Zwölf Berufene an der Autobahn (#0009)

Dorfkirche Zeestow, Wustermarker Str. 16, 14656 Brieselang (Ortsteil Zeestow)

Mein Besuch am 30. Mai 2021

Dorfkirche Zeestow

Wieder mal eine künstlerische Überraschung auf meiner Suche nach der Königseiche in Brieselang (siehe dazu mein Text als #BerlinerFlaneur): die auch als Autobahnkirche ausgewiesene (und daher tagsüber immer geöffnete) Dorfkirche Zeestow. Ähnlich wie die Feinigerkirche bei Weimar verdankt sie ihre Existenz dem Engagement von Bürgern, die einen fast schon dem Verfall preisgegebenen Kirchenbau mit vielen Stunden ehrenamtlichen Engagements retteten. Ursprünglich war die Kirche nach einem Großbrand 1851 völlig neue errichtet worden, verfiel aber in den DDR-Jahren.

„Die Berufenen“ von Volker Stelzmann

Entstanden ist auch hier wieder ein lauschiger Ort, umgeben von den Resten eines alten Friedhofes, eine echte „Tankstelle für die Seele“. Die große Überraschung findet sich aber in ihrem Inneren: Ein Bilderzyklus von Volker Stelzmann findet sich dort, der unter dem Titel „Die Berufenen“ auf die zwölf Apostel in der Form von Menschen in Not verweist – vor allem aber wohl darauf hinweist, dass „Jesus solche Menschen in seine Nachfolge berufen“ habe, wie der Prospekt der Kirche formuliert. Die Darstellung ist modern und eindringlich in diesem stillen, hellen, sonst modern und zurückhaltend gestalteten Kirchenraum. Entstanden sind eindrucksvolle Porträts der Armut, der jederzeitigen Chance zur Aufrichtigkeit unter der Last des Lebens. Der Zyklus ist jede Reiseunterbrechung am Berliner Autobahnring wert!

Die informative Website der Kirche: http://dorfkirche-zeestow.de/

Der Maler Volker Stelzmann hat eine eigene Website: https://www.volkerstelzmann.de/

 

 

Ein Säulenwald aus Holz (#0006)

St. Jacobus und St. Clemens, 06792 Brehna

Mein Besuch am 20. April 2021

Wuchtig, Ehrfurcht einfordernd, dominiert sie den Platz um sich herum, der einmal ein Friedhof war und jetzt eine gepflegte Parkanlage ist. Sie trägt den Namen gleich zweier Heiliger, und es waren auch einmal zwei getrennte Kirchen – eine des Volkes, eine der Augustinerinnen im Kloster. Das Kloster ist weg, die Kirche noch da – inzwischen zusammengeführt zu einem gemeinsamen, verschachtelten Kirchenraum. Ein hölzerner Säulenwald, den ich so noch in keiner anderen Kirche gesehen habe, trägt den Innenausbau – eine umlaufende Empore, aber insbesondere eine prächtig geschmückte Patronatsloge und eine deutlich bescheidenere Bürgermeisterloge. Alles das will nicht so recht passen zur eintausend Jahre alten, romanisch-trutzigen Bausubstanz dieses Kirchenraums. Der L-förmige Grundriss entstand bei der Zusammenführung der Klosterkirche mit der Kirche der Pfarrgemeinde und hat bis heute zur Folge, dass einfaches Kirchenvolk von einigen Plätzen aus der Hochalter gar nicht sehen kann. 


Mich hat besonders beeindruckt, mit welcher Geduld, mit welchem Einsatzwille eine aktive Kirchengemeinde hier unermüdlich, Stück für Stück, diese alte Kirche zurückversetzt hat in einen vorzeigbaren Zustand. Es bedurfte wieviel bürgerschaftlichen Engagements, den Verfall zu stoppen und eine moderne Idee von der Nutzung dieses Kirchenraumes (u.a. auch als Autobahnkirche an der A9 in der Nähe von Halle) zu entwickeln. Die vielen Schritte dorthin sind in einer liebevoll gestalteten, kleinen Ausstellung in der Kirche dokumentiert. Wo stünde unsere Gesellschaft ohne solches stetes und beharrliches Bemühen? 

https://www.pfarrbereich-sandersdorf-brehna.de/autobahnkirche/die-kirche.html

https://de.wikipedia.org/wiki/St._Jakobus_und_St._Clemens_(Brehna)