem Leben zu erhalten. Keine einfache Aufgabe, angesichts des gewaltigen Raumprogramms und der äußeren Umstände: Der ICE fährt schon längst nicht mehr durch Probstzella, die nächste Autobahn ist weit. Wer dort übernachtet – wie ich -, erlebt viel Fläche, und wenig Menschen. Das sei in der Saison und an Wochenenden anders, versichert der Betreiber. Ich habe das „Haus des Volkes“ nicht ohne großen Respekt vor dieser Leistung wieder verlassen, und wurde bereichert um das Wissen über Franz Itting, diesen Visionär des Sozialen und Nachhaltigen, und über die Frauen und Männer, die als Architekten und Künstler dieses große Schloss für das Volk geschaffen haben.

Dann, einige Kilometer weiter, führt mein Weg zu einem Aussichtsturm, der „Thüringer Warte“. 1962 wurde sie errichtet, um in Zeiten des Kalten Krieges von bayerischer Seite einen freien Blick zu haben auf den abgesperrten Teil Deutschlands. Nun wartet die Warte inmitten dahinsterbender Fichtenwälder auf einen neuen Sinn. Auch diesen Turm hat die Baufirma von Franz Itting errichtet. Vielleicht konnte er dann von dort oben beobachten, was mit seinem „Haus des Volkes“ passiert, das so nah vor ihm lag, und für ihn doch unerreichbar war.

 

Distanz: 16,5 Kilometer, 24.000 Schritte

Begegnungen mit Wanderern: 1

Jäger-Hochsitze am Weg: 6

Alle Texte aus meinem Wandertagebuch #Grenzerfahrung finden Sie hier.

Im Text sind Weiterleitungen zum Grenzbahnhof-Museum Probstzella, zum Haus des Volkes und zu Franz Itting und zur Thüringer Warte verlinkt.