Im Schatten einer Bibliothek ohne Bücher (#44)

Pfarrkirche St. Magnus, Klosterhof, 88427 Bad Schussenried

Mein Besuch am 7. April 2023

Die ehemalige Klosterkirche von Schussenried ist jetzt eine katholische Pfarrkirche.

Wer auf der „schwäbischen Barockstraße“ unterwegs ist, sucht den Kurort Bad Schussenried eher nicht wegen einer Kirche, sondern wegen einer Bibliothek auf, in der sich nicht ein einziges Buch befindet. Der klösterliche Buchbestand wurde komplett verramscht oder vereinnahmt von den damals neuen württembergischen Besitzern der ganzen Klosteranlage, als diese im Jahr 1806 der Kirche entrissen und den weltlichen Herrschern übereignet wurde. Aber auch ohne ein einziges Buch zieht der taghell durchflutete, leuchtend rosa getönte Rokoko-Bibliothekssaal mit geschlossenen Bücherschränken die Besucher nach Bad Schussenried.

Wenn sie durch das Torhaus des alten Klostergeländes in Richtung Bibliothek wandeln, gehen sie vorbei an St. Magnus, der früheren Klosterkirche. Wer das Gotteshaus, das nun eine katholische Pfarrkirche ist, betritt, durchschreitet zunächst einen ungewöhnlichen Durchgang, denn die Schauseite der Kirche ist zunächst mit harmonisch-symmetrisch gestalteter Wohnbebauung verstellt. Erreicht man die Kirche, empfängt den Besucher ein harmonischer, barocker, vor allem hoher Raum. Prächtige, sehr farblebendige Fresken schmücken die Decke, während die Säulen in strengem Weiß gehalten sind. E

Farbenfrohe Fresken aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts schmücken die Barockkirche, zusammen mit den Skulpturen entsteht ein harmonischer Raumeindruck.

Ein Hoch- und sechs Nebenaltäre füllen das Innere, das dadurch stark möbliert wirkt. Zur Osterzeit, als ich die Kirche besucht habe (am Karfreitag), wird seit 2023 zusätzlich auch noch ein „Heiliges Grab“ aufgestellt, ein restauriertes, hölzernes Passions-Theater aus dem Jahr 1729, das jahrzehntelang eingemottet worden war, und nun wieder kunstinteressierten und/oder gläubigen Besucher/innen zugänglich ist.

 

Nähere Informationen über St. Magnus auf der Website der staatlichen Verwaltung von Schlössern und Gärten in Baden-Württemberg: https://www.kloster-schussenried.de/erlebnis-kloster/kloster/gebaeude/klosterkirche-st-magnus

Die Sonderausstellung über das „heilige Grab“ aus 1729 läuft noch bis 28. Mai 2023: https://www.kloster-schussenried.de/erlebnis-kloster/kloster/gebaeude/klosterkirche-st-magnus

Weitere Kirchen aus meiner Sammlung der #1000Kirchen finden Sie hier. 

Wer die Kirche besucht, sollte die Bibliothek im Klostergebäude (vollendet im Jahr 1766) nicht versäumen, auch wenn sie keine Bücher zu zeigen hat (was hier so aussieht wie Bücher, sind die einheitlich bemalten Türen der Bibliotheksschränke).

Kann Barock modern sein? (#43)

Ev. Stadtkirche Ludwigsburg, Marktplatz, 71634 Ludwigsburg

Mein Besuch am 9. Februar 2023

Kann eine barocke Kirche modern sein? Ich bin zunächst nicht auf die Idee gekommen, mir darüber Gedanken zu machen. Dann aber näherte ich mich, ein weiteres Mal über den traumhaft weiten, städtebaulich harmonischen (wenn man die über die Giebel des Platzes hinausragenden Bausünden aus den Jahren des Wirtschaftswunders übersieht), ganz und gar italienisch anmutenden Marktplatz von Ludwigsburg der in prächtigem Rosa herausgeputzten Stadtkirche. Und schon dieser Platz ist so offen, und doch geschützt und demokratisch, so stimmig, prächtig und doch einladend, wie es moderner nicht sein könnte.

Eine Dominante auf einem der schönsten Plätze, die ich kenne: Die Ev. Stadtkirche von Ludwigsburg.

Zwei Kirchen stehen sich am Rand seiner harmonischen Weite gegenüber, die kleinere katholische Kirche „Zur Heiligsten Dreieinigkeit“, und ihr genau gegenüber, deutlich größer, als Dominante, die Evangelische Stadtkirche. Was für ein ökumenischer Ort! Zwei Türme bewachen Kirche und Platz, grüßen hinüber zum katholischen Gegenstück und geben dem Gesamtbild eine Harmonie, die sich wunderbar einfügt in das Ensemble. Dazwischen je nach Jahres-, Tages- und Witterungszeit spielende Kinder, ein lebendiger Marktplatz, ausufernde Cafes, keine Autos. Es ist einer der schönsten Innenstadtplätze, die ich persönlich erlebt habe.

Also hinein in die 1726 geweihte evangelische Stadtkirche, eine der wenigen Kirchen, die im Barockstil errichtet wurden, obwohl schon bei Baubeginn feststand, dass sie evangelisch geweiht werden würde. Eigentlich war der in Süddeutschland verbreitete Barockstil ein Ausdruck der Gegenreform, der stolzen Platzbehauptung für die katholische Kirche. Der württembergische Herzog Eberhard Ludwig, der den Kirchenbau in Auftrag gab, legte aber seine ganze neue  Residenzstadt Ludwigsburg im barocken Stil an, wie auch das prächtige Schloss, in dem er zu residieren gedachte, und war klug genug, dafür andere Prinzipen aufzugeben. Also wurde die evangelische Kirche auch in Barock gestaltet.

Das Innere der Kirche ist schmucklos weiß, es empfängt den Besucher ein offener, weiter heller Kirchenraum. Eine barocke Kanzel dominiert den Altarraum, der sonst mit einem modernen Altar und dazu gestaltetem Lesepult schwarz-golden glänzend ausgestattet ist. In Weiß und Gold schweigt auch die Orgel über dem Haupteingang auf der Empore, und ich nahm mir bei meinem Besuch sogleich vor, diese barocke, in ihrer Atmosphäre aber von stiller Modernität geprägte Kirche wieder zu besuchen, wenn – wie an jedem Samstags-Wochenmarkt um 11 Uhr – dort zur Orgelmusik geladen wird.

Weit und weiß – der Innenraum der Stadtkirche beruhigt in strahlender Stille.

Man kann es sich gut vorstellen: Zuerst zwischen den Marktständen schlendern, dann die Beine ausruhen lassen und den Kopf erfrischen in diesem hellen Raum, dahingleitender Orgelmusik zuhören, sich einen meditativen Moment gönnen, schließlich wieder hinaustreten auf diesen Platz, den Einkauf fortsetzen, einen Kaffee trinken. Es ist so ein unglaubliches Glück, in Frieden, Freiheit und Wohlstand leben zu dürfen, und wenn ich es körperlich erfahren will, dann bin ich vor (und in) dieser Kirche an der besten Stelle auf der ganzen Welt.

 

Die Kirchengemeinde der Ev. Stadtkirche Ludwigsburg unterhält auch eine ausgesprochen informativ und ansprechend gestaltete Website: https://www.stadtkirche-ludwigsburg.de/

Das städtebauliche Gegenüber der Stadtkirche, die katholische Kirche „Zur heiligsten Dreieinigkeit“ ist ebenfalls Teil meiner Sammlung #1000Kirchen. Auch sie ist übrigens innen sehr modern gestaltet und einen Besuch Wert.

 

 

 

Die Kanzel im Mittelpunkt (#33)

Ludwigskirche, Am Ludwigsplatz, 66117 Saarbrücken

Mein Besuch am 12. Juli 2022

Der prominenteste Platz für den predigenden Pastor: In der evangelischen Ludwigskirche von 1775 verschwindet der Altar fast unter der Kanzel.

In strahlend weißem Barock empfängt die Ludwigskirche ihre Besucher, breit angelegt, luftig, in sehr eleganter, zurückhaltender Pracht. Ein Kirchenraum, in dem der Gast sich sofort wohl fühlt; auch ein „demokratischer“ Raum, denn  als sogenannte „Querkirche“ ist die Architektur darauf angelegt, dass sich viele Menschen in geringem Abstand zu Altar, Kanzel und Orgel einfinden können.

Damit ist ein Besonderes an dieser Kirche auch schon gesagt: Ich selbst habe bewusst noch nie einen so bekennend protestantischen Kirchenbau wahrgenommen. Altar, Kanzel und Orgel dominieren als gemeinsames Ensemble den Raum, wobei der Altar optisch fast verschwindet unter der erhöht angebrachten, prächtigen Verkündigungskanzel und der noch prächtigeren Orgel darüber. Hier kommt kein Zweifel auf: Das ist vor allem ein Versammlungsraum für Gläubige, weniger eine Anbetungsstätte, und deshalb darf der die Kirche stiftende Fürst auch eine prächtige eigene Loge, einen Paradeplatz gegenüber dem predigenden Pastor haben. Das alles ist historisch für die 1775 geweihte und nach dem damals regierenden Fürsten Ludwig zu Nassau-Saarbrücken (nicht etwa nach dem heiligen Ludwig) benannte Kirche schlüssig.

Trotzdem ist es ein Fake: Die Kirche wurde im 2. Weltkrieg bis auf die Grundmauern zerstört und in Saarbrücken stritt man mehr als zwanzig Jahre darüber, ob sie historisch oder modern wieder aufgebaut werden soll. Die Traditionalisten haben sich durchgesetzt, und so sehen wir eine Rekonstruktion des Zustandes der Kirche nach den Entwürfen ihres Erbauungs-Architekten Friedrich Joachim Stengel, der auch den Platz um die Kirche als repräsentatives Ensemble gestaltet hat.

Die Emporen der Ludwigskirche werden getragen von allegorischen Darstellungen, die auch ein wenig Sinnlichkeit bringen in den luftigen Kirchenraum.

Mir haben neben der ungewöhnlichen Innenraum-Anordnung vor allem auch die wunderschönen Allegorien gefallen, die die umlaufenden Emporen tragen. Ein ungewöhnlicher Kirchenraum auf einem weiten, barocken Repräsentationsplatz, ein eindrucksvolles Gegenstück zur mittelalterlichen Ortsgestaltung, die in unseren Breiten dominiert.

Jeden Abstecher wert, wenn man auf der naheliegenden Autobahn durch das Saarbrücker Stadtgebiet hindurcheilt!

 

Zur Baugeschichte: http://www.ludwigskirche.de/die-ludwigskirche/geschichte-des-bauwerks/

Weitere Kirchen fin den Sie in meiner Sammlung #1000Kirchen

Schwäbisches Rokoko im Abendlicht (#29)

Münster Unserer Lieben Frau, Beda-Sommerberger-Straße 3, 88529 Zwiefalten

Mein Besuch am 13. März 2022

Die Kirchenfront im Abendlicht verrät wenig von der Pracht, die sich dahinter verbirgt …

Obwohl es fast schon dämmert, strömt viel Licht in den strahlend gold-rot-weißen Kirchenraum, der zu den größten in Deutschland zählt. Breite Glasflächen der Fenster lassen das Abendlicht herein, und tausendfach reflektiert es im goldenen Stuck, an den weißen Figuren, die im Kirchenschiff überall thronen.

Schwäbisches Rokoko, v0n Meistern aus der un mittelbaren Umgebung gestaltet, gemalt, geformt, empfängt den Besucher im ungeheizt kalten Kirchensaal . Ein Monument der Kirchenkunst dieses Landstrichs, nicht umsonst an der „Oberschwäbischen Barockstraße“ gelegen. Der Bau stammt aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, wurde 1785 vollendet und ist seither unverändert.

Aber der Innenraum strahlt in der weiß-goldenen Pracht des späten Barock, ungestört von späteren Eingriffen.

Und dieser unveränderte Zustand macht ihn besonders. Rote Stuckmarmorsäulen bestimmen das Bild, dazu viel Gold und prächtige Gemälde an der Decke. Die Kirche wirkt auf mich wohltuend „aufgeräumt“, keine Einbauten stören das Gesamtbild, es stehen keine Möbel herum, die da nicht hingehören, keine Kunstwerke aus anderen Epochen lenken von der spätbarocken Pracht ab. Die frühere Klosterkirche ist ein christlicher Luxusbau aus seiner Zeit, in der man Pracht und Reichtum zeigen wollte. Der Raum ist in Ausmaß und Ausstattung einschüchternd groß, aber auch sehr stimmig – und deshalb nicht so demonstrativ stolz, nicht so herrschsüchtig wie z.B. die nur etwa dreißig Kilometer südlich gelegene Basilika in Weingarten.

 

Mehr über Baugeschichte und Ausstattung bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCnster_Unserer_Lieben_Frau_(Zwiefalten)

Weitere Kirchen aus meiner Sammlung #1000Kirchen finden Sie hier.

Die Größte ihrer Art nördlich der Alpen (#28)

Basilika St. Martin, Kirchpl. 2, 88250 Weingarten

Mein Besuch am 23. Februar 2022

Ein gewaltiges Bauwerk, halb so groß wie der Petersdom, thront über dem kleinen Städtchen Weingarten: Basilika St. Martin.

Stolz thront diese Kirche am Hang, prächtig und riesig. Wenn man sie betritt, überwölbt das (derzeit zum Teil eingerüstete) Innere den Besucher in himmelstrebender Höhe, überschüttet  ihn mit geschwungenem Barock, macht ihn klein und winzig in diesem übergroßen Kirchenbau.

Woher kommt meine Freude am Kirchenbesuch? Vielleicht auch daher: Im Herbst 1951 besuchten meine Eltern auf einer ihrer ersten Reisen nach dem Neuanfang als Flüchtlinge auch diese Kirche. Das war vier Jahre nach der Rückkehr meines Vaters aus der Kriegsgefangenschaft. Ich weiß das, weil meine Mutter darüber ein Tagebuch geführt hat. Ich zitiere daher einfach einmal ihre Ausführungen von damals:

„Ziel war die größte Barockkirche Deutschlands, riesenhaft auf einem Berg gebaut. Baumeister ein gewisser Herr Moosbrugger, Gemälde von Asam. Die Kirche ist dreischiffig, hat eine Kuppel und erinnert ein bisschen an den Petersdom. Sie soll vom italienischen Barock beeinflusst sein, was man auch merkt. … Reizend ist das holzgeschnitzte Chorgestühl, wunderschön die Orgelgliederung, bemerkenswert die Fensteranordnung.“

Die mit der Anordnung der Orgel abgestimmte Fenstergliederung bewunderte schon meine Mutter vor 70 Jahren.

Was würde ich heute, 70 Jahre später, nach meinem Besuch ergänzen wollen? Vielleicht die schlichte Information, dass der Baumeister tatsächlich anstrebte, die Kirche orientiert an den hälftigen Ausmaßen des Petersdoms zu errichten. Herausgekommen ist ein fast übermütiges Bauwerk, dem aus heutiger Sicht die Demut einer Kirche fehlt, die nicht durch Pracht einschüchtern, sondern durch Großmut für sich werben muss.

Für meine kirchenliebenden Eltern habe ich in dieser Basilika zwei Kerzen entzündet, und bin dann durch die nette Innenstadt von Weingarten geschlendert.

 

Wikipedia zur Basilika St. Martin in Weingarten: https://de.wikipedia.org/wiki/Basilika_St._Martin_(Weingarten)

Weitere Kirchen in meiner Sammlung #1000Kirchen.

 

 

 

Die schwäbische Valentins-Kirche (#27)

Pfarrkirche St. Michael, Burgberg, 86381 Krumbach (Schwaben)

Mein Besuch am 12. Februar 2022

St. Michael dominiert das Stadtbild von Krumbach.

Gelockt hat mich in diese Kirche die Geschichte des heiligen Valentin, des Namensgebers unseres „Valentinstages“. Unter den zahlreichen Gotteshäusern, die für sich in Anspruch nehmen, eine Valentins-Reliquie ihr Eigen zu nennen, zählt auch St. Michael.

Das stolze Gebäude steht am Rande der Krumbacher Altstadt oberhalb eines kleinen Flüsschens und beherrscht das Gewirr der einladenden Gassen des Städtchens, eine unbestrittene Dominante. Rokoko begrüßt den Besucher, der die Kirche betritt. Der Innenraum ist weitgehend in Weiß gehalten, Heiligenfiguren stehen im Kreis herum, prächtige Altäre ziehen den Blick an, keine Säule stört den Blick. Überall glänzt das Gold und strahlt der Marmor, und eine prächtige Deckenmalerei erzählt uns vom Teufel und dem göttlichen Plan zur Errettung der Welt.

Weiß, Gold und Rot – ein bunter, sinnlicher Innenraum, ….

Die Kirche wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts neu errichtet, wobei Mauerreste von Vorgängerbauten, insbesondere der Turm, einbezogen wurden, aber auf ein einheitliches barockes Bild von außen wie im Inneren geachtet wurde. Ich neige eher der Ästhetik der strengen Gotik zu, die Fülle von bunten Bibeldarstellungen, plastischen Engelen und frommen Figuren treibt mich stets in eine Abwehrhaltung gegen allzu viel missionarischem Eifer beim Kirchenbesuch. Das ist natürlich ungerecht. Und die ganz große Kunst in diesem Stil, wie sie zum Beispiel in der weiter südlich am Alpenrand gelegenen Wieskirche zu besichtigen ist, hat das Krumbacher Gotteshaus leider nicht zu bieten.

… und dazu ein eigener Altar für Valentin, den Märtyrer, zum Valentinstag passend geschmückt.

Dafür einen Valentin (wenn auch nicht den vom Valentinstag). Das Skelett lagert hinter Glas im linken Seitenaltar, beschriftet als „Valentin, Märtyrer“. Geschmückt war er zwei Tage vor dem „Valentinstag“ mit vielen bunten Blumen und roten Herzen. Nun ja. Ruhe er in Frieden.

 

Eine gute Zusammenfassung der Baugeschichte von St. Michael findet sich auf der Website der Pfarrgemeinde: http://www.st-michael-krumbach.de/

Zu den verschiedenen Valentin-Persönlichkeiten gibt es hier mehr: https://vogtpost.de/valentin/17/02/2022/

 

 

Ein moderner Bilderbogen (#0022)

Kath. Pfarrkirche St. Wolfgang, St.-Wolfgangs-Platz 9, 81669 München-Haidhausen

Mein Besuch am 24. September 2021

Der neo-barocke Turm von St. Wolfgang stammt von 1915 …

Der barock anmutende Turm verspricht eine gänzlich andere Kirche. Immerhin befinden wir uns mitten in München, Siedlungsgebiet aus dem Anfang des letzten Jahrhunderts. Die betuliche BR-Fernsehserie „Die Hausmeisterin“ (mit Veronika Fitz und Helmuth Fischer und vielen anderen) spielte hier um die Ecke. Bis heute vereinen die Straßen dieses Viertels allen Charme, von dem uns dort erzählt wird. München ist noch immer fast dörflich, sobald man die breiten Boulevards verlässt, einladend, und doch sehr urban. Hier vermutet man neben einem barocken Turm auch eine solche Kirche.

Aber schon die erste Annahme ist falsch. Der Turm samt Kirche wurde erst 1915 erbaut, da war das Barock schon lange vorbei. Aber offenbar fanden die Haidhauser Katholiken es schön, in die alte Zeit der Schnörkel zurückzukehren. Die Bomben des 2. Weltkrieges zerstörten St. Wolfgang. Nur der Turm überstand die Einschläge weitgehend unbeschadet und steht daher bis heute. Die Kirche aber, neu errichtet in den 60er Jahren, ist modern gestaltet. Hell durchflutet das Tageslicht den weiten Raum, grauer Beton bildet die Wände, und es dominiert ein eindrucksvoll riesiges Wandmosaik hinter dem Altar, das sich bis hinauf auf die ganze Höhe des Raumes erstreckt. Braun-grau schauen Christus und die vielen Menschen um ihn auf den Besucher herab. Ein Bilderbogen moderner christlicher Sinnlichkeit.

… aber das Kirchen-Innere wurde 1966 fertiggestellt.

Wendet man sich herum, so blickt man auf eine Orgel-Rarität. Sie steht dort seit Beginn der 2000er Jahre und ist ein Wiederaufbau. Ursprünglich stammt sie aus England und wurde dort bereits 1907 gebaut. So darf sich diese Haidhauser Alltagskirche damit rühmen, das „erste und einzige original englische Instrument mit symphonischem Charakter in Bayern“ (Wikipedia) ihr Eigen zu nennen. Zu hören habe ich sie nicht bekommen. Also werde ich wiederkommen.

 

 

Weitere Informationen zur Baugeschichte bei Wikipedia:  https://de.wikipedia.org/wiki/St._Wolfgang_(Haidhausen)

und bei der Kirchengemeinde: https://www.pfarrverband-haidhausen.de/index.php?id=75

Mehr zum Lebensgefühl rund um St. Wolfgang in Haidhausen (zu einer Zeit, als es noch keine Handys und kaum Computer gab):