„Ehre ist Zwang genug“ – Eine Tugend stürzt ab

Über den Verfall der Selbstachtung im politischen Diskurs

Gibt es noch so etwas wie Ehre im politischen Diskurs? Zählt es noch etwas in Zeiten von Fake News, Populismus, schnellen Schüssen, wenn jemand versucht, ehrenvoll zu sprechen und zu handeln?

„Ehr is dwang nog – Ehre ist Zwang genug.“ Dieser aus dem Mittelalter stammende Spruch ziert ein Kaufmannshaus in Münster. Die Historikerin und Schriftstellerin Ricarda Huch interpretierte 1927 den Satz so: „Der Freie, und das ist nach der damaligen Auffassung der Edle, erträgt keinen Zwang, aber er zwingt sich selbst.“

„Die Ehre ist, objektiv, die Meinung anderer von unserem Wert“, sezierte klug schon vor rund zweihundert Jahren der Philosoph Arthur Schopenhauer. Wenn also sehr viele politische Zeitgenossen beispielsweise von Donald Trump oder Wladimir Putin glauben, dass auf ihr politisches Wort nicht wirklich Verlass sei, da sie ihre Aussagen schon allzu oft geändert haben, oder sie allzu schnell bereit sind, zulasten der Wahrheit zuzuspitzen, willentlich zu verletzen – dann wird solchen Menschen nach Schopenhauer nur eine sehr zurückhaltende „Meinung anderer“ von ihrem Wert begegnen – also eine geringe Ehre.

„Subjektiv“, so schrieb Schopenhauer jedoch weiter, „ist die Ehre unsere eigene Furcht vor dieser Meinung der anderen“. Wer den wenig Geehrten seine Wertlosigkeit also spüren lässt, der mag objektiv vielleicht Recht haben, aber trotzdem kränkt er möglicherweise die Ehre seines Gegenübers.

1895

In dem Roman „Effi Briest“ von Theodor Fontane geht es (auch) um eine Ehrverletzung. Der erfolgsverwöhnte Baron von Innstetten, Spitzenbeamter im Berliner Regierungsapparat kurz vor Ende des 19. Jahrhunderts, heiratet Effi, eine viel zu junge Frau. Eine Tochter erblickt das Licht der Welt, aber der Baron vernachlässigt Frau und Familie zugunsten der Karriere. Mehr als sechs Jahre später entdeckt er durch einen unglücklichen Zufall, dass Effi sich in dieser Zeit auf ein außereheliches Techtelmechtel mit einem Offizier eingelassen hat. Effi wird in Schimpf und Schande verstoßen, das Kind dem „schuldlosen“ Vater (oder besser gesagt: einer von ihm beauftragten Amme) anvertraut.

Aber damit ist die Geschichte nicht zu Ende. Denn in der Moralvorstellung seiner Zeit hat nicht nur die treulose Ehefrau die Gefühle ihres Mannes verletzt, sondern vor allem der lotterhafte Nebenbuhler die Ehre des gehörnten Gatten. Der Baron sinnt nicht auf Rache, aber er hat auch das Gefühl, dass der Regelverstoß nicht hingenommen werden darf. Also denkt er einige Tage nach über die bedrückende Lage, und bittet dann seinen besten Freund Wüllersdorf zu sich: Er solle ihm als Adjutant dienen beim Duell mit dem Liebhaber. Es entspinnt sich im Roman an dieser Stelle ein Dialog, auf den noch einzugehen sein wird.

2024

Es gibt keinen Grund, über solche Duelle der Vergangenheit den Kopf zu schütteln, gehören doch bei vergleichbaren Lebensbrüchen Ehrenmorde, Kindstötungen und Femizide als feste Größe in die Kriminalstatistik von heute. Verletzte Ehre treibt Menschen (vor allem Männer) noch immer zu den aberwitzigsten, oft mörderischen Grausamkeiten. Und das, obwohl der Begriff der „Ehre“ spätestens seit seinem Missbrauch durch die Nationalsozialisten mindestens für die Deutschen nachhaltig beschädigt ist.

Gibt es noch so etwas wie Ehre in der Politik? Zählt es noch etwas in Zeiten von Fake News, Populismus, schnellen Schüssen, wenn jemand versucht, Wort zu halten, ehrlich zu sein, vielleicht auch ehrgeizig in der Sache – kurz: ehrenvoll zu sprechen und zu handeln?

Politisch denkende Menschen tragen alltäglich Duelle aus, soweit sie sich nicht nur in der eigenen „Blase“ bewegen: Sie streiten für oder gegen die Aufnahme von Geflüchteten, für oder gegen die Wärmepumpe, für oder gegen die Atomkraft. Die einen verstehen eher die Angst der Juden, die anderen vor allem das Leid der Palästinenser, manche fordern mehr Waffen für den Krieg, und andere mehr Einsatz für den Frieden.

Zum Pistolenkampf kommt es dabei nicht, aber die Worte können hin und her schießen wie Kugeln, können verletzen und Wunden reißen. Die grobe Missachtung von Tatsachen, wissentliches Lügen, billiges Nachhängen an absurden Verschwörungserzählungen sind keine „Meinung“. Pauschaliert-herabsetzendes Sprechen über Dritte („Viele Bürgergeld-Empfänger sind faul“, „Die meisten Ausländer sind kriminell“, „Blonde Frauen sind dumm“) verletzen nicht nur die Ehre derer, über die gesprochen wird, sondern auch das Ehrgefühl jedes Zuhörenden, wenn er einen ehrenvollen Kompass hat. Dabei ist es ganz egal, ob solche Grobheiten von politischer Prominenz verbreitet werden oder im persönlichen Gespräch. „Ehre ist Zwang genug“ – wenn das gelten würde, dürften solche Sätze nicht fallen.

1895

„Ihre Lage ist furchtbar, und Ihr Lebensglück ist hin“, konzediert bei Fontane der herbeigerufene Freund Wüllersdorf dem vor Jahren ehelich betrogenen Baron von Innstetten. „Aber wenn Sie den Liebhaber totschießen, ist Ihr Lebensglück sozusagen doppelt hin. Muss es also sein?“, fragt der Freund.

„Ja, es muss sein“, antwortet der Baron. Weder treibe ihn Rache um, noch Hass auf seine Frau oder ihren Liebhaber. Aber man sei eben nicht nur ein einzelner Mensch, sondern stehe für das „Ganze“, die Gesellschaft habe Regeln herausgebildet, an die man sich halten müsse. „Und dagegen zu verstoßen, geht nicht; die Gesellschaft verachtet uns, und zuletzt tun wir es selbst.“

2024

Das muss man aushalten, sagen deutsche Politiker häufig, wenn sie auf harte Kritik, auch auf ehrverletzende Pöbeleien angesprochen werden. Da dürfe man nicht wehleidig sein, das gehöre zum „Geschäft“. Dabei hat es die Ehre sogar ins Grundgesetz geschafft. Das umfassende Recht auf Meinungsfreiheit findet in Artikel 5 seine „Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“ Man muss also nicht dulden, beleidigt oder verleumdet zu werden.

Wer in seiner politischen Ehre, in der Redlichkeit seines Denkens und seiner Argumentation, im Willen um einen ehrenvollen Austausch missachtet und verletzt wird, der wird auch um das Zuhören, das Nachdenken, vielleicht sogar das überzeugte Einlenken, betrogen. Ratlos steht er dann vor den Trümmern seines Ehrgefühls. Soll er weiter argumentieren, noch einen Versuch machen, weitere Statistiken heranzerren, glaubwürdige Zeugen seiner Position benennen? Soll er weiter kämpfen für das „Ganze“, für die Werte, die doch diese Gesellschaft zusammenhalten sollten? Oder sollte er schweigen, um des lieben Friedens willen – und auf Kosten seiner Selbstachtung einlenken?

1895

„Die Gesellschaft verachtet uns, und zuletzt tun wir es selbst“, hatte Innstetten gesagt. Sein Freund Wüllersdorf gibt sich geschlagen. „Unser Ehrenkodex ist ein Götzendienst“, stellt er resigniert fest, „und wir müssen ihm uns unterwerfen, solange der Götze gilt.“ Also überbringt er schon am nächsten Tag dem unglücklichen Liebhaber die mörderische Aufforderung zum Duell und organisiert das Zusammentreffen. Der Baron schießt, trifft tödlich.

Dem Götzen wurde geopfert. Aber Innstetten bleibt sein Leben lang unglücklich ob des Todes, den er der Ehre halber verschuldet hat. „Nichts gefällt mir mehr,“ sagt er ein paar Jahre später im Roman zu Wüllersdorf, „mein Leben ist verpfuscht.“

2024

Absurd mutet uns heute die Logik des „Götzendienstes“ am Ehrenkodex der beiden Romanfiguren an. Wie gut, dass wir solche Rituale im Regelfall nicht mehr benötigen. Aber immerhin, sie hatten ein Ehrgefühl, und die Gesellschaft um sie herum erwartete ehrenhaftes Verhalten. Inzwischen ist es längst nicht mehr „Zwang genug“, auf die eigene Ehre zu achten, ganz im Gegenteil. Heute bekommt das böse Wort den schnellen Beifall, die vielen Klicks und Likes. Politischer Erfolg ist nun ohne Ehrgefühl möglich.

So fühlt es sich dann also an, wenn man sich selbst verachtet.

 

 

Der Roman „Effi Briest“ von Theodor Fontane (1819 – 1898) ist 1895 erschienen und wurde mehrfach verfilmt. Schauen Sie in Ihrer Büchersammlung nach, vielleicht finden Sie ihn dort. Es lohnt sich, ihn einmal wieder zur Hand zu nehmen. Wenn nicht, ist er kostenlos online verfügbar, z.B. hier. 

Ein für mich erhellender Text war die „Spurensuche“ zum Thema Ehre des Deutschlandfunks: Über einen schwierigen Begriff – Der Kampf mit der Ehre

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Vom Blick der Ergebenheit auf große Aufgaben

Nachdenken über Jeff Walls Fotokunstwerk „Restoration“ – und den neuen Bahnhof von Stuttgart

Eine junge Frau blickt in die Weite. Sie hat dunkle Haare, ein scharf geschnittenes Gesicht, trägt eine Brille aus dünnem, dunklen Metall. Sie steht auf einem Baugerüst, stützt sich auf das provisorische Geländer. Hinter ihr ist eine weitere Frau von hinten zu erkennen, die sich mit feinem Pinsel an der Wand zu schaffen macht. Auf den zweiten Blick versteht der Betrachtende: Das sind keine Handwerkerinnen. Kleine Papierzettelchen markieren weitere Stellen, die der sachkundigen Aufmerksamkeit der beiden Frauen bedürfen. Sie renovieren ein Gemälde, das viel größer ist als sie selbst. Es ist etwas wahrhaft Großes, an dem sie arbeiten.

Ein meditativer Blick der Ergebenheit in die Größe der Aufgabe: Bildausschnitt aus „Restoration“ von Jeff Wall

Diese Zeilen beschreiben einen Ausschnitt aus einem sehr großen Foto. Das hinterleuchtete Bild misst fast fünf Meter in der Breite und 120 Zentimeter in der Höhe, und ist im Besitz des New Yorker Museum oder Modern Art (MoMA). Komponiert hat es der kanadische Fotokünstler Jeff Wall im Jahr 1993. Noch bis 21. April ist es im Rahmen einer Ausstellung in der Fondation Beyeler in Basel zu sehen.

Zu sehen ist eine Baustelle

Die beiden Frauen auf dem Foto stehen im Vordergrund, aber eigentlich ist eine Baustelle zu sehen. Gerüste wurden gebaut, eine Plattform als Arbeitsbühne in die Mitte aus grobem Holz zusammengezimmert. Das „Bourbaki-Panorama“ in Luzern wurde renoviert, als es entstand. Von dem Riesengemälde in seinem Hintergrund sind heute etwa 1000 Quadratmeter erhalten. Sie zeigen die Entwaffnung eines Teils der französischen Armee zum Ende des deutsch-französischen Krieges 1870/71. Gemalt hat es der Künstler Edouard Castres im Jahr 1881; die Renovierung des Kunstwerkes hat sieben Jahre gedauert.

Die Größe einer Aufgabe: Jeff Wall, „Restoration“ in der Fondation Beyeler

Walls Foto heißt „Restoration“ und erzählt nichts über den Krieg, über die Verzweiflung der unterlegenen Soldaten, die Not der Menschen und die Hilfsbereitschaft, die ihnen begegnete. Das alles ist Thema des Panoramabildes. Das große Foto fängt nur einen einzigen Moment ein – den der Meditation, des demütigen Innehaltens der jungen Frau, ihres Nachdenkens über die Größe der Aufgabe, die ihr und ihrer Kollegin gestellt ist. Wann werden sie jemals damit fertig sein?

„Wann wird er endlich fertig sein?“

Vierzehn Jahre wurden von Baubeginn an benötigt, um den neuen Flughafen in Berlin fertigzustellen. Sechzehn Jahre lagen zwischen ersten Planungen und der Eröffnung der Hamburger Elbphilharmonie. „Wann wird er denn nun endlich fertig?“ fragen die Menschen, wenn sie am alten Stuttgarter Kopfbahnhof ankommen und nun schon seit Jahren absurd lange und beschwerliche Umgehungswege hinter sich bringen müssen, um vom maroden Bahnsteig in der taubenverdreckten, zugigen Resthalle, in die Innenstadt oder auch nur zur Anschluss-S-Bahn zu gelangen. Wann wird er endlich fertig, der neue Bahnhof?

Eine Gelegenheit, sich davon ein Bild zu machen – es gewissermaßen der Restauratorin bei Jeff Wall gleichzutun und in die Weite zu blicken – , hat die unter der Riesenbaustelle leidende Bevölkerung alle Jahre an Ostern. Bei „Tagen der offenen Baustelle“ drängen sich die Massen der Neugierigen unter spinnennetzartigem Gerüstgewirr hindurch, stolpern über Metalltreppen und provisorisch ausgebreitete Schalungsbretter durch die Wunde im Herzen Stuttgarts, still staunend und emsig fotografierend. Mehr als 100.000 Besucher waren es dieses Jahr an den drei Tagen, an denen sie eingeladen waren, das auch nach jetzt dreißig Jahren Planung und zwölf Jahren Bauzeit noch immer unvollendete Werk zu besichtigen.

Die Fülle der Aufgaben gleicht einer Hydra

Es ist die Größe einer Aufgabe, die verstummen lässt. Einen solchen Bahnhof zu errichten – in diesem Fall: ihn hineinzugraben in den Untergrund des Zentrums einer Großstadt – gleicht einem geradezu babylonischen Plan. Die elegant geschwungenen Kelchstützen, die komplexen Lichtaugen, die ganze unfassbare Vielfalt und Vielzahl der Aufgaben, die hier geplant und abgearbeitet werden müssen, mit Abermillionen Details, Kabelanschlüssen, Dichtungen, Bewehrungen – sie alle gemeinsam gleichen einer Hydra: jedes gelöste Problem trägt die Gefahr in sich, dass sich zwei neue Herausforderungen auftun. Schließlich ist das, was zu sehen ist, erst der Rohbau, was wird noch alles folgen müssen: Gleise und Bodenbeläge, Lampen und Schilder, Papierkörbe und Signale, Treppen und Aufzüge, Kioske und Toiletten, Bänke und Automaten. Wann wird all das endlich fertig sein?

Die Größe einer Aufgabe macht demütig

Der Blick der jungen Frau vor ihrer Renovierungsarbeit ist kein Blick von Resignation, kein Protest, keine Gleichgültigkeit. Es ist ein Blick der Ergebenheit. Die Größe einer Aufgabe macht demütig. Hier ist keine Ungeduld zu sehen, auch keine Erschöpfung. Die Restaurierung wird brauchen, viele Stunden, Wochen, Monate, Jahre. Aber am Ende wird sie gelingen.

Die Größe einer Aufgabe: Noch keine Bahn rollt durch den neuen Bahnhof in Stuttgart, und bis die Kathedrale der Züge fertiggestellt sein wird, werden noch Abermillionen Details zu leisten sein.

Noch kein Zug rollt durch die kühle, hohe Halle des neuen Stuttgarter Bahnhofs. So ist ausreichend Platz, dass sich sogar die Massen der Neugierigen verlaufen. Sie blicken in die Weite dieses fast 450 Meter langen Raumes, hinauf in die Höhe, die man dem Untergrund abgerungen hat, sehen hinweg über herumstehende Baustellenfahrzeuge, Dixi-Klos und gestapelte Materialien. Es wird viel länger dauern, als vor vielen Jahren berechnet wurde. Es wird mühsamer sein und teurer sowieso. Die Größe der Aufgabe fordert ihren Tribut.

Der weite Blick in die künftige Kathedrale der Züge

600 Jahre haben Menschen am Kölner Dom gebaut. Es hat sich gelohnt, denn wer heute unter seinen gotischen Bögen steht, versteht Geschichte. Ungezählte Menschen haben an ihm gewirkt, ihn in die Höhe getrieben und bekämpfen bis heute seinen Verfall. Es ist wie in der künftigen Kathedrale der Züge von Stuttgart: Am Ende sind es nicht die Besserwisser und Kritiker, die ein großes Werk schaffen, nicht die Zweifler und ungeduldigen Nörgler. Es sind die Menschen mit einem Blick für das Weite. Die, die einen kühner Plan fassen und genauso die, die ungezählte Details verwirklichen, hier ein Kabel, dort eine Schraube. Irgendwann wird das Ganze größer sein als wir selbst, und etwas erzählen von uns, wenn wir es selbst nicht mehr erzählen können.

 

Die Fotokunstwerke von Jeff Wall sind eine Reise nach Basel wert. Die Ausstellung seiner großformatigen Werke in der Fondation Beyeler ist noch bis 21. April zu sehen.

Fotos und Animationen über den Stand der Baustelle für den neuen Stuttgarter Bahnhof gibt es massenhaft im Netz, z.B. hier.

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Kein Entrinnen aus der Vorstadt

Dora liegt darnieder. Mit der Welt ihrer Eltern und Geschwister kann sie nichts anfangen. Also sucht sie einen Zauber … Szene aus der Oper „Dora“ von Bernhards Lang (Musik) und Frank Witzel (Text) an der Oper Stuttgart. Foto: Martin Sigmund, bereitgestellt von Oper Stuttgart

Eine Erzählung – anlässlich der Uraufführung von „Dora“ an der Oper Stuttgart

Prolog

Die Vorstadt liegt wenige Kilometer außerhalb der Metropole. Man erreicht sie mehr schlecht als recht mit den Fahrzeugen des öffentlichen Nahverkehrs, denn an dieser Form der Verkehrsanbindung wird noch gearbeitet. Zunächst waren die Autos dran. Eine notdürftig asphaltierte Stichstraße schiebt sich wie ein Damm durch die sumpfige Lagune der Baugruben. Sie bildet die einzige sichtbare Lebensader für das Neubauviertel. Wackelige Drahtzäune links und rechts bewahren die entlangschlingernden Laufräder samt ihrer kindlichen, stets mützen- und helmgeschützten Besitzer vor einem Absturz. Kräne wachen über die Pfützen in den tiefergelegten Betonwüsten, die einmal die Böden bilden werden für Tiefgaragen. Praktische Mehrfamilienhäuser werden sich einst darüber wölben.

Dann fächert sich diese für eine motorisierte Welt gedachte Lebensader auf in das Ghetto der kleinfamiliären Hoffnungen. Taubenstraße, Zaunkönigweg, Amselboulevard – so heißen hier die Sträßchen, die ein Kleinfamilienleben erschließen, das von sich behauptet, in sauber geordneten Reihenhäusern entfaltet zu werden. Die Rasenroboter rotieren in den Maschendraht-Quadraten hin und her wie der eingesperrte Tiger im Zoo. Der freie Blick durch die immergleichen Terrassenfenster auf die immergleichen, eckenausfüllenden Sofagarnituren wird versperrt durch die immer gleichen Grillvorrichtungen. Es herrscht geplante, selbstgewählte Monotonie in dieser Exklave für Jungeltern und ihre Kinder. Die Spielplätze sind wohlgeordnet, die akkurat eingepflanzten Bäumchen noch mehr Schule als Baum. Und nur ein Ausweg weist hinaus: Auf dem Asphaltdamm hinüber in den neueren Teil der Siedlung, wo der große Lebensmittel-Supermarkt lockt und das Fachgeschäft für alles, was die eingesperrten Haustiere benötigen. „Fressnapf“ heißt es, was auch für den Edeka passen würde.

„Wie ich diese Landschaft hasse …“

Eine junge Frau, laut Libretto „Mitte zwanzig“, steht im Mittelpunkt einer Opern-Neuproduktion von Bernhard Lang (Musik) und Frank Witzel (Text) in Stuttgart. Sie heißt „Dora“, und Dora ist es, die rebelliert gegen die Eintönigkeit ihres Lebens, gegen das konformistische, materialistische Lebenskonzept ihrer Eltern, gegen die dröge Anpassungsfreude ihrer Geschwister. Dora lebt nicht im hier beschriebenen Neubauviertel, aber das tut nichts zur Sache. „Wie ich diese Landschaft hasse“, singt sie voller Zorn dem Publikum entgegen, „und wie sich diese Landschaft von mir hassen lässt!“

Es ist also pure Fiktion, lustvoll inspiriert von der Stuttgarter Inszenierung, aber sie nicht abbildend, wenn nun dieser Faden weitergesponnen wird. Wenn eine kleine Dora heute leben würde in der Vorstadt, dann wäre sie noch etwa zwanzig Jahre mit dem Rest der Welt vor allem durch die Damm-förmige Lebensader verbunden. Diese wird dann eine normale Straße sein, weil aus den Baugruben Häuser gewachsen sein werden. Dora wird dann Schatten suchen unter den Bäumen, die dafür endlich groß genug sein könnten, und die Spielplätze werden verwaist sein, weil Dora nicht mehr spielen möchte. Sie will jetzt etwas Neues haben vom Leben, etwas Abenteuerliches.

Gesucht: Ein Zauber

Aber wie soll das dann gehen in dieser Vorstadthölle? Kaum zu übertreffen an Langweiligkeit und Konformität ist auch dann noch diese Welt, die ihr die Eltern geschaffen haben, sich verschuldet haben, um das Kind in eine Idylle einzusperren, die es niemals gab. Die es nicht gab, als man sich unter dem üppig geschmückten Weihnachtsbaum versammelte, die Geschenke aufriss und nichts darin fand, was das Herz berührte. Die es nicht gab, als die Eltern stritten und sich quietschend versöhnten; die es auch nicht gab, als sie über den Damm ihrer Eintönigkeit entflohen, all inclusive in die Türkei, immer auf der Suche nach dem „Sondern“, dem anderen. Gefunden haben sie es nicht, sondern immer war es nur ein teurer Tausch der einen Konformität gegen die andere gewesen.

Also wird Dora ausbrechen aus dieser Welt ihrer Eltern, die sie ohnehin nur mit drögen Vorhaltungen quälen. Sie wird die Welt erkunden wollen, nachsehen wollen, was es gibt jenseits der Fressnäpfe für Mensch und Tier. Einen Zauber wird sie suchen, ganz für sich allein, der ihrem Leben Sinn und Orientierung geben kann, ganz im Faust´schen Sinne hinausweist über die Monotonie der Vorstadthölle.

Gefunden: Ein Mann vom Amt

Aber was sie zunächst finden wird, ist: Ein Mann vom Amt. Ein Bürokrat wird ihr Vorträge halten darüber, sie sei viel zu jung zum Verzweifeln, und im Übrigen bestehe sein Auftrag darin, „hier etwas Ordnung zu schaffen“. Das genau wird Dora nicht suchen, denn diese Ordnung ist für Dora nur „Stumpfsinn, Trübsinn, Langeweile, Alltag“. Die Hilfe dieses alten weißen Mannes wird sie also ausschlagen, blind dafür, wer da in Wirklichkeit vor ihr steht. Mit pubertärem Zorn wird sie den Teufel verscheuchen, missmutig noch einmal zurückkehren in die verhasste Vorstadt, zurück in die Welt der selbstverschuldeten bequemen Perspektivlosigkeit hinter den primelbewaffneten Vorgärten.

Aber der Teufel wird über ausreichende Mittel verfügen, Doras Schicksal zu bestimmen. Er wird den in sie verliebten jungen Mann in bösartige Verstrickungen locken, die mit einem Suizidversuch enden werden. Immerhin, der schöne Jüngling wird überleben, wenn auch für das Leben gezeichnet und verstummt.

Der Teufel manipuliert das Leben der wütenden Dora. Hier ist er als Bürokrat unterwegs. Foto: Martin Sigmund, bereitgestellt von Oper Stuttgart

Dora wird entsetzt sein über die Wirkung ihrer Emotionen. Und wieder wird der Teufel locken: Wie leicht würde Dora sich ihrer Verantwortung für den Geliebten billig entledigen können! Aber Dora ist klug, und sie wird verstanden haben: Es gibt kein „Sondern“ außerhalb des eigenen Lebens. Und so wird sich Dora ihrem Schicksal zuwenden: Gemeinsam mit dem Geliebten, und sei der noch so beschädigt, wird sie sich der Aufgabe stellen, des Lebens Sinn in der Vorstadt zu finden.

Mit dem letzten Paukenschlag verlischt das Licht

Als in der Oper „Dora“ dieser Moment erreicht ist, trommelt und kracht es, scheppert und vibriert das ganze große Opernhaus. Drei Schlagwerke, verteilt in den Logen, zeigen das Ende der Oper an, ein musikalischer Höhepunkt dieses an sinnlichen Unvergesslichkeits-Momenten reichen Abends modernen Musiktheaters. Noch während die Pauken krachen und die Trommeln wirbeln, wenn noch alles zittert und bangt, geht das Licht an, im ganzen Saal. Der Teufel ist vertrieben. Mit Dora und ihrem Geliebten finden wir uns im Licht der Realität wieder, und dann, mit dem letzten Paukenschlag, verlischt es doch. So schön, so intensiv und sensibel wurde die unabwendbare Sterblichkeit noch selten auf einer Opernbühne in Szene gesetzt, und der begeisterte Applaus holt alle zurück in diese Welt, der wir nicht entfliehen können.

Epilog

So bleibt noch, als Ende dieses Textes, also nicht der Oper selbst, über die Versöhnung der wütenden Dora aus der Vorstadt mit der Welt ihrer Kindheit zu spekulieren:

Viele Jahre später wird Dora vielleicht das Reihenhaus ihrer Eltern geerbt haben. Das Herbstlaub der großen Bäume wird hineintreiben in die dann zugewachsenen Gärten, die keinen Rasenroboter mehr brauchen, da dichtes Gebüsch die kleinen Flächen überwuchert. Keine Trampoline und keine gesattelten Holzpferde werden mehr triefen im Nass des Regens, und die Spielplätze werden ersetzt sein durch seniorengerechte Parkbänke. Dorthin wird Dora ihren Partner im Rollstuhl schieben, wird dort sitzen und darauf warten, dass der mächtige Tod sie sanft herausholen möge aus der unentrinnbaren Vorstadt.

 

„Dora“ ist ein uneingeschränkt empfehlenswertes Erlebnis. Mehr Infos dazu bei der Oper Stuttgart. Aufführung an mehreren Terminen im März und Anfang April, zuletzt in dieser Spielzeit am 4. April.

Dieser Text erhebt nicht den Anspruch einer Aufführungskritik. Mein Fokus liegt ausschließlich auf dem (kultur-)politischen Aktualitätsbezug von Werk und Inszenierung. Daher gibt es in diesem Text auch nur Bemerkungen zur Konzeption der Inszenierung, nicht zu den Leistungen von Sänger/innen und Orchester.

Gesehen habe ich die Generalprobe am 29. Februar 2023. 

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Keine Fische in Sicht in Zuffenhausen (#53)

St. Antonius zu Padua, Markgröninger Str. 35, 70435 Stuttgart-Zuffenhausen

Mein Besuch am 7. Februar 2024

Die neoromanische Antonius-Kirche in Stuttgart-Zuffenhausen verbirgt sich in den engen Gassen des ehemaligen Arbeiterviertels.

Üblicherweise wird man sich dieser Kirche zu Fuß nähern durch enge, vollgeparkte Gassen, die den Blick auf den neoromanischen Bau erst wenige Meter vor dem Ziel preisgeben. Es ist ein prosaisches Vorstadtbild, in dessen Mitte diese Kirche des St. Antonius von Padua steht. Als Arbeiterviertel geprägt, heute durch Migration und bunte Vielfalt bereichert, duckt sich das Gewirr aus unterschiedlichsten Häuschen und Häusern den Hang entlang. Stuttgart-Zuffenhausen ist längst kein christlich geprägter Stadtteil mehr, hier sind die Christen längst in eine Minderheitenposition gerutscht.

Der Heilige St. Antonius von Padua (1195? – 1231), nach dem diese Kirche benannt wurde, passt bestens in dieses Bild. Ihm werden zahlreiche schützende und helfende Funktionen zugeordnet.  So steht er gläubigen Menschen zur Seite, wenn  sie etwas verlegt oder verloren haben (daher wird er im Bayerischen liebevoll als  „Schlampertoni“ bezeichnet). Er war und ist den Armen zugewandt, er hilft bei der Partnersuche, um nur wenige Kompetenzen herauszugreifen, die dem historischen Franziskaner-Bischof zugeschrieben werden. Der Legende nach hörten ihm , obwohl er doch so redebegabt war, die Stadtbewohner von Rimini nicht zu, und so richtete er seine Predigt ersatzweise an die Fische im Mittelmeer , die ihm folgsam ihr Ohr schenkten. Gustav Mahler vertonte dieses Motiv durchaus heiter in seiner Vertonung des Liederzyklus von Clemens Brentano „Des Knaben Wunderhorn“.

Wohltuend aufgeräumt: Die Kirche ist schlicht und still, ein einladender Ort der Ruhe in einer weltlichen Zeit.

Heute steht der schlichte, akkurat aufgeräumte Kirchenbau im strohtrockenen Zuffenhausen und wirbt in einer weltlich geprägten Zeit um Menschen, die zuhören. Die Legende von der Predigt an die Fischer ist ja nicht zuletzt eine Metapher dafür, dass es nicht immer die Worte sind, die das Leben ausmachen. So schweigt diese Kirche schlicht und still. Am Werktag hatte ich Gelegenheit, sie ganz alleine zu erleben, das Frühjahrslicht fällt durch schmucklose Fenster, der geschmackvoll zurückhaltend renovierte Innenraum atmet fromme Klarheit. Die Einrichtung ist symmetrisch geordnet. Es ist ein Raum der Ruhe in einer Zeit und an einem Ort, in dem die viele glauben, keiner Ruhe zu bedürfen, sie sich mehr ersehnen zu müssen, als gönnen zu dürfen.

 

Mehr über den heiligen St. Antonius von Padua bei Wikipedia. Die Vertonung sein er Fischpredigt durch Gustav Mahler klingt so. (Klick führt zu Youtube) 

Mehr Kirchen aus meiner Sammlung #1000Kirchen finden Sie hier.

 

 

 

 

 

 

Immersive Art – and Politics?

Die moderne Lust am Mittendrin-Erlebnis

Hereinspaziert! Das ultimative Erlebnis wartet. Es ist fast wie früher auf dem Jahrmarkt: „Eine Frau ohne Beine! Öffentliche Hinrichtung ohne Blut!“ Schaudernd und zögerlich stand man davor: Soll man diesen Verlockungen folgen? Selbst dabei sein, mittendrin, nicht nur davor?

Immersive Art verspricht das intensive Kulturerlebnis. Im Kirchengewölbe (hier der Stuttgarter Kirche am Feuersee) ist virtuell die Schöpfungsgeschichte zu erleben. Wie wäre es mit Immersive Politics? (Auf dem rechten Foto ein Blick auf die Großdemonstration für Demokratie in Hamburg am 20.1.2024)

 

Die Attraktionen von heute warten nicht auf das nächste Volksfest, sondern lauern in den würfelförmigen Zweckbauten der Moderne am Rande unserer Städte. „Aufwändige Installationen und Projektionen erzeugen in Verbindung mit Musik rauschende Farbwelten und lassen die Gemälde auf noch nie zuvor gesehenen Weisen lebendig und spürbar werden“, wird in Aussicht  gestellt, und: „Erleben Sie selbst, wie sich für Sie Illusion in Realität verwandelt!“ Illusion in Realität? Das ist viel versprochen, das muss man doch erleben.

Vorgebuchte Timeslots für schmucklose Hallen

Mit solchen Lockrufen wirbt beispielsweise „Monets Garten“ für ein immersives Kulturerlebnis rund um den französischen Ausnahmekünstler. Die bunten Welten der virtuellen Kunst boomen und verführen mit interaktivem Spektakel zum Besuch der großen Namen mit den berühmten Bildern.  Menschen, die sonst vielleicht niemals ein Museum betreten hätten, strömen für das immersive Erlebnis zu vorgebuchten Timeslots in schmucklose Hallen, und zahlen dafür satte Eintrittsgebühren.

Mit Vincent van Gogh kann man sich so übergießen lassen, geradezu virtuell ertrinken in seinen Sonnenblumen, oder auch in das endlose Gold von Gustav Klimt abtauchen. Leonardo da Vinci, Claude Monet, Rene Magritte, Frida Kahlo, Salvador Dalí – sie alle wurden schon immersiv aufbereitet. Das Erlebnis beschränkt sich dabei nicht auf die digitale Vervielfältigung des Einmaligen, nicht auf die Vergrößerung des großartig Kleinen ins Vielfache. Es geht um ein sinnliches Gesamterlebnis. Bei „Monets Garten“ kann man über eine mit Plastikblumen ausgeschmückte und synthetischem Fliederduft bestäubte Brücke gehen, also höchst körperlich selbst hineinsteigen in das berühmte Bild mit den Seerosen. Frida Kahlo darf man per VR-Brille durch einen Traumflug folgen, und bei Vincent van Gogh wird dazu eingeladen, sich virtuell in das berühmte Schlafzimmer von Arles hineinzubeamen.

Selfie-tauglich in die Überwältigung starten

Das immersive Erlebnis verspricht ein Eintauchen (engl. Immersion) in die Bild- und Farbwelt eines Künstlers, und das ganz mühelos und ohne dass auch nur ein einziges originales Bild vor Ort wäre. Replikationen ersetzen die millionenschweren Gemälde, ergänzt um eine einleitende Erlebniswelt mit ein paar Informationen zum besseren Verständnis. Gut ausgeleuchtet, Smartphone-Selfie-tauglich wird der Kunstfreund so auf die sinnliche Überwältigung vorbereitet. Die wartet in der großen Halle, über und über bespielt mit Projektoren. Die künstlerische Farbwelt überflutet den Besucher, der dort selbst zur nebensächlichen Projektionsfläche wird, denn eigentlich perlt die Bilderwelt über die Wände und auch auf den Boden. Von sanften Klängen umspielt darf man sich in die bereitliegenden Sitzsäcke fallen lassen, und dann gibt es Seerosen ohne Ende, überall, so schön und nah, wie man sie nie erleben könnte, wenn man ins Museum ginge. Dort würde kein Sitzsack warten und wäre auch keine Musik zu hören. Man dürfte sich unter dem strengen Blick des Aufsichtspersonals dem oftmals als überraschend kleinformatig empfundenen Original allenfalls auf einen halben Meter nähern.

Seerosen ohne Ende … bei „Monets Garten“ sitzt man inmitten eines virtuellen Seerosenteichs. Das Konzept der Überwältigung funktioniert, Menschen erleben Kunst, die vielleicht niemals ein Museum aufsuchen würden.

Da mögen nun die altklugen Kunstkenner die Nase rümpfen über so viel flachen Kommerz und so wenig echte Aura, über die billige Vervielfältigung des Einmaligen, auch über die eitle Sucht, sich ständig selbst digital verewigen zu wollen in der Welt der Großen. Aber das Prinzip Wachsfigurenkabinett funktioniert auch mit Malerei: Wer das Original nicht haben kann, fotografiert sich eben mit der gut gemachten Kopie.

In kirchlichen Gewölben wachsen Pflanzen

Mittendrin, nicht nur davor. Bei solchem Erfolg wollen nicht einmal die Hüter der biblischen Schöpfungsgeschichte beiseite stehen. Unter dem Titel „Genesis“ verteilen sich derzeit die virtuellen Wassermassen strohtrocken über die Kirchenbänke, erlebt der zahlende Besucher die Geburt der Sterne und das erste Licht des Lebens, wachsen in kirchlichen Gewölben dank moderner Projektion gewaltige bunte Pflanzen und versinken dann in der Evolution. „Die audiovisuelle Reise nimmt das Publikum mit in die Erschaffung von Sonne, Mond und Sternen, der Tierwelt und den Menschen“, verspricht der Veranstalter. Und auch hier sind die Kirchenbänke gefüllt bis auf den letzten Platz, die effektvoll ausgeleuchteten Gotteshäuser so voll wie selten sonst im regulären Religionsbetrieb.

Mittendrin im Pulk ist die Kraft zu spüren

Mittendrin, nicht nur davor. Hereinspaziert in die Demokratie!, könnte doch da auch ein politisch bewusster Jahrmarktsgaukler rufen. Wie ist denn schließlich heute Politik zu erleben? Öde ist der flüchtige Blick auf den Bildschirm, das Lauschen nebenbei aufs Radio, das langweilige Scrollen durch die Nachrichten auf dem Smartphone. Das Geschehen um das Gemeinwohl kann so nicht mit sinnlicher Pracht erlebt werden. Wer den Blick stets nur auf die kleinen Bilder heftet, die uns das nimmermüde Netz zuspielt, verpasst das große Bild – das immersive Abenteuer der Demokratie.

Also raus zum lebendigen Politikerlebnis! Hinauszugehen auf den Platz, der Einladung zur Demonstration oder zur Kundgebung zu folgen, sich zu nähern der Gruppe Gleichgesinnter, zu erleben, wie sie wächst und größer wird, wie sie schließlich eine Macht bildet, jedenfalls an diesem Platz und zu diesem Augenblick – das ist die ultimative Erfahrung von immersive politics. Mittendrin im Pulk ist die einende Kraft zu erahnen, die den Einzelnen mit dem wildfremden Nachbarn in der Masse verbindet, ist zu spüren, dass es möglich ist, sich gemeinsam bemerkbar zu machen.

Gewiss, dieses immersive Erlebnis geht vorüber, verglüht wie van Goghs virtuelle Sonnenblumen oder Monets versickerter Seerosenteich in der ausgeleuchteten Eventlocation. Aber immerhin: Einmal wenigstens war man mittendrin, nicht nur davor; einmal ist man der Einladung zum Mitmachen gefolgt. Warum nicht öfter? Es ist ganz kostenlos und ein echtes Erlebnis.

 

Immersive Kunsterlebnisse gibt es derzeit in vielen Städten in Deutschland. Hier eine Auswahl: Frida Kahlo kann man so noch bis 7. April in Berlin erleben, Claude Monet derzeit in München, Hannover, Dresden, Freiburg und Frankfurt und Vincent van Gogh ab 16. Februar in Erfurt.

Die biblische Schöpfungsgeschichte „Genesis I und II“ gibt es derzeit in München zu sehen, und ab 15. Februar auch in Hamburg.

Politische Demonstrationen zur Verteidigung der Demokratie gibt es an vielen Orten. Eine aktuelle Übersicht veröffentlicht z.B. regelmäßig der Deutsche Gewerkschaftsbund.

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Verirrt im Virtuellen, ratlos in der Realität

Doug Aitkens Videokunst und Freys Mini-Stuttgart – Zwei Ausstellungsbesuche

Das Licht kam aus Neonröhren. Wenn Wolfgang Frey (1960 – 2012) sein Lebenswerk betrat, seine „Festung der Einsamkeit“ (so das Stuttgarter Kulturprojekt SOUP), wenn er den Schlüssel herumdrehte, um in seine eigene, weitgehend geheim gehaltene Welt einzudringen, dann war dies ein 450 Quadratmeter großer, fensterloser Raum im Zwischengeschoss einer Stuttgarter S-Bahn-Station. Frey drückte dann vermutlich einen Schalter. Die Röhren blinkten, flackerten kurz, erwachten schließlich verlässlich zu ihrem kalten Leben, und nun lag sein Werk vor ihm, das Ergebnis unfassbaren Fleißes und manischer Akribie, nie fertig, eine ewige Baustelle. Eine gewaltige Landschaft aus Gleisen und Grabsteinen, aus Pappe und Plastik, aus Vision und Wahnsinn hatte er geschaffen, keine Modelleisenbahnanlage, sondern ein zeitgeschichtliches Kunstwerk.

Im Schauwerk blinkt und blitzt es in aseptischer Reinheit

Inzwischen ist jene dunkle Halle im Untergrund des Stuttgarter S-Bahn-Netzes einem anderen Zweck zugeführt worden (was das für das Werk bedeutete, bleibt noch zu schildern), aber auf dem Weg nach Sindelfingen, zu einer anderen dunklen Halle, käme der Kulturflaneur sogar vorbei an dieser Kasematte schwäbischer Besessenheit. Das Ziel in Sindelfingen ist auch hier ein fensterloser Ausstellungssaal, auch dieser in eher spröder Umgebung zwischen einem Möbel-verkaufenden „Erlebnis-Wohnzentrum“ und der Ödnis dahingewürfelter Bürogebäude platziert. Anders als in Freys gigantischem Bastelkeller ist in Sindelfingen immerhin der öffentliche Zugang erwünscht; man soll schauen im „Schauwerk“, dem Museum der Schaufler-Stiftung. Im dunklen Raum dort blinkt und blitzt es in aseptischer Reinheit. Auf gewaltigen Bildschirmen, die im Rund angeordnet sind, läuft in Endlosschleife eine Bilderserie mit dem Namen „Wilderness“. Mal zuckende, mal tanzende, dann wie im Trance verharrende Figuren verbringen einen virtuellen Tag von Sonnenauf- bis -untergang, ratlos und verloren in der ganzen Schönheit ihrer digitalisierten Einsamkeit. Denn echt ist nichts in dieser blankgeputzten Wildnis, alles ist virtuell, es sind nur noch bunte Bilder, die das Leben bilden, hier in Sindelfingen und auf Instagram, auf Tiktok, auf Youtube.

Alles bewegt sich, und doch geschieht nichts im Panorama der bunten Bilder von Doug Aitkens Videoinstallation „Wilderness“. „Return to the Real“ heißt die Ausstellung im Schauwerk Sindelfingen. Foto: Frank Kleinbach, bereitgestellt von Schauwerk Sindelfingen

Return to the Real!

Return to the Real! Der international renommierte US-amerikanische Videokünstler Doug Aitken hat diese kreisrunde Virtualität für das Sindelfinger „Schauwerk“ geschaffen, die dort noch bis 16. Juni 2024 zu sehen ist. Der Ausstellungtitel „Return to the Real“ – Zurück zum Realen – ist blanker Hohn gegenüber dem Gezeigten, eine absichtsvolle Absurdität. Inmitten des bunten Videospektakels, mit Musikfetzen und Geräuschen unterlegt, findet sich der Betrachter in Ratlosigkeit wieder, irrt herum, sucht nach gedanklichen Auswegen aus dem Panorama der digitalen Bilder. Bis er schließlich ahnt, dass seine eigene Orientierungslosigkeit auch die der Figuren ist, die da sinnieren und singen, tanzen und sitzen und warten, dass endlich etwas geschieht. Immer wieder leuchten ihre Handydisplays, aber sie bleiben leer, nichts ist zu erkennen darauf. Es ereignet sich wenig, schon gar nichts Reales, und so mündet das letzte dumpfe Blinken der Autoscheinwerfer durch die Dunkelheit dieser Nacht im Sonnenaufgang für einen weiteren solchen Tag.

Frey bastelte Tausende Grabsteine und Bäumchen

Kein Luftbild: Der Stuttgarter Pragfriedhof in Wolfgang Freys Nachbildung.

Der Stuttgarter Eisenbahn-Angestellte Wolfgang Frey interessierte sich in seinem dunklen Saal im S-Bahn-Zwischengeschoss nicht für Virtualität, sondern nur für das Reale. Er schuf in zwanzig Jahren „eine original- und maßstabsgerechte Nachbildung“ (so der Ausstellungsprospekt „Stellwerk S“) großer Teile der Stuttgarter Innenstadt und des inzwischen in einer Großbaustelle versunkenen Hauptbahnhofs der Schwabenmetropole. Er fummelte aus Pappe und Holz, aus Abfallmaterialien, Spülschwämmen, Plastikstrohhalmen und Radiergummis in Eigenbau 450 Gebäude im Maßstab 1:160 zusammen, von deren Vorbildern viele heute schon nicht mehr stehen. Er schnitzte für die Minitaturausgabe eines Großfriedhofs 2500 Grabsteine, bastelte Tausende Bäumchen, bemalte Hunderte Automodelle und Schienenfahrzeuge, verlegte kilometerweit Kabel. Das tote Leben dieser Miniaturwelt, deren Schöpfer, deren Gott, er war, steuerte er schließlich mit einem eigenen Stellwerk, das er originalgetreu seinem eigentlichen Arbeitsplatz bei der Bahn nachbildete. Entstanden ist so das „größte Stadtmodell Europas“ (Prospekt) auf einer Fläche von 180 Quadratmetern. Dann starb Wolfgang Frey 2012 überraschend im Alter von 52 Jahren, und ließ sein übermenschliches Werk im Dunkel des S-Bahn-Zwischengeschoss zurück. Bis heute ist die Stadt, die er nachbaute, ratlos, wie mit diesem Erbe umzugehen ist.

Doug Aitkens Bilderkreisel wird abgebaut werden, wenn die Sindelfinger Ausstellung endet. Die großen Videowände sorgsam verpackt, die Projektoren in gepuffte Folien gewickelt, die steuernde Software heruntergefahren. Das Werk wird in die nächste dunkle Halle verbracht werden, wo es wieder zu seinem virtuellen Leben erweckt wird und unsere eigene Ratlosigkeit ausbreiten kann vor uns selbst.

In der Realität musste zerhackt und zersägt werden

Return to the Real! Als Wolfgang Frey tot war, herrschte bleierne Ratlosigkeit im Umgang mit seiner riesigen Modellwelt. Die Bahn wollte ihr Zwischengeschoss wiederhaben, kaum jemand hatte zuvor das Werk jemals gesehen. Es war auch von Frey gar nicht gebaut worden als Gegenstand der allgemeinen Bewunderung, sondern als Sehnsuchtsort für seine eigene Welt. Schließlich musste die riesige Anlage brutal zerstückelt werden, die Gleise abgehackt, die Kabel gekappt, die Berge herausgesägt, der Friedhof geteilt werden, um das Monstrum erstarrter Zeitgeschichte überhaupt herauszubekommen aus dem Dunkel des Untergrunds.

Stau im Maßstab 1:160 – Freys zeithistorisches Kunstwerk legt die Banalität des Realen offen: eine gescheiterte Verkehrspolitik und zweckorientierter Nachkriegs-Städtebau.

Nach einer Zwischenstation sind nun die Fragmente im Stuttgarter Stadtzentrum, gleich gegenüber vom nachgebildeten Bahnhof, zu besichtigen. „Stellwerk S“ nennt sich das Ladengeschäft, in dem Ehrenamtliche versuchen, im zähen Ringen mit Staub und Geldnot die Ruinen von Freys analogem Bastelwerk der virtuell verwöhnten Öffentlichkeit von heute zu präsentieren. Die Bruchstücke, die dort, nun bei Tageslicht, zu sehen sind, vermitteln wenigstens in Ansätzen, welchem akribischen Wahnsinn dieser große Schöpfergeist des Realen nachjagte. Ganz nebenbei und vielleicht ohne Absicht hat dieser auch noch das ganze Scheitern der Stuttgarter Verkehrspolitik (nur Stau auf allen Straßen, sogar im Modell) verewigt, und auch die raffgierige Dürftigkeit einer Nachkriegs-Städtebaupolitik, die nur die schnelle Nutzbarmachung, nicht aber die Ästhetik eines Stadtbildes im Blick hatte. Frey hat genau diese Realität nachgebaut, hält sie seiner Stadt nun als Spiegel der Banalität in Karton und Farbe vor die Nase.

Zieht man den Stecker, versinkt die virtuelle Welt im Dunkel

Zwei Ausstellungsbesuche lassen erleben, wie sich in zwanzig Jahren Wahrnehmung und Zeitgeist verändert haben. Bei Aitken blinken die sauberen bunten Bilder einer sich ständig wiederholenden, nie endenden Suche nach Sinn, und zieht man den Stecker, versinkt diese Welt im beliebigen Dunkel. Freys verrücktes Miniatur-Stuttgart ist dagegen ein bitteres Abbild der Realität. Seine Tausenden Staub-ergrauten Bäumchen, seine akribisch sortierte Ödnis der Grabsteinchen, seine Tristesse der immer gleichen Bürohäuser, die verblassenden Aufschriften der inzwischen schon versunkenen Geschäfte, die schon zum Zeitpunkt ihres Nachbaus totgeweihten Industriehallen, die erstarrten Staus auf den Straßen – sie allesamt mahnen an das banal Reale, das uns umgibt.

Da hilft kein Stecker, ratlos bleiben wir zurück, hier wie dort.

 

 

„Return to the Real“, die Ausstellung des Videokünstlers Doug Aitken ist noch bis 16.6.202 zu besichtigen im Schauwerk Sindelfingen.

 

Die Stuttgarter Miniaturwelten „Stellwerk S“ sind zu finden gegenüber dem Hauptbahnhof am Arnulf-Klett-Platz 1-3. Geöffnet ist üblicherweise von Mittwoch bis Sonntag von 13 bis 17 Uhr. Das Projekt kämpft ums finanzielle Überleben; mit jedem Besuch des Werkes von Wolfgang Frey unterstützt man auch dessen Erhalt.

 

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Fünfzig Jahre nach Ho Chi Minh

Mit dem Rad durch Vietnam und Kambodscha – ein politisch geprägter Reisebericht

Von Hubert Seiter

Das alte Saigon heißt jetzt Ho Chi Minh-City – aber von den Schrecken des Vietnam-Krieges ist im Alltag kaum etwas zu spüren. Überall begegnen dem Touristen überaus freundliche Menschen. (Foto: Seiter)


 

 

Hubert Seiter war von 1996 bis 2016 Geschäftsführer der Rentenversicherung Baden-Württemberg. Ehrenamtlich engagierte er sich in zahlreichen Institutionen, unter anderem im Krebsverband Baden-Württemberg, in zahlreichen Patienten- und Behindertenorganisationen und als alternierender Vorsitzender im Verwaltungsrat des Medizinischen Dienstes (MD) Baden-Württemberg. Seiter ist passionierter Radfahrer und lebt in Bietigheim-Bissingen. (Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg)


„Ho Ho  – Ho Chi Minh!“ –  dieser rund fünfzig Jahre alte Schlachtruf weckte meine Erinnerungen bei einer Radreise im Spätherbst 2023 nach Vietnam und Kambodscha. Als „Bub vom Land“ habe ich damals die weltweiten Protestmärsche gegen den Vietnamkrieg der Amerikaner zunächst nur aufmerksam verfolgt. Erst zum Schluss habe ich mich getraut mitzudemonstrieren, aber bitte möglichst unauffällig. Als junger „Beamtenanwärter für den gehobenen, nichttechnischen württembergischen Verwaltungsdienst“ wusste oder ahnte ich, dass solche Aktivitäten den allermeisten Chefs – Landräten oder Bürgermeistern (damals fast nur Männer) – gar nicht gefallen würden.

Das alles ging mir auf dem viel zu langen Flug nach Saigon durch den Kopf, pardon: nach Ho-Chi-Minh-City – wie die 9-Milionen-Metropole seit 1976 zu Ehren des 1969 verstorbenen Revolutionärs und Präsidenten von Vietnam heute offiziell heißt. Drei Wochen lagen vor mir, in denen ich überwiegend auf dem Rad durch Südvietnam, durch das riesige Mekongdelta, und schließlich im benachbarten Kambodscha die Hauptstadt Phnom Penh und die unzähligen Tempel in Angkor Wat entdecken würde. Ich wollte mehr, und auch etwas darüber erfahren: Wie haben die Menschen in diesen Ländern den grausamen Vietnamkrieg gegen die Amerikaner und die nicht minder barbarische Schreckensherrschaft der Roten Khmer in Kambodscha verarbeitet – knapp fünfzig Jahre nach Kriegsende im Jahr 1975?

Das frühere Saigon lächelt

Das frühere Saigon lächelt, als ob nichts gewesen wäre. Man sieht fast nur junge, überwiegend sehr freundliche Menschen auf den Straßen. Das Durchschnittsalter der knapp 100 Millionen Einwohner Vietnams liegt gerade mal bei 32 Jahren – in Deutschland beträgt der Vergleichswert 45 Jahre. Die wenigsten Menschen haben daher unmittelbar mit- und überlebt, wie die USA in einer beispiellosen Material- und Menschenschlacht in Vietnam einen „Stellvertreterkrieg gegen den Weltkommunismus“ (so der Marco-Polo-Reiseführer „Vietnam“) geführt hat. Viele Millionen Tonnen Bomben, chemischen Kampfmitteln („Agent Orange“), einfach alles, was modernste Waffenarsenale damals hergaben, wurde eingesetzt.

Geschätzt 3,5 Millionen Menschen – Soldaten und Zivilisten – wurden getötet, unzählige Menschen verletzt und vertrieben. Es gibt Gedenkstätten, welche die Erinnerung an die Gräueltaten und an den stolzen Sieg wachhalten, z.B. in Cu Chi. Nachzuerleben ist dort, wie die „sehr schmächtigen Vietnamesen“ unter der Erde ein Tunnelsystem, auch mit Schutzräumen und Krankenhäusern, gegraben haben, das für die „beleibten Feinde“ unzugänglich war. Auch ein Museum mit allerlei Kriegsgerätschaften gibt es. Im Alltag dominierend ist die Erinnerung an diese Zeit jedoch nicht. Auf den mit tausenden Mopeds überfüllten Straßen habe ich keinerlei Hass gespürt. Man hat offensichtlich selbst mit Amerika seinen Frieden gefunden – spätestens seit dem Besuch von Bill Clinton im Jahr 2000, berichtet unser kundiger Reiseführer.

Gibt es eine „Verzeihenskultur“?

Kann das stimmen? Mir ist es zu einfach und ich nehme mir deshalb vor, mich zu Hause intensiver mit Konfuzius, Buddha und dem Daoismus zu befassen. Vielleicht finde ich Erklärungen für „eine Friedens- und Verzeihenskultur“, Werte, die beim Aggressor Putin, aber auch bei vielen „Zündlern“ in der NATO derzeit leider überhaupt keine Konjunktur haben.

Der Mekong mündet im zweitgrößten Delta der Welt (nach dem Amazonasdelta) in das Südchinesische Meer. Diese Landschaft auf dem Rad zu entdecken ist überwältigend. Fischfang, große Reisfelder, Handwerksbetriebe, viele Fähren (statt Brücken) und zunehmend -hoffentlich – auch ein bald wieder wachsender Fremdenverkehr, ermöglichen vielen Menschen ein bescheidenes Auskommen. Wir übernachteten überwiegend in sog. Homestays und ließen uns von vietnamesischer Hausmannskost verwöhnen. In allen Variationen gab es Fisch, Fleisch, vielfältiges Gemüse, Reis und tolle Früchte zum Nachtisch. Besondere Gewürze machten den (großen) Unterschied zum „Vietnamesen um die Ecke“ in Deutschland.

Auf kleinen Pfaden fuhren wir von Dorf zu Dorf.  Unser Guide hat es geschafft, uns fünf Tage lang durch das Delta zu lotsen, ohne dass wir einem Touristen begegnet wären, immer und überall begleitet von nur freundlichen Menschen, die uns „Hello“ zujubelten.

Mitten in Phnom Penh: Eine Begegnung auf Deutsch

Mit dem Tuk-Tuk durch Phnom Penh gefahren werden – und dabei kann man viel darüber erfahren, wie es war, als Arbeitskraft in der früheren DDR gelebt zu haben. (Foto: Seiter)

Dann weiter nach Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas. Die Busfahrt aus dem märchenhaften Mekongdelta und ein langwieriger Grenzübergang – trotz einiger Dollar Bestechungsgeld – waren eine angemessene Einstimmung. Im Reiseführer steht: „Die 600 Jahre alte Hauptstadt (ca. 2 Mio. Einwohner) ist auf einer rasanten Zeitreise ins 21 Jh. und dem bäuerlichen Rest des Landes um Lichtjahre voraus“ (Marco Polo „Kambodscha“). Nicht ganz so viele Mopeds gibt es dort wie in Saigon, dafür aber sehr viele Tuk-Tuks – motorisierte Rikschas. Unglaublich, was auf diesen „Dreirädern“ alles transportiert werden kann! Wir fanden ein Tuk-Tuk mit einem hervorragend Deutsch sprechenden Fahrer. Bis zur Wende war er „auf Arbeit“ bei Zeiss in Jena. Er hatte viel zu erzählen, auch aus seinen Lehr- und Arbeitsjahren in der DDR. „Gönnt euch einen Abend in dem Dachkaffee eines Hochhauses“, empfahl er uns. Wir folgten dieser Empfehlung und genossen einen wunderschönen Sonnenuntergang über den Dächern von Phnom Penh… bei Cocktails zu einem Preis, den sich unser „deutscher“ Tuk-Tuk-Fahrer trotz üppigem Trinkgeld wohl kaum leisten kann.

Segen und Fluch des Tourismus

Bleibt zu hoffen, dass Kambodscha im Aufschwung doch noch erspart bleibt, was sich – leider – anzudeuten scheint: Sextourismus und/oder Raubtierkapitalismus. Je ein Edelkarosse „Maybach mit Chauffeur“ in Saigon und in Phnom Penh werteten wir dafür als nicht unbedingt gute Zeichen.

Nicht mehr zu entscheiden hat man das in Angkor mit seinen unzähligen Tempel- und Klosterruinen im Dschungel. Dort gibt es bereits im benachbarten Siem Reap eine Partyszene. Nicht auszudenken, wenn jetzt – nach Corona – wieder der Massentourismus aus China einsetzt. Die Kehrseite: Über 300 Hotels (2022), und doch sind viele Gaststätten in Siem Reap immer noch geschlossen, viele Reiseführer arbeitslos. Stattdessen verkaufen Kinder im Vergnügungsviertel kleine Souvenirs und tragen so zum kümmerlichen Lebensunterhalt ihrer Familien bei.

Da einfach nur mildtätig kaufen nicht mein Ding ist, versuchte ich mit einigen – meist – VerkäuferInnen ins Gespräch zu kommen. Ein besonders neugieriges und wissbegieriges kleines Mädchen hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Ich bat sie gestenreich, sich zu uns zu setzten. Auf einer Papierserviette löste sie kleine Rechenaufgaben und vergaß dabei einige Minuten völlig ihren „Job“. Die Serviette – und einen Dollar für einen kleinen Anhänger – packte sie in ihr Täschchen. Wir trafen sie auf dem Heimweg nochmals. Freudestrahlend – und ich glaube auch etwas stolz – zeigte sie uns die Serviette aus ihrem Täschchen.  Ich nahm mir vor, zu Hause nach Projekten zu suchen, die Kindern in Kambodscha – immer noch eines der ärmsten Länder weltweit – Schule und damit Zukunft ermöglichen.

Zwei Tage unterwegs, nur einen Bruchteil gesehen

Einen Teil der riesigen Tempelanlagen in Angkor zu entdecken – verteilt auf eine Fläche so groß wie Berlin! – gelingt am besten auf dem Rad. Auf dem Mountainbike, abseits der Massen, geführt von einem kundigen Guide war es ein unbeschreibliches Erlebnis, im Dschungel nicht nur die gängigen Tempel zu finden. Zwei Tage waren wir unterwegs und haben doch nur einen Bruchteil der sehenswerten Ruinen gesehen. Einfach unvorstellbar, was die Hochkultur der Khmer vor eintausend Jahren hier geschaffen hat. Diese Schätze der Vergangenheit zu schützen und zu erhalten, ist eine Herkulesaufgabe – nicht nur für das arme Kambodscha, sondern für die ganze Welt!

Mit dem Fahrrad durch den Dschungel, und dabei die geheimnisvolle Tempelwelt des Angkor Wat entdecken – ein unvergleichliches Erlebnis. (Foto: Seiter)

Auch dafür ist der nagelneue, hochmoderne Flughafen von Siem Reap Segen und Fluch zugleich. Millionen von Touristen werden in den nächsten Jahren erwartet. Sie bringen die dringend notwendigen Devisen in die Region und nach Kambodscha, aber die Touristen sind auch eine Gefahr für die unverfälschte Freundlichkeit dieser liebenswerten Menschen und den Erhalt der unschätzbaren Kunstwerke vor Ort.

Auf dem Rückflug: Träumen ist erlaubt

So war für mich während des 13-stündigen Fluges zurück von einer nachhaltig- beeindruckenden Reise durch Vietnam und Kambodscha das Träumen angesagt: Bemühen wir uns alle um viel mehr und behutsame Wertschätzung. Reagieren wir wütend auf unmenschliche und unsagbar teure Kriege auf der Welt. Fordern wir Versöhnung statt Revanchismus! Christen, Juden, Buddhisten, Muslime, Atheisten – einfach alle sind gleichermaßen verpflichtet!

 

Dieser Text ist ein Gastbeitrag auf vogtpost.de und gibt ausschließlich die persönliche Meinung von Hubert Seiter wieder.

Wer der Empfehlung von Hubert Seiter folgen und Projekte für Kinder in Kambodscha unterstützen möchte, kann dies an zahlreichen Stellen tun. Hier eine Auswahl: UNICEF-Projekte für Kambodscha, SOS-Kinderdorf in Kambodscha, oder das Projekt „Raise and support the Poor“, das dem Autor persönlich bekannt ist.

 

Mit dem Vietnam-Krieg und wie er in den USA und Deutschland wirkte, setzt sich auch der Text „Vom Frieden träumen, im Krieg aufwachen“ auseinander, veröffentlicht anlässlich eines Musical-Besuchs von „Hair“ in Saarbrücken im Frühjahr 2023.

 

Ideale Fehlbesetzung für das große Glück

Wolf Biermann erzählt vom ewigen Kampf für die Freiheit

Natürlich steht am Anfang die Gitarre. Noch bevor Wolf Biermann irgendetwas gesagt hat in einer Podcast-Aufnahme, die erst enden soll, wenn der Gast der Meinung ist, dass „alles gesagt“ sei, greift er zur Gitarre. Er sing eines seiner Lieder, und stellt dann die Gitarre zur Seite, seufzend fast. „Hier geht es ja nicht im Lieder“, sagt er, „heute soll geredet werden.“ Wie ein stiller Gast wird die Gitarre auf dem kleinen Podium verbleiben, geduldig wartend, bis sie mehr als sieben Stunden später wieder erklingen wird. Dazwischen wurde geredet.

Geredet über Deutschland. „Ist Biermann moderierbar?“, hatte sich Co-Moderator Jochen Wegner, Chefredakteur von „Zeit online“ bei einem Kollegen mit Erfahrung im Umgang mit dem 86-jährigen erkundigt, und als lapidare Auskunft ein „Nein“ erhalten. Diebische Freude hat der kleine Wolf daran, jede Regie durcheinanderzubringen, sich jeder Anweisung zu widersetzen. Eine Schar von Biermann-Fans hatte sich dafür im Rahmen des Hamburger Harbour Literatur-Festivals in einem ausverkauften Tonstudio durchaus kuschelig zusammengefunden.

Gezeichnet von vielen Stunden schwerer Last eines Gesprächs über deutsche Geschichte: Wolf Biermann im Gespräch mit Christoph Amend, Editorial Director ZEITmagazin, bei der Podcast-Aufnahme „alles gesagt“ in Hamburg

Biermann moderiert sich selbst

Biermann führt hier das wortwuchtige Kommando, moderiert sich nahezu selbst in diesem mäandernden Gesprächsmarathon. Ein Leben wird da ausgebreitet, das Leben einer deutschen Ikone der Gegenwart. Wie konnte dieser kleine Mann mit dem markanten, heruntergezogenen Schnauzbart dazu werden?

Im Laufe der Gesprächsstunden mangelt es nicht an Selbstbeschreibungen des putzmunteren Gastes, der von seinen Gastgebern als „größter Drachentöter der deutschen Nachkriegsgeschichte“ begrüßt wurde. Immer wieder tadelt er sich selbst als „Idiot“, schlägt sich gegen die eigene Stirn dabei, spart aber mit solcher Bewertung auch nicht gegenüber seinen Mitmenschen. Vor allem sei er ein Glückskind, eine „ideale Fehlbesetzung“, wundert er sich in eigener Sache. Wer ihm folgt über alle diese Stunden, geduldig den Redeschwall aushält, mit ihm seine häufigen Denkpausen durchschweigt, unterwirft sich seiner geschulten Dominanz, die prallvoll ist von einem deutschen Leben.

Eine Biografie, die verstummen lässt

Zuhören ist also angesagt. Aber diese Biografie lässt ohnehin jeden verstummen, der sie nicht durchlebt hat. Gesäugt an der Brust wurde er, während seine Mutter in den Gestapo-Verhörräumen mit klugen Lügen das Schicksal des Vaters zum Guten zu wenden versuchte. Erfolglos, denn der Vater war zu stolz, sich retten zu lassen. Wolf Biermann, der aus einer Hamburger Kommunisten-Familie stammt, war drei Monate alt, als sein Vater von den Nazis (bereits zum zweiten Mal) verhaftet wurde und nicht mehr freikam, bis sie ihn 1943 in Auschwitz ermordeten. Als Jude, wozu sich der Vater ausdrücklich gegenüber den SS-Schergen bekannt hatte, obwohl er als Kommunist ja eigentlich gar keinen Gott kennen wollte.

Als 17-jähriger siedelte der kleine Wolf Biermann im Jahr 1953 auf Veranlassung der Kommunistischen Partei in die gerade erstandene DDR über, ohne seine Mutter, aber mit ihrem Einverständnis. Schon wieder so ein Glücksfall, meint der Sohn heute, da die Mutter sich niemals dem diktatorischen Duktus der DDR-Bonzen untergeordnet hätte: „Die wäre in Bautzen gelandet“.

Aber so blieb die Mutter im Westen, und der Sohn legte sich im Osten mit den Bonzen an. Unbeugsam verfolgte er seinen künstlerischen Weg, der ihn schon bald isolierte in der berühmten Wohnung in der Chausseestraße, wo seine ersten illegalen Plattenaufnahmen entstanden. Nach und nach geriet Wolf Biermann in die Heldenrolle „dieses deutschen Theaterstücks, das wir aufführen“, wie er sagt.  Wer hätte erwarten können, dass dieser in einer kommunistischen Arbeiterfamilie aufgewachsene Hamburger „Jung“, einmal so gefährlich für den Arbeiter- und Bauernstaat werden könnte, dass dieser ihn 1976 in den verhassten Westen entließ, nur um ihm dann eine Rückkehr zu verweigern?

Loswerden wollten sie ihn, aber das Gegenteil haben sie erreicht

Loswerden wollten sie ihn, den Unbequemen, aber das Gegenteil haben sie erreicht. Er wurde zum Kronzeugen für viele, die dreizehn Jahre später mit dem damals noch so mächtigen, unbelasteten Ruf „Wir sind das Volk“ massenhaft den Kollaps des Systems herbeidemonstrierten. 5000 Menschen kamen am 1. Dezember 1989 zu seinem ersten Konzert nach dem Mauerfall nach Leipzig. Sein Auftritt war damals so bedeutend, dass beide deutschen Fernsehanstalten, Ost wie West, ihn live übertrugen.

Nochmal 25 Jahre später saß der Drachentöter im Bundestag, nicht gewählt, sondern eingeladen, mit Gitarre natürlich, und zupfte sein Lied von der „Ermutigung“. Zuvor aber ließ er es sich nicht nehmen, auch nicht vom launigen Hausherren Norbert Lammert, bei dieser Gelegenheit die unmittelbar vor ihm versammelten Linken-Politiker als „Drachenbrut“ zu beschimpfen. Der Präsident ließ ihn damals gewähren, was ihm Kritik einbrachte, aber beide zu Freunden machte. Vor einiger Zeit, erzählt Biermann, sei er dann von Lammert, der inzwischen Vorsitzender der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung ist, in die CDU-Parteizentrale eingeladen worden. Dorthin sei er seinem Freund zuliebe natürlich gerne gekommen. Neben Lammert habe dann da aber auch der Friedrich Merz gesessen, und da habe er zu dem gesagt: Na, wenn Sie mich eingeladen hätten, dann hätte ich natürlich abgesagt.

Unbeugsam, rebellisch, selbstgewiss: Es bedarf viel Disziplin, Wolf Biermanns Erzählungen über mehr als sieben Stunden zu folgen. Wer es tut, blickt staunend und sprachlos auf eine deutsche Biografie der Sonderklasse.

Ein Rebell ist er also geblieben, der Kommunistensohn, unbeugsam jetzt als straffer Antikommunist.  Die Mischung aus Schalk und Haltung lässt im Laufe der Gesprächsstunden in Hamburg die Luft immer nebeliger werden vor lauter gelebtem Leben, sanfter Wut und sprachlicher Fantasie. Biermann schreibt Lieder und Gedichte, die oft nicht gefällig sind, anstrengend, aber auch klug, voller Kraft und Wortwitz, der nichts zu tun hat mit dem billigen, berechneten Humor von Komödianten. Ein ganz einmaliges Amalgam schafft er, ist er selbst, eine Mischung aus Stolz und Trotz, aus Reflexion und Scharfsinn, aus kontrollierter Angst und unbändiger Lebenslust.

Und nun? Biermann ist 86 Jahre alt, kein „verdorbener Greis“ (wie er 1989 die Nomenklatura der versinkenden DDR gegeißelt hatte), sondern ein Institution der deutsche Geschichte. Ruhig könnte er sein, sich in Hamburg-Altona zurückziehen. Oft genug Recht behalten, könnte er sich denken, der schon immer vor Putin gewarnt hatte, der die DDR von innen kritisierte, als dazu noch ein Maß von Mut gehörte, das sich die von einem Rechtsstaat verwöhnten Kritiker deutscher Wirklichkeiten von heute gar nicht mehr vorstellen können.

Resignieren ist keine Option, sagt der alte Kämpfer

Aber der proletarische Kämpfer in ihm lebt noch immer. Wie er auf das heutige Deutschland blicke, auf den Rechtsruck im Osten,  wie man das alles aushalten soll mit AfD, mit Populismus, mit dem von Putin angezettelten Krieg?

Lange muss er nachdenken. Mucksmäuschenstill ist es im Tonstudio, keiner zuckt, keiner räuspert, bis Biermann sich eine Antwort zurechtgelegt hat: Der Krieg in der Ukraine, sagt er dann, und auch die Hinwendung vieler Menschen nach rechts, das seien doch letztlich auch nichts anderes als Teile des großen Freiheitskrieges, den die Menschheit führen muss, schon seit Jahrhunderten. Schon immer eigentlich, setzt er hinzu. Zu resignieren sei keine Option, sagt er,  nirgends, die Freiheit gibt’s nur im Kampf, nicht umsonst.

„Was wird mit meinem Vaterland?“

Schließlich der Griff zur Gitarre. „Was wird mit meinem Vaterland?“, singt er, und bricht doch wieder ab. Es gibt noch etwas loszuwerden, über die DDR, über die Feigheit, über die Stasi und die Uneinlösbarkeit ihrer Vertraulichkeitsversprechen. Dann setzt er neu an und bringt das Lied zu Ende. Es geht um Putin und seine Todesfurcht „vor eine Frau, die Freiheit heißt“.

Damit ist nach seiner Meinung alles gesagt, und nach sieben Stunden und vierzig Minuten trotten erschöpft die verbliebenen Zuhörer hinaus in den Hamburger Nieselregen, hinaus in die „fetten finst´ren Zeiten“, wie der in einer jüdisch-kommunistischen Familie aufgewachsene „Drachentöter“ in seinem Schlusslied noch reimte. Finstere, fette Zeiten – es ist der Abend von Freitag, dem 6. Oktober 2023, und am nächsten Morgen ermorden Hamas-Terroristen in Israel mehr als 1200 wehrlose Menschen.

 

Den ZEIT-Podcast mit Wolf Biermann in voller Länge finden Sie kostenlos unter diesem Link: https://www.zeit.de/politik/2023-11/wolf-biermann-interviewpodcast-alles-gesagt

Von dem in meinen Text angesprochene Konzert in Leipzig gibt es einen Mitschnitt auf Youtube, wie auch von Biermanns Auftritt im Deutschen Bundestag zum 25. Jahrestag des Mauerfalls.  (Klick führt jeweils zu Youtube).

Noch bis 2. Juni 2024 widmet auch das Deutsche Historische Museum in Berlin Wolf Biermann eine Ausstellung: https://www.dhm.de/ausstellungen/wolf-biermann-ein-lyriker-und-liedermacher-in-deutschland/

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Hamilton? Seibold? Ideen zu einer Parallele

Über das Politik-Musical „Hamilton“ und was man in Deutschland daraus lernen könnte

Vielleicht könnte es „Seibold“ heißen? Eignet sich der Name für Rap-Reime? Der Vorname wäre schon mal vielversprechend: Kaspar. Kaspar Seibold könnte der Held sein, um den alle herumtanzen und wirbeln, zu dessen Schicksal sie mitfiebern, mitsingen, schließlich trauern, bis der Schlussakkord sie von den Sitzen reißt.

Ja, vielleicht könnte es „Seibold“ heißen, das Musical über die Gründungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Auf keinen Fall „Adenauer“ oder „Schumacher“.

So schmissig kann Geschichte vermittelt werden: Das Musical „Hamilton“ erzählt einen Ausschnitt der Gründungsgeschichte der USA. Foto: Stage Entertainment

Jeder historische Vergleich ist falsch. Das gilt auch hier, aber um das Wagnis zu ermessen, das die Macher des US-amerikanischen Erfolgsmusicals „Hamilton“ eingegangen sind, darf man der Phantasie freien Lauf lassen. „Seibold“ also. Als Kaspar Seibold beträte ein Rapsänger, Tänzer, Schauspieler die Bühne, vom begeisterten Johlen des Publikums begrüßt, schmissig von der elektronisch verstärkten Musik untermalt, und würde erzählen, was er schon erlebt hat:

Die Geschichte von Kaspar Seibold

Kaspar Seibold aus Oberbayern war der jüngste Delegierte im Parlamentarischen Rat, der das Grundgesetz verabschiedete. Er zählt zu den Mitunterzeichnern, obwohl er in der Schlussabstimmung gegen den Text des GG gestimmt hatte. Damit bekannte er sich zu dem demokratischen Prozess, auch wenn er inhaltlich unterlegen gewesen war. Foto: Bestand Erna Wagner-Hehmke, Stiftung Haus der Geschichte

Als er geboren wurde, war der erste Krieg des letzten Jahrhunderts gerade begonnen worden von Deutschland. Dann kamen die wilden Jahre der 20er, von denen er als Kind auf dem Land nicht viel mitbekam, dann die braunen Zeiten der Nazis. Auf dem Bauernhof seiner Eltern waren alle beschäftigt von früh bis spät, hatten keine Zeit, sich viel mit Politik zu befassen. Vermutlich bestellten bedauernswerte Zwangsarbeiter die elterlichen Felder, während sich der junge Kaspar in der Wehrmacht dem Zusammenbruch entgegenstellen musste. Als Gebirgsjäger wurde er schwer verletzt. Kaspar Seibold überlebte, und nach dem Ende de Krieges suchten auch in seiner Heimat, im oberbayerischen Lenggries, zerlumpten Flüchtlinge aus dem Osten Deutschlands und aus den zerbombten Städten kraftlos und erschöpft nach Essbarem.

Da entschied Kaspar Seibold: So konnte es nicht weitergehen. Er engagierte sich in der staatlichen Landwirtschaftsverwaltung. 1948 trat er in die neu gegründete CSU ein, und schon im Herbst des gleichen Jahres fand er sich als jüngster Abgeordneter im Parlamentarischen Rat wieder, jenem Vorab-Parlament, das nach der Katastrophe des Nazireichs ein neues, demokratisches Deutschland schaffen sollte. Und es schuf. Kaspar Seibold war einer der Gründerväter des neuen demokratischen Deutschlands.

Auch Alexander Hamilton schrieb an der Verfassung der USA mit

Alexander Hamilton lebte gut 150 Jahre früher und half mit, die USA zu gründen. Am Anfang seines Weges stand eine uneheliche Herkunft in der Karibik, aber blitzgescheit war er wohl, ehrgeizig dazu. So stieg er im Militär des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges zum wichtigsten Unterstützter für George Washington auf, der später erster amerikanischer Präsident wurde. Die britischen Kolonialherren gaben auf, und die Siedler machten sich daran, einen neuen demokratischen Staat zu schaffen. Weiße Männer waren es, die den Ton angaben, die Frauen, die Ureinwohner ihres Landes, gar die gewaltsam aus Afrika herbeigeschleppten Sklaven, durften nicht mitreden bei ihren Überlegungen.

Seibolds Einfluss war gering im Gründungsparlament der Bundesrepublik (61 Männer, vier Frauen) zwischen Konrad Adenauer, Theodor Heuss und Carlo Schmid, die allesamt den Terror der Nazi-Schergen mit mehr oder weniger tiefen Wunden überstanden hatten. Seibold war jung und politisch unerfahren, während die alten Wortführer schon in der Weimarer Republik politisch aktiv gewesen waren. So musste sich der junge bayerische Landwirtssohn mit einer Statistenrolle unter den Gründervätern des demokratischen Deutschland abfinden.

Statistenrolle für Seibold, aber Hamilton wollte hoch hinaus

Alexander Hamilton aber wollte hoch hinaus. Er wurde 1787 Mitglied im Verfassungskonvent der Vereinigten Staaten, spielte bald mit in der ersten Garde der amerikanischen Politik. Als Minister schuf er das bis heute wirksame Finanzsystem der USA, das mit einer Stärkung der Zentralgewalt in den USA einherging. Seine Gegner bekämpften ihn deshalb, weil sie lieber einen lockeren Staatenbund anstrebten.

Von seinem stürmischen Gemüt angetrieben ließ er sich in einen undurchsichtigen Ehrenhändel verstricken, ruderte im Morgennebel über den Hudson River zu einem Duell nach New Jersey (weil der schießwütige Unsinn in New York bereits verboten war). Vielleicht glaubte er, dass auch sein Widersacher Aaron Burr, immerhin der amtierende Vizepräsident der USA, nur zum Schein auf ihn anlegen würde, aber Hamilton irrte sich. Er wurde getroffen und erlag am nächsten Tag 49-jährig seinen Verletzungen.

So schlimm meinte es das Schicksal nicht mit Kaspar Seibold. Der junge Mann aus Bayern musste sich nur in einem politischen Duell schlagen und unterlag. Typisch bayrisch wollte er das neue Deutschland eher als einen lockeren Staatenbund etablieren, aber es setzte sich doch die Idee einer deutlichen Machtkonzentration auf Bundesebene durch. Seibold verweigerte deshalb in der Schlussabstimmung am 8. Mai 1949 seine Zustimmung zum Grundgesetz.

59 Männer und vier Frauen unterschrieben das Grundgesetz

Trotz seiner Ablehnung in der Abstimmung unterzeichnete er in der feierlichen Zeremonie am 23. Mai 1949 in Bonn neben den Ministerpräsidenten der Länder, den Parlamentspräsidenten der Landtage und den 59 weiteren Männern und vier Frauen aus dem Parlamentarischen Rat (nur die beiden Kommunisten verweigerten die Signatur) die Urfassung des deutschen Grundgesetzes. Der jüngste Gründervater der Bundesrepublik war zu diesem Zeitpunkt 35 Jahre alt.

Dr. Kaspar Seibold: Das jüngste Mitglied de Parlamentarischen Ragtes unterschieb 1949 die Urfassung des deutschen Grundgesetzes, obwohl er dagegen gestimmt hatte.

Wer kennt heute noch Kaspar Seibold? Schnell findet man seinen Namen in den allwissenden Suchmaschinen. Seibold ist nicht vergessen, aber zurückgesetzt gegenüber den großen Figuren seiner Zeit. So erging es auch Alexander Hamilton. Im Central Park von New York steht er als Statue herum und die Zehn-Dollarnote zeigt sein Gesicht. Trotzdem müssen wohl auch die meisten Amerikaner den Namen erst einmal googeln, wenn sie ihn einordnen wollen zwischen die großen Helden seiner Zeit: George Washington, Thomas Jefferson, John Adams.

Politik als Bühnenshow: Ein kühner Plan, …

Es war also ein kühner Plan, diese weitgehend vergessene Figur in den Mittelpunkt eines Stücks Musiktheater zu stellen, das noch dazu ohne öffentliche Subventionen auskommen muss. In New York und London wurde „Hamilton“ zum hochdekorierten Kassenschlager. Der Cast ist zeitgeistig divers besetzt, ein subtiler Hinweis darauf, dass die Hamiltons und ihre Zeitgenossen ganz sicher ausschließlich weiß waren. Die Musik kommt schmissig-modern daher, der Rap ist auch für Silverager erträglich und nachvollziehbar, und für das Auge wird ohnehin jede Menge geboten. Eine schwungvolle Bühnenshow, in der noch dazu die tragisch endende Lebensgeschichte dieses unterschätzten Gründervaters publikumsgerecht mit einer romantischen Liebe verflochten wurde.

… aber die Handlung zeigt Politik, wie sie ist.

Aber die Handlung zeigt eben Politik, so wie sie ist. Sie erzählt von komplizierten Fragen, die sich dem mehrheitlich auf fröhlich-gefühlige Unterhaltung  eingestimmten Publikum nicht schnell erschließen. Bis vor wenigen Tagen war „Hamilton“ auf Deutsch in Hamburg zu besuchen, jetzt muss man wieder nach London oder New York reisen. Noch im September 2023 erhielt die Hamburger Produktion den Deutschen Musical-Theaterpreis. Trotzdem war nun nach gerade mal einem Jahr Schluss. Die amerikanische Gründungsgeschichte füllte offenbar nicht so wie „Cats“, „König der Löwen“ oder „Das Phantom der Oper“ jeden Abend das privat betriebene Musical-Theater ausreichend.

Hätte eine deutsche Bühne den Mut, die Gründungsgeschichte der Bundesrepublik so zu erzählen, halbwegs realistisch, niemals langweilig, überhaupt nicht belehrend? Musik und Rap als tragendes Element für bunte Bilder aus einer grauen Zeit? Der Parlamentarische Rat als divers besetztes Tanzballett? Die Debatten über die Stellung der Grundrechte, ob Bundesstaat oder Staatenbund, als Pop-Duette im Gesang? Und das alles vielleicht mit Kaspar Seibold mittendrin?

 

 

Der nicht in die USA reisen möchte, kann sich „Hamilton“ in London ansehen, täglich, an vielen Tagen sogar zweimal am Tag: https://hamiltonmusical.com/london/#/

Wer nicht verreisen möchte, kann sich auf Youtube Ausschnitte der Hamburger Produktion (auf Deutsch) ansehen (Klick führt zu Youtube).

Über die Beratungen des Parlamentarischen Rates zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland informiert sehr anschaulich eine eigene Website des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik in Bonn, auch mit weiteren Informationen über Dr. Kaspar Seibold, den jüngsten Abgeordneten des Parlamentarischen Rates.

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Hockneys bunter Blick durch die Glaswand

Über zwei Bilder zum Entlanglaufen, und was sie uns sagen

Eine Frau findet sich plötzlich allein auf der Welt wieder. Was als Wochenendausflug in eine idyllisch im Wald gelegene Berghütte begonnen hatte, endet jäh in einem Alptraum. Für einen schnellen Einkauf in den nächsten Ort entschwinden die Freunde und kehren nicht zurück. Bei dem Versuch, sie zu finden, stößt die Frau gegen eine glasklare, unsichtbare, aber auch unüberwindbare und unzerstörbare Wand. Durch die blickt sie nun auf die Rest-Welt außerhalb ihres Gefängnisses. Was sie sieht, ist prächtige Natur, blühende Wiesen, ländliche Idylle am sprudelnden Bachlauf unter strahlend blauem Himmel. Aber nichts lebt dort: kein Schmetterling, kein Vogel, kein Mensch. Irgendetwas Katastrophales muss dort geschehen sein, denn alles ist tot, übrig ist eine schöne Welt der Flora ohne jedes sonstige Leben.

Über 90 Meter erstreckt sich raumumgreifend das Panorama-Werk „A Year in Normandie“ von David Hockney, zur Zeit zu sehen im Museum Würth 2 in Künzelsau. Foto: Würth/Ufuk Arslan © David Hockney

 

Die Szene stammt aus der großartigen Verfilmung des Romans „Die Wand“ von Marlen Haushofer. Es ist der Blick auf unsere Welt, den die Kunst eröffnet. Es ist ein Blick wie durch ein Fenster oder eben durch die unüberwindliche Glaswand. Wer davor steht, hinausblickt, kann sich fragen, wie die Welt ist oder sein sollte.

Fast 1000 Jahre liegen zwischen den Werken und ihren Welten

Fast 1000 Jahre liegen zwischen den beiden Kunstwerken, um die es hier gehen soll. Es sind beides monumentale Werke, die zu einem Blick auf die jeweils aktuelle Wirklichkeit einladen und doch ihre Betrachter genau dorthin zurückwerfen, wo sie stehen: Wie soll es weitergehen?

Auf den ersten Blick haben die beiden Werke vor allem eines gemeinsam: ihre enorme Länge. Das ist ein ungewöhnliches Merkmal für Kunst. Für das ältere der beiden wurde sogar ein eigenes Museum in der französischen Stadt Bayeux gebaut, durch das sich nun die Touristen enggedrängt an einer langgestreckten, hinter einer Glaswand gesicherten Sehenswürdigkeit entlangschieben. Der Besuch in dem abgedunkelten Raum, in dem der „Teppich von Bayeux“ gezeigt wird, bleibt unvergesslich, obwohl ein gelassenes Studieren der zahlreichen Bilder mithilfe eines übereifrigen Audioguides sabotiert wird. Der ungeduldige Apparat erläutert die kriegerische Bildfolge in einem Tempo, das dazu zwingt, zügig Platz zu machen für die nachdrängenden Gleichgesinnten. Um die 50 Zentimeter hoch und fast 70 Meter lang ist diese textile Einmaligkeit, ein mittelalterlicher Wandbehang. In ungezählten Stichen haben fleißige Hände darauf 623 Männer (und nur 3 Frauen), 202 Pferde und Maultiere, 50 Hunde und weitere Tiere, 41 Schiffe und 37 Festungsbauten verewigt. Das Wort passt, wenn man es als ein Antippen an der Ewigkeit akzeptiert, eine zusammengenähte Stoffbahn fast eintausend Jahre zu erhalten.

Wie in einem Film wandelt der Betrachter vorbei

Der britische Künstler, insbesondere Landschaftsmaler, David Hockney hat sich von diesem in der Normandie ausgestellten Werk inspirieren lassen, selbst ein Panorama zu schaffen, das zum Wandeln entlang der Wand einlädt. In seiner Länge und Höhe übertrifft Hockney sein Vorbild von Bayeux sogar: 90 Meter lang ist es, und einen Meter hoch, und es trägt die Bezeichnung „iPad-Gemälde“, was noch zu erläutern ist. Das Werk heißt „A Year in Normandie“ und ist derzeit noch bis 3. September 2023 im Museum Würth 2 (bei stets freiem Eintritt!) in der schwäbischen Provinzstadt Künzelsau zu besichtigen. Dort kann man sich Zeit lassen, gedrängelt wird nicht.

Wie in einem Film schreitet man bei beiden Kunstwerken einen Ablauf entlang. Bei Hockney ist es der Jahresverlauf rund um sein ländliches Anwesen in der Normandie. Schritt für Schritt ist der Wechsel der Jahreszeiten zu erleben, beginnend mit kahlen Baumgerippen vor kaltblauem Himmel, vorbei an sprießender Blütenpracht und saftigem Grün. Schließlich fallen im lautlosen Rausch die bunten Blätter, und der Gang endet in einer Schneelandschaft. Kein einziger Mensch, kein einziges Tier ist zu entdecken auf den langen Metern seiner Bild-Dokumentation. Die Pflanzen leben und funktionieren – der Rest ist tot. Hockneys Welt gleicht dem Blick aus der Glaswand im Film.

Menschen, Schlachten, Schiffe – Der Teppich von Bayeux ist ein Mittelalter-Comic über Macht und Krieg.

Unendliche Mühsal steckt im einen Werk …

Dagegen wimmelt es von Menschen und Tieren auf dem gestickten Teppich von Bayeux, der um das Jahr 1070 entstanden ist. Vier Jahre vorher gelang es den normannischen Herrschern in der Schlacht von Hastings, einen Teil Englands zu erobern. Mit diesem Sieg begann die Integration Englands in die politischen und kulturellen Geschehnisse des Kontinents, an der auch ein Brexit nichts ändern wird. Vom Weg zu diesem Sieg erzählt der spektakuläre Mittelalter-Comic. Erbfolgestreitigkeiten spielen eine Rolle, und auch die Machtverteilung zwischen Kirche und Adel. Erzählt wird von den Vorbereitungen und Gesprächen um die Thronfolge und das Schlachtengeschehen. Geschildert werden die Lebensumstände der Zeit, die Ernährung der Soldaten, der Bau der Schiffe, sogar der vorbeiziehende Komet Halley ist eingestickt. Hunderte, vielleicht Tausende kunstfertige Menschen waren mit der Herstellung des Textils beschäftigt, ungezählte Stiche in die Fingerkuppen mussten verheilen, ehe das Werk fertig war, das von einem Sieg erzählen sollte.

… und digitale Kreativität im anderen

Hockneys Panorama (Ausschnitt aus „A Year in Normandie“) ist eine menschenleere Idylle …

David Hockney schuf sein langgestrecktes Werk fast ganz allein mit einem Tablet. Der heute 86-jährige eignete sich die Technik des digitalen Zeichenprogramms an und malte die Landschaft vor ihm in zahlreichen elektronisch erstellten Bildern, die er dann zum Jahreszeiten-Panorama zusammenfügte. Entstanden ist ein knallig bunter Kontrapunkt, ein Triumpf der unberührten Natur über eine von Machtkämpfen und Kriegen zerfressene Welt der Menschen. Zu sehen, nein, zu erleben, sind Szenen in saftiger Natur, die Pracht der Bäume, ländliche Idyllen, knuffige Landhäuser mit Fachwerk. Man kann Hockneys gefällig bunte Pracht als Traum einer heilen Welt deuten, und viele im Würth-Museum gönnen sich genau diese Illusion. Die Motive aus dem Panorama eignen sich bestens zur kommerziellen Vermarkung, und so quillt der Museumsshop in Künzelsau über von Postkarten, Kühlschrankmagneten und anderem Merchandising. Als Vorwurf eignet sich das allerdings nicht, denn auch in Bayeux sind die Motive der als Weltdokumentenerbe geadelten Riesenstickerei in jeder beliebigen Form erwerbbar.

Nicht nur die Länge verbindet beide Werke

… in der es nicht einmal Tiere gibt. Nur die Pflanzen funktionieren. (Ausschnitt aus „A Year in Normandie“)

Es ist nicht nur die Länge, die beide Kunstwerke gemeinsam haben. Verloschen sind die Dynastien, die einst untereinander über England stritten. Vergessen sind die Menschen, die ihre Kämpfe ausfechten mussten und deren Abbild hier mühsam gestickt wurde, tot die Pferde ihrer Schlachten, verrostet die Schilde, vermodert die stolzen Schiffe. Alles vorbei. Und Hockneys Blick durch die Glaswand sagt uns voraus: Wenig von dem, was uns wichtig ist, wird bleiben, wenn wir so weitermachen.

 

 

Mehr über die Ausstellung „A Year in Normandie“ im Museum Würth 2 in Künzelsau finden Sie hier. Die Ausstellung wurde verlängert und ist noch bis 3. September 2023 bei freiem Eintritt zu sehen.

Ein Einblick in die Art, wie David Hockney Bilder mit dem iPad malt, ist hier zu finden: (Klick bedeutet Einwilligung zu Youtube)

Der Wandteppich von Bayeux ist zu besuchen im Museum in Bayeux. Mehr Informationen dazu auch auf Wikipedia.

Mehr Informationen über den Film „Die Wand“ nach dem Roman von Marlen Haushofer u.a. hier: https://www.filmstarts.de/kritiken/190949.html

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