Ev. Brenzkirche am Weissenhof, Am Kochenhof 7, 70192 Stuttgart
Mein Besuch am 5. April 2024
Die Nationalsozialisten waren wenige Wochen an der Macht, als am Stuttgarter Killesberg eine Kirche geweiht wurde, die ihresgleichen suchte. Im Stil der neuen Sachlichkeit, angelehnt an die weltberühmte Bauhaussiedlung am Weissenhof in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft, war diese Kirche anders als fast alle anderen. Sie hatte ein Flachdach und abgerundete Fasssadenkanten, keinen Turm, und auch innen war sie so gebaut, dass sie mehr Gemeindezentrum war als Kirche.
Die Nazis konnten mit dem Bauhaus nicht nur nichts anfangen, sie verfolgten ihre Vertreter und die baulichen Ergebnisse regelrecht. Dass eine Kirche im Bauhaus-Stil direkt neben dem Eingang der Reichsgartenschau auf dem Killesberg von 1939 stehen sollte, war also ein kunstpolitisches Politikum. Und tatsächlich erreichten die mörderischen Machthaber, dass die Kirchengemeinde dem Druck nachgab, und die Kirche eiligst umbauen ließ – also verschandelte. Man nannte das damals allerdings tatsächlich „Entschandelung“. „In nur vier Monaten werden aus Flachdächern Steildächer, das Runde wird eckig, das markante Trapezfenster begradigt und verkleinert, der filigrane Glockenstuhl zu einem plumpen Türmchen“ (aus dem Flyer des Fördervereins).
Mehr oder weniger genauso verschandelt steht die „Entschandelte“ noch heute; und für den flüchtigen Spaziergänger am Killesberg ist sie kaum als Kirche erkennbar. Im Inneren aber erahnte ich auch heute noch das außergewöhnliche Raumprogramm – der schlichte Kirchenraum mit blau gestrichenen Bänken und einer asymmetrisch angeordneten Orgel liegt im Obergeschoss, darunter findet sich ein Gemeindesaal.
Nun wird es wieder eine internationale Ausstellung sein, die das Schicksal der Brenzkirche bestimmen könnte: Zur Internationalen Bauausstellung 2027 in Stuttgart plant ein Förderverein zusammen mit der Kirchengemeinde, die Entschandelung der verschandelten Kirche. Sie soll aber nicht in ihren Altzustand zurück verwandelt, sondern modern interpretiert dem Bauhaus-Stil wieder angenähert werden. Der Weg dorthin war nicht einfach, denn inzwischen steht sie unter Denkmalschutz, und zwar auch wegen ihrer Verschandelung unter Nazi-Druck, als Musterbeispiel für politischen Einfluss auf Kirchenbauten. Ich freue mich darauf, die neue, alte Bauhauskirche besuchen zu können, wenn sie denn zur IBA fertiggestellt sein sollte.
Der Förderverein für die Neugestaltung der Brenzkirche hat gute Informationen zur Geschichte und Bilder zu den geplanten Veränderungen online.
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