Die Kanzel im Mittelpunkt (#33)

Ludwigskirche, Am Ludwigsplatz, 66117 Saarbrücken

Mein Besuch am 12. Juli 2022

Der prominenteste Platz für den predigenden Pastor: In der evangelischen Ludwigskirche von 1775 verschwindet der Altar fast unter der Kanzel.

In strahlend weißem Barock empfängt die Ludwigskirche ihre Besucher, breit angelegt, luftig, in sehr eleganter, zurückhaltender Pracht. Ein Kirchenraum, in dem der Gast sich sofort wohl fühlt; auch ein „demokratischer“ Raum, denn  als sogenannte „Querkirche“ ist die Architektur darauf angelegt, dass sich viele Menschen in geringem Abstand zu Altar, Kanzel und Orgel einfinden können.

Damit ist ein Besonderes an dieser Kirche auch schon gesagt: Ich selbst habe bewusst noch nie einen so bekennend protestantischen Kirchenbau wahrgenommen. Altar, Kanzel und Orgel dominieren als gemeinsames Ensemble den Raum, wobei der Altar optisch fast verschwindet unter der erhöht angebrachten, prächtigen Verkündigungskanzel und der noch prächtigeren Orgel darüber. Hier kommt kein Zweifel auf: Das ist vor allem ein Versammlungsraum für Gläubige, weniger eine Anbetungsstätte, und deshalb darf der die Kirche stiftende Fürst auch eine prächtige eigene Loge, einen Paradeplatz gegenüber dem predigenden Pastor haben. Das alles ist historisch für die 1775 geweihte und nach dem damals regierenden Fürsten Ludwig zu Nassau-Saarbrücken (nicht etwa nach dem heiligen Ludwig) benannte Kirche schlüssig.

Trotzdem ist es ein Fake: Die Kirche wurde im 2. Weltkrieg bis auf die Grundmauern zerstört und in Saarbrücken stritt man mehr als zwanzig Jahre darüber, ob sie historisch oder modern wieder aufgebaut werden soll. Die Traditionalisten haben sich durchgesetzt, und so sehen wir eine Rekonstruktion des Zustandes der Kirche nach den Entwürfen ihres Erbauungs-Architekten Friedrich Joachim Stengel, der auch den Platz um die Kirche als repräsentatives Ensemble gestaltet hat.

Die Emporen der Ludwigskirche werden getragen von allegorischen Darstellungen, die auch ein wenig Sinnlichkeit bringen in den luftigen Kirchenraum.

Mir haben neben der ungewöhnlichen Innenraum-Anordnung vor allem auch die wunderschönen Allegorien gefallen, die die umlaufenden Emporen tragen. Ein ungewöhnlicher Kirchenraum auf einem weiten, barocken Repräsentationsplatz, ein eindrucksvolles Gegenstück zur mittelalterlichen Ortsgestaltung, die in unseren Breiten dominiert.

Jeden Abstecher wert, wenn man auf der naheliegenden Autobahn durch das Saarbrücker Stadtgebiet hindurcheilt!

 

Zur Baugeschichte: http://www.ludwigskirche.de/die-ludwigskirche/geschichte-des-bauwerks/

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