Ein Essay über den Wahlkampf-Claim der CDU – aus meiner Mini-Serie als #PolitikFlaneur über die Wahlkampf-Slogans der drei Kanzlerkandidaten-Parteien
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Was ist das Beste im Mann?
Chips auf dem Sofa, das Bier im Anschlag: Ein Ehepaar guckt Fernsehen. Schon zum wiederholten Male schlägt sie in der Werbepause die Hände über dem Kopf zusammen. „Wie kann man sich nur so klein machen!“ ruft sie aus und blickt ihren Mann fragend an. Gerade hat ein Rasierklingen-Hersteller für seine Produkte geworben. Glatt und reibungslos gleitet die Klinge über das Kinn des Mannes, keine Chance für Bartstoppeln. Dazu der Slogan: „Für das Beste im Mann“.
„Wie kann man nur!“, ereifert sie sich, „die blöden Bartstoppeln sind doch nicht das Beste an Euch Männern!“ Er ist gelangweilt. Die Diskussion haben die beiden schon zig-mal geführt. „Darum geht es doch gerade, dass Du Dich aufregst, dass Dir das in Erinnerung bleibt“, wendet er müde ein. „Du denkst beim ‚Besten im Mann‘ natürlich nicht an Barthaare, sondern an was anderes, was auch immer, aber jedes Mal, wenn es wieder kommt, denkst Du an die Rasierklingen …“
Eine spontane Umfrage ohne Anspruch der Repräsentativität zeigt, dass der zentrale Werbeclaim der CDU nicht Gefahr läuft, eine vergleichbare Diskussion auszulösen. Die wenigsten Befragten kennen ihn, obwohl er auf fast jedem CDU-Plakat stand, das bis September zu sehen war. Der Slogan der CDU lautet: „Deutschland gemeinsam machen“.
Eine Aktivität vortäuschende Selbstverständlichkeit
„Die Zeit ist schlecht?“, fragte der schottische Essayist Thomas Carlyle (1795 – 1881) vor 150 Jahren, und gab gleich auch die Antwort: „Wohlan. Du bist da, sie besser zu machen!“ Aber der Spruch der CDU lautet eben nicht „Deutschland besser machen“ – sondern einfach nur „machen“. Kann man Deutschland „machen“? Ist das überhaupt erforderlich, denn eigentlich war es doch schon immer da, oder? Ist es vielleicht sogar schon fertig? Die Fragen zeigen, auf welche Komplexität der auf den ersten Blick inhaltlich eher einfallslose Claim der CDU-Kampagne zur Bundestagswahl einzahlt. „Deutschland gemeinsam machen“ ist so etwas wie eine Aktivität vortäuschende Selbstverständlichkeit. „Machen“ tun wir alle ständig irgendwas, wir „machen“ den Abwasch oder „machen“ die Tür zu und wieder auf. Etwas „machen“ ist eine aktive Handlung, und darauf will die CDU wohl hinweisen, sie verspricht, nicht einfach nur zu warten, das etwas geschieht, sondern sie will etwas „machen“.
Abgesehen davon, dass dies ja wohl das Mindeste ist, was wir von unseren Politikern erwarten – bleibt die Frage: Was eigentlich? „Deutschland“ kann man nicht mehr „machen“, Deutschland ist in Jahrtausenden gewachsen, ist vielfach gefallen in Ruinen und aus diesen wieder auferstanden, hat sich in Stolz und Überheblichkeit geirrt und Demut gelernt. Bei allem Respekt für die CDU: Diese Partei wird Deutschland so wenig „machen“ wie es andere tun können. Die Union hat prägenden Anteil daran, dass Deutschland heute so ist, wie wir darin leben. Aber das gilt für viele. Deutschland kann man nicht machen, Deutschland gibt es so, wie es ist.
Fertigmachen? Weitermachen?
Natürlich ist Deutschland trotz allem, was da schon gemacht wurde, nicht „fertig“. „Ich habe fertig“, sagte in einer berühmt gewordenen Pressekonferenz des FC Bayern Giovanni Trapattoni, drehte sich um, und ging hinaus, damit es keine Chance für die Journalisten gab, ihm Fragen zu stellen. Aber fertig war er trotzdem nicht, er musste noch weitermachen, bis die Bayern ihn aus dem Amt jagten. Die CDU will nicht herausgejagt werden aus dem Kanzleramt, und deshalb Deutschland gemeinsam – ja was? Fertigmachen? Nein, das passt nicht. Besser machen, wie Carlyle vorschlägt? Hört sich nicht toll an nach 16 Jahren CDU-Kanzlerschaft. Vielleicht ist „Weitermachen“ gemeint. Sehr dynamisch klingt auch das nicht, „Weitermachen“ hat so etwas von langweiliger Kontinuität, und deshalb haben die Werbestrategen der Union vermutlich das „weiter“ gestrichen, obwohl es inhaltlich so gemeint sein dürfte.
Nun will die CDU nicht einfach Deutschland „weitermachen“, sie will es „gemeinsam“ tun. Gemeinsam mit uns Bürgern, gemeinsam mit der ganzen Gesellschaft, mit allen, die mitmachen wollen. Das klingt nach einem einladenden Angebot, ist aber eine demokratische Selbstverständlichkeit.
„Deutschland gemeinsam machen“ ist ein missglückter Allgemeinplatz. Vielleicht deshalb findet sich auf der Website der CSU der Spruch nicht. Das gemeinsame Wahlprogramm von CDU und CSU steht unter dem ebenfalls wenig originellen Motto „Gemeinsam für ein modernes Deutschland“, und auf den neuesten Wahlplakaten der CDU ist auch nichts mehr zu lesen vom gemeinsamen Machen.
Mit sprachlichen Belanglosigkeiten verkauft man nichts
Sprache ist verräterisch. Wenn die Union aus der Wahl mit einem schlechten Ergebnis herauskommen sollte, wird sie nachdenken müssen, ob es ihr selbstbezogenes Denken ist, das da zu sehr aus ihrem Slogan herauslugt. Die Parteien der konkurrierenden Kanzler-Kandidaten nehmen zumindest sprachlich in ihren zentralen Claims „Respekt für Dich“ (SPD) und „Bereit, weil Ihr es seid“ (Grüne) nicht sich selbst, sondern den Adressaten von Politik, das Wahlvolk in den Blick. Von der Idee des „gemeinsam machen“ dürfte sich die Wählerin oder der Wähler eher nicht direkt angesprochen fühlen. Eine Nebensächlichkeit? Ja, vielleicht. Aber die Bartstoppeln sind ja auch nebensächlich und nicht das Beste im Mann. Für jeden Kandidierenden ist derzeit das Beste am Wähler oder der Wählerin die Wahlstimme. Mit sprachlicher Belanglosigkeit wird sie schwer zu bekommen sein, genauso wie man damit keine Rasierklingen verkaufen kann.
Hier der Link zum gemeinsamen Wahlprogramm der CDU/CSU: https://www.ein-guter-plan-fuer-deutschland.de/
Dieser Beitrag gehört zu einer dreiteiligen Serie, die sich mit den zentralen Wahlkampf-Claims der drei Parteien beschäftigt, die einen Kanzlerkandidaten aufgestellt haben. Hier die Links zu den anderen Beiträgen: