Die schwäbische Valentins-Kirche (#27)

Pfarrkirche St. Michael, Burgberg, 86381 Krumbach (Schwaben)

Mein Besuch am 12. Februar 2022

St. Michael dominiert das Stadtbild von Krumbach.

Gelockt hat mich in diese Kirche die Geschichte des heiligen Valentin, des Namensgebers unseres „Valentinstages“. Unter den zahlreichen Gotteshäusern, die für sich in Anspruch nehmen, eine Valentins-Reliquie ihr Eigen zu nennen, zählt auch St. Michael.

Das stolze Gebäude steht am Rande der Krumbacher Altstadt oberhalb eines kleinen Flüsschens und beherrscht das Gewirr der einladenden Gassen des Städtchens, eine unbestrittene Dominante. Rokoko begrüßt den Besucher, der die Kirche betritt. Der Innenraum ist weitgehend in Weiß gehalten, Heiligenfiguren stehen im Kreis herum, prächtige Altäre ziehen den Blick an, keine Säule stört den Blick. Überall glänzt das Gold und strahlt der Marmor, und eine prächtige Deckenmalerei erzählt uns vom Teufel und dem göttlichen Plan zur Errettung der Welt.

Weiß, Gold und Rot – ein bunter, sinnlicher Innenraum, ….

Die Kirche wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts neu errichtet, wobei Mauerreste von Vorgängerbauten, insbesondere der Turm, einbezogen wurden, aber auf ein einheitliches barockes Bild von außen wie im Inneren geachtet wurde. Ich neige eher der Ästhetik der strengen Gotik zu, die Fülle von bunten Bibeldarstellungen, plastischen Engelen und frommen Figuren treibt mich stets in eine Abwehrhaltung gegen allzu viel missionarischem Eifer beim Kirchenbesuch. Das ist natürlich ungerecht. Und die ganz große Kunst in diesem Stil, wie sie zum Beispiel in der weiter südlich am Alpenrand gelegenen Wieskirche zu besichtigen ist, hat das Krumbacher Gotteshaus leider nicht zu bieten.

… und dazu ein eigener Altar für Valentin, den Märtyrer, zum Valentinstag passend geschmückt.

Dafür einen Valentin (wenn auch nicht den vom Valentinstag). Das Skelett lagert hinter Glas im linken Seitenaltar, beschriftet als „Valentin, Märtyrer“. Geschmückt war er zwei Tage vor dem „Valentinstag“ mit vielen bunten Blumen und roten Herzen. Nun ja. Ruhe er in Frieden.

 

Eine gute Zusammenfassung der Baugeschichte von St. Michael findet sich auf der Website der Pfarrgemeinde: http://www.st-michael-krumbach.de/

Zu den verschiedenen Valentin-Persönlichkeiten gibt es hier mehr: https://vogtpost.de/valentin/17/02/2022/

 

 

Kleine Kreuze des Gedenkens (#26)

St. Lambertus, St. Lambertus-Kirchplatz 20, 48317 Drensteinfurt-Walstedde

Mein Besuch am 5. Februar 2022

Ein Kirchplatz, der zum Verweilen einlädt, eine Glocke, die den Schlaf unterbricht: St. Lambertus in Walstedde

Diese Kirche hat mich aufgeweckt, im wörtlichen Sinne. Als Gast im unmittelbar daneben gelegenen Hotel schreckte ich um 6.15 Uhr beim Schlag der Glocke aus dem morgendlichen Schlaf und hatte auch sofort verstanden, warum das Hotel freundlicherweise Ohrstöpsel auf den Nachttisch der sonst so wunderbar ruhig gelegenen Herberge platziert hatte. Aber die Schallschutzfenster ermöglichten dann ebenfalls die Fortsetzung des Schlummers bis in den hellen Morgen.

Alles in Weiß: Der Innenraum von St. Lambertus

St. Lambertus ist ein kleines Kirchlein, im Zentrum eines harmonischen Kirchplatzes, der anmutig und einladend gestaltet ist. Viel Grün und lockere Bebauung umgibt diesen Ort. Die Harmonie findet seine Entsprechung auch im Inneren der Kirche, die außen wie innen weitgehend in Weiß gehalten ist. Der Kirchenbau zeigt sich im Stil der Renaissance, ein mächtiger Bogen am Eingang lässt nach meinem Eindruck jedoch auf ältere Vorgängerbauten schließen. Schmale weiße Säulen stützen die Empore, die eine zierliche Orgel von 1876 trägt. Ein wuchtiges Kreuz dominiert den Altarraum, uralt soll es sein, angeblich von 1150. Ich kann das weder beurteilen, noch hat es mich sehr beeindruckt. Mehr berührt hat mich die Tafel mit kleinen Kreuzen für die in der Gemeinde Verstorbenen, an die dort für ein Jahr nur mit dem Vornamen erinnert wird. Danach wird das kleine Kreuzchen den Angehörigen übergeben. Eine schöne Idee des Gedenkens!

Gedenken an die Verstorbenen der Gemeinde – ein Jahr lang.

Ach ja, und die Glocken. Die älteste, die „Marienglocke“, soll bereits von 1500 stammen. War sie es, die mich geweckt hat?

 

Eine gute Zusammenfassung der Kirchengeschichte gibt es auf der Website der Kirchengemeinde: https://www.katholische-kirche-drensteinfurt.de/kirche-kapellen

und etwas ausführlicher bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/St._Lambertus_(Walstedde)

Weitere Kirchen aus meiner Sammlung #1000Kirchen finden Sie hier.

Hier wurde eine Universität gegründet (#0025)

Stiftskirche St. Georg, Holzmarkt 1, 72070 Tübingen

Mein Besuch am 14. Januar 2021

Das Lichtspiel der modernen Fenster von Emil Kiess im Langschiff der Tübinger Stiftskirche

Wenn die Sonne seitlich herein scheint, dann werfen die modernen Fenster buntes Licht auf das alte Gemäuer. Was für ein schönes, intimes Licht! Diese Fenster stammen aus dem Jahr 1964 und wurden vom württembergischen Maler Emil Kiess gestaltet. Sie zählen damit zu den modernsten Elementen dieser Kirche, die sonst seit dem Ende des 15. Jahrhunderts in der heutigen Gestalt und Höhe das Tübinger Stadtbild bestimmt.

Die dreischiffige Kirche ist weit und groß und lädt mit sanftem Licht zum Verweilen ein, auch zum Stöbern nach Überraschungen, etwa den Schnitzereien im Chorgestühl. Dieses Gestühl stammt aus den Gründungsjahren der Kirche, hat alle Unbill der Zeiten überlebt, stehen jetzt allerdings reichlich randständig links und rechts vom Altarbereich. Da Gestühl hätte ein en besseren Platz verdient, zumal in diesen Holzbänken die weltberühmte Tübinger Universität gegründet wurde. Beeindruckt hat mich auch die Schnitzkunst an der Kanzel aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts, wo sich vermutlich der Holzbildhauer selbst als höchst sympathisches „Tübinger Kanzelmännchen“ verewigt hat.

Der Künstler höchstselbst? Das Tübinger Kanzelmännchen stammt vom Anfang des 16. Jahrhunderts.

Bei meinem Besuch war der Chorraum verschlossen. Er enthält zahlreiche württembergische Fürstengräber und wird geschmückt von den berühmtesten Glasfenstern dieser schönen Kirche, die angeblich bereits Goethe begeisterten. Geschaffen wurden sie von Peter Hemmel von Andlau noch vor 1500. Und das Licht leuchtet bis heute hindurch auf die Stille der Gräber. Der Besucher kann es sich bewusst machen, dann fasst er nach einem kleinen Zipfel der Ewigkeit.

 

 

 

 

Sehr gute Zusammenfassung der Informationen über die Stiftskirche in Tübingen auf deren Website: https://www.stiftskirche-tuebingen.de/stiftskirche-st-georg/virtueller-rundgang

In Tübingen war ich aus aktuellem Anlass auch im Museum Hölderlinturm. Meinen Text als #Politikflaeur dazu finden Sie hier.

 

 

Die Himmelstürmende (#0024)

Himmelwärts, so nah wie möglich – das gotische Münster in Ulm

Münster, Ev. Münstergemeinde, Münsterplatz 1, 89073 Ulm

Mein Besuch am 28. Dezember 2021

Das Ulmer Münster, eine Kirche der Superlative, betritt der Besuchende durch den schmalen Seiteneingang. Es ist ein unscheinbarer Vorraum, den man betritt, immerhin eröffnet er den Blick in eines der insgesamt vier Seitenschiffe, dessen Raumprogramm alleine für manche Kirche längst ausreichen würde. Streng genommen handelt es sich um jeweils ein Seitenschiff auf Nord- und Südseite, die aber schon im 15. Jahrhundert aus Stabilitätsgründen unterteilt wurden. Der staunende Gast muss sich also nach rechts wenden, um die Kirche in ihrer ganzen Dimension erfassen zu können. Steht er endlich am westlichen Ende des Kirchenraums, unter dem über ihm in den Himmel stürmenden Turm (und lässt er sich an dieser Stelle nicht von den leider auch hier nicht kommentierten Gedenktafeln an Kriegsgefallene ablenken) – dann kann dieser gewaltige gotische Kirchenraum endlich in Gänze wahrgenommen werden.

Das Ulmer Münster ist die größte evangelische Kirche Deutschlands, und sie nennt den höchsten Kirchturm der Welt ihr eigen, zumindest so lange noch, bis die Sagrada Familia in Barcelona einmal vollendet sein wird. Wer nach Ulm fährt, muss nicht suchen, um das Münster zu finden, es ragt weit über die kriegszerstörte und wieder errichtete Bebauung der Stadt hinaus, es dominiert das Stadtbild schon vom weitem.

Fast 125 Meter lang, mehr als 40 Meter hoch: Das strenge Münster schüchtert mit seinen Dimensionen ein.

Die gotische Raumwirkung – fast 125 Meter lang, das Hauptschiff mehr als 40 Meter hoch – hat mich denn auch erwartungsgemäß überwältigt. Wie verloren irrt der ehrfürchtige Kirchengast durch den strengen Säulenwald, sucht Halt an den Kunstwerken, den Skulpturen, den stummen zeigen, die im gedämpften Winterlicht ausharren, das durch die teils noch in ihrer Notverglasung nach der Kriegszerstörung verharrenden hohen Fenster hereinströmt.

Beeindruckt hat mich neben den Dimensionen, neben der gotischen Strenge am Münster vor allem auch die Baugeschichte: Den etwa 10.000 Ulmer Bürgern war es – noch vor der Reformation – zu dumm geworden, für den Kirchgang vor die Stadt zu pilgern und noch dazu in ihrer Glaubensausübung abhängig zu sein von den Mönchen des Klosters Reichenau im Bodensee, dem die Ulmer Pfarrei unterstellt war. Also begannen sie 1377, mit eigenen Mitteln eine Kirche innerhalb ihrer Stadtmauern zu errichten, finanziert durch Spenden der gläubigen Bürgerschaft. Knapp 150 Jahre später war die Reformation im Gange, und die Ulmer Bürger (genauer: die Männer) stimmten in namentlicher (!) Abstimmung mehrheitlich dafür, dass Ulm mitsamt der halbfertigen Kirche nun evangelisch sein sollte. Damals hatte der Turm erst eine Höhe von 100 Metern, seine heutige Höhe erreichte er in der Neugotik im Jahr 1890.

Über die Jahrhunderte in einer niemals endenden Aufgabe vereint: Gedenktafeln für die Ulmer Dombaumeister.

Der Erhalt des gewaltigen Bauwerkes ist bis heute eine anhaltende Aufgabe der Bürgerschaft. Stolz weisen örtliche Firmen, aber auch eine bundesweit agierende Drogeriekette, deren Geschäft unweit des Münsters steht, auf ihre unterstützende Rolle für die Dombauhütte hin, die sich um das stetig bröckelnde Gestein und den Erhalt der Statik aus früheren Jahrhunderten bemüht. So ist die Himmelstürmende in Ulm auch ein Symbol für eine mutige Vision und dafür, was der gemeinsame Wille engagierter Menschen erreichen kann. Koste es, was es wolle.

Der Ulmer Spatz – hier das Original, das auf Augenhöhe innerhalb des Münsters zu besichtigen ist. Um den Spatz auf dem Dach zu entdecken, muss man schon genau hinsehen und an einer geeigneten Stelle stehen.

Und dann könnte man noch die Geschichte vom Ulmer Spatz erzählen, der als Kupferfigur auf dem Dachfirst der großen Kirche thront. Er trägt einen Strohhalm im Schnabel. Warum? Das kann man hier nachlesen: https://www.ulm.de/tourismus/stadtgeschichte/markenzeichen/ulmer-spatz

 

 

 

 

Sehr viele weitere Details zu den Kunstwerken am und im Münster sowie zur Baugeschichte bei Wikepedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ulmer_M%C3%BCnster

und auf der Website der Kirchengemeinde: https://www.ulmer-muenster.de/index.php/bauwerk

Zum Besuch des Ulmer Münsters hat mich ein Beitrag von Gottfried Knapp in der Süddeutschen Zeitung inspiriert, der viel Kluges zur Dimension der Höhe in der gotischen Architektur formuliert hat: https://www.sueddeutsche.de/kultur/architektur-hoehe-gotik-notre-dame-strassburger-muenster-kirchen-1.5495727

Weitere persönliche Eindrücke von meinen Besuchen in Kirchen finden Sie in meiner Sammlung #1000Kirchen

Die Konzil-iante (#0023)

Münster Unserer lieben Frau, Münsterplatz 1, 78462 Konstanz

Mein Besuch am 26. Oktober 2021

Die gotische Kirchendecke passt nicht recht zu den wuchtigen romanischen Säulen, genauso wenig wie die Kanzel aus dem Barock. Mehr als 1000 Jahre Baugeschichte mischen sich im Münster von Konstanz.

Wer „konziliant“ ist, der sucht das Verbindende, das Versöhnliche. Das Münster von Konstanz hätte  genau ein solcher Ort sein können. Über vier Jahre suchte man in diesem mächtigen Bau zwischen wuchtigen romanischen Säulen nach Kompromissen. Leider nicht nur, denn engstirnige Kleriker sprachen dort auch todbringende Urteile gegen vermeintliche „Ketzer“. Von 1414 bis 1418 tagte hier das Konzil von Konstanz, das seinen Höhepunkt mit der einzigen Papstwahl auf deutschem Boden fand (siehe dazu auch meinen Text als #PolitikflaneurVon Konstanz nach Glasgow„).

Heute präsentiert sich dieser stark gegliederte Kirchenbau mit historischer Wucht über viele Epochen. Sein romanischer Kern ist eines der größten Kirchenbauten dieser Epoche in Süddeutschland. Der Eindruck ist aber stark geprägt durch zahlreiche Ein- und Anbauten in anderen Baustilen. Es gibt einen gotischen Kreuzweg, Seitenkapellen, eine mit viel Licht sehr stimmungsvoll inszenierte Krypta. Sie erinnert zusammen mit den schon erwähnten Säulen des Hauptschiffs an den romanischen Kern dieser Kirche.

Von 1260, aber Instagram-tauglich: Die heitere Überraschung aus der Frühgotik in den Darstellungen der Mauritiusrotunde.

Das Münster lädt ein zum Entdecken, hier ist man nicht in wenigen Augenblicken „fertig“. Jede Ecke, jeder Seitenaltar, jedes Relief birgt neue Geschichten. Mich hat am meisten beeindruckt die „Mauritiusrotunde“ mit einer geradezu unglaublich heiteren Darstellung der Weihnachtsgeschichte. Diese Figuren entstanden schon um 1260; sie grinsten also schon den Teilnehmern des Konzils entgegen und hätten das Potential gehabt, dem machtbesessenen Männerkampf eine Note heiterer, im wahrsten Sinne konzilianter, Selbstironie entgegenzusetzen.

Allein diese Figuren, aber auch die Kirche insgesamt, sind jedes Umwegs würdig!

 

Die Kirche ist sehr umfänglich beschrieben bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Konstanzer_M%C3%BCnster

 

Ein moderner Bilderbogen (#0022)

Kath. Pfarrkirche St. Wolfgang, St.-Wolfgangs-Platz 9, 81669 München-Haidhausen

Mein Besuch am 24. September 2021

Der neo-barocke Turm von St. Wolfgang stammt von 1915 …

Der barock anmutende Turm verspricht eine gänzlich andere Kirche. Immerhin befinden wir uns mitten in München, Siedlungsgebiet aus dem Anfang des letzten Jahrhunderts. Die betuliche BR-Fernsehserie „Die Hausmeisterin“ (mit Veronika Fitz und Helmuth Fischer und vielen anderen) spielte hier um die Ecke. Bis heute vereinen die Straßen dieses Viertels allen Charme, von dem uns dort erzählt wird. München ist noch immer fast dörflich, sobald man die breiten Boulevards verlässt, einladend, und doch sehr urban. Hier vermutet man neben einem barocken Turm auch eine solche Kirche.

Aber schon die erste Annahme ist falsch. Der Turm samt Kirche wurde erst 1915 erbaut, da war das Barock schon lange vorbei. Aber offenbar fanden die Haidhauser Katholiken es schön, in die alte Zeit der Schnörkel zurückzukehren. Die Bomben des 2. Weltkrieges zerstörten St. Wolfgang. Nur der Turm überstand die Einschläge weitgehend unbeschadet und steht daher bis heute. Die Kirche aber, neu errichtet in den 60er Jahren, ist modern gestaltet. Hell durchflutet das Tageslicht den weiten Raum, grauer Beton bildet die Wände, und es dominiert ein eindrucksvoll riesiges Wandmosaik hinter dem Altar, das sich bis hinauf auf die ganze Höhe des Raumes erstreckt. Braun-grau schauen Christus und die vielen Menschen um ihn auf den Besucher herab. Ein Bilderbogen moderner christlicher Sinnlichkeit.

… aber das Kirchen-Innere wurde 1966 fertiggestellt.

Wendet man sich herum, so blickt man auf eine Orgel-Rarität. Sie steht dort seit Beginn der 2000er Jahre und ist ein Wiederaufbau. Ursprünglich stammt sie aus England und wurde dort bereits 1907 gebaut. So darf sich diese Haidhauser Alltagskirche damit rühmen, das „erste und einzige original englische Instrument mit symphonischem Charakter in Bayern“ (Wikipedia) ihr Eigen zu nennen. Zu hören habe ich sie nicht bekommen. Also werde ich wiederkommen.

 

 

Weitere Informationen zur Baugeschichte bei Wikipedia:  https://de.wikipedia.org/wiki/St._Wolfgang_(Haidhausen)

und bei der Kirchengemeinde: https://www.pfarrverband-haidhausen.de/index.php?id=75

Mehr zum Lebensgefühl rund um St. Wolfgang in Haidhausen (zu einer Zeit, als es noch keine Handys und kaum Computer gab):

Die Dünenkirche (#0021)

St. Nikolaus, Strandjepad 2, 26465 Langeoog

Mein Besuch am 2. September 2021

Auf Sand gebaut, umgeben von Dünen: St. Nikolaus auf Langeoog

Eigentlich soll sie einen versunkenen Schiffsrumpf symbolisieren. Aber für mich ragt der Kirchenturm wie das Schwert eines Hais aus der Wellenlandschaft der Dünen. St. Nikolaus ist die katholische Kirche auf der Nordsee-Insel Langeoog, ein längliches, wasser- und windumtostes Sandgebilde voller Touristen, aber auch voll von natürlicher Stille, autofrei, strandverwöhnt.

Seit Jahren reise ich auf diese Insel, wenn ich auf der Suche nach Weite, Meer und guter Luft bin, und niemals darf ein Besuch in St. Nikolaus fehlen. Nicht, weil ich einen Gottesdienst aufsuchen würde. Auch nicht, weil die viel größere und zentral im Ort gelegene Inselkirche der evangelischen Kirchengemeinde weniger zugänglich oder attraktiv wäre. Sondern wegen der Dünenlage von St. Nikolaus, die das in den 60er Jahren errichtete und mehrfach renovierte Kirchengebäude auf drei Seiten umgibt. Wo könnte man sinnbildlicher erfahren, was es bedeutet, wenn etwas „auf Sand gebaut“ ist?

Der Wasserturm, und dahinter das Meer: Der Blick aus dem großen Fenster von St. Nikolaus (Foto: Ute Vogt)

Im Inneren erwartet den Besucher ein trapezförmiger Raum, stimmungsvoll erleuchtet im Wesentlichen durch ein einziges großes Glasfenster, das den Blick frei gibt auf die Dünenlandschaft der Nordsee, bis hin zum Inselsymbol, dem Wasserturm. Die Innenausstattung ist schlicht und streng, und doch einladend, sich zu setzen, die Stille zu hören und seinen Gedanken nachzugehen. Bei Flut rauscht draußen das Meer. Wie oft war ich in einer Kirche und habe vor allem hinschauen dürfen: tolle Architektur, sakrale Kunst, aufregende Bilder, strenge Statuen. Hier lenkt kaum etwas davon ab, worum es in einer Kirche gehen kann: Einen Ort von erbauter Meditation zu finden.

Übrigens habe ich noch nie gesehen , was es dort gibt: Einen gemeinsamen Gemeindebrief der ev. und der kath. Kirche auf der kleinen Insel. Ökumene ist möglich!

Baugeschichte von St. Nikolaus auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/St._Nikolaus_(Langeoog)

Der Welt entrückt (#0020)

Ein intimer Moment innen, und draußen eine Idylle: St. Johannes in Kloster Malgarten bei Bramsche

St. Johannes, Am Kloster, Malgarten bei 4965 Bramsche

Mein Besuch am 28. August 2021

Der Ort ist eine Idylle. Viele Klöster habe ich schon besucht, viele gut renovierte, manche schon verfallen. Malgarten ist aber weder das eine, noch das andere. Sondern ein Ort von besonderer, intimer Inspiration. Künstler sind dort zu Gange: Ein Geigenbauer lädt zu Workshops ein, eine Holzbildhauerin schnitzt herum und eine Yoga-Lehrerin lässt die Klangschalen tönen. Das weitläufige Gelände ist in Privatbesitz. Es findet sich Gastronomie dort und zahlreiche Künstlerateliers. In einfachen Zimmern kann man auch klösterlich übernachten.

Der Kirchenraum von St. Johannes stammt aus spätromanischer Zeit, aber die Inneneinrichtung ist zurückhaltend barock.

Inmitten dieses bunten und doch stillen  Areals, das einmal ein Benediktinerinnenkloster war, und damit eine katholische Insel im evangelisch reformierten Osnabrücker Land,  finden sich zwei Friedhöfe und eine Kirche. Tief duckt sich die katholische Pfarrkirche St. Johannes in das klösterliche Ensemble. Nur der spitze Turm weist den Weg zur Kirche. Das Innere des Gotteshauses ist von der Bausubstanz viel älter, im Inneren aber barock gestaltet. Nicht überladen, eher zurückhaltend, und so ruht der Blick auf Chorgestühl, Kanzel und Orgel. Ein schöner Raum! Das ganze Kloster huldigte der Marienverehrung; die Kirche tut es noch heute. Mir hat sich ein stiller Winkel im hinteren Kirchenraum als besonders stimmungsvoll ins Gedächtnis eingegraben. Gläubige oder auch nur spirituell zugängliche Besucher können dort einer Madonnenstatue eine Kerze anzünden. Und dann durch das kleine Fenster ein Blick hinaus in den stillen Klosterhof – Malgarten lässt davon träumen, der Welt entrückt zu sein. Wäre da nicht die nahe A1, deren Rauschen und Dröhnen herüberklingt. Meine Bitte: Nicht achtlos vorbeifahren!

Die Website von Kloster Malgarten enthält sehr gute Informationen zur Kirche und auch zu den  dort tätigen Künstlern: https://www.forum-kloster-malgarten.de/

 

 

Gemäldegalerie mit schwerer Last (#0019)

Evangelische Unionskirche, Platz der Nassauischen Union, 65510 Idstein

Mein Besuch am 27. August

Übervolle Farbenpracht: Gemälde aus der Rubensschule bedecken den kompletten Innenraum der Unionskirche Idstein

Selten hat mich eine Kirche so überrascht! Von der Autobahn abgefahren, um mir auf der langen Reise eine lebendigere Pause zu gönnen, als dies an einer drögen Raststätte möglich ist, bin ich mehr oder weniger zufällig in Idstein gelandet. Die Unionskirche im Ortskern des Fachwerkstädtchens Idstein im Süden Hessens wirkt eher unscheinbar, gedrungen duckt sie sich in die engen Gassen des mittelalterlichen Ortsbildes.

Aber welche unglaubliche Pracht entfaltet sie in ihrem Inneren! Über und über ist sie ausgemalt mit Gemälden der holländischen Schule, die Decke ist kein Gewölbe, sondern gleicht einem Bilderbuch über testamentarische Szenen. Alle Wände sind mit Bibelsprüchen bedeckt, gemalte Medaillons illustrieren das Beschriebene. Ein ganz besonderer Kirchenraum, der mit der Lückenlosigkeit beeindruckt, mit der Bilder Decke und Wände bedecken. So gleicht die Raumwirkung gleicht ehr der eines alten Museums, in dem die Bilder noch über- und eng nebeneinander gehängt worden waren. Welche Pracht!

Schwere Last: Geschichte und Farbenpracht der Unionskirche geben viel Anlass zum Nachdenken.

Die viele Kunst in der Kirche stammt aus dem 17. Jahrhundert und ist verbunden mit der Regentschaft der nassauischen Linien in Idstein. Bis heute verbindet sich diese Adelsfamilie mit dem holländischen Königshaus.  Die Beseitigung fast aller gotischen Elemente aus der Kirche und statt dessen ihre farbenprächtige Ausmalung von Künstlern aus der Rubensschule erfolgte in einer Zeit, in der Idstein vom Grafen streng protestantisch ausgerichtet wurde. Wie passt das zusammen mit dieser Pracht? Und auch die Information, dass gleichzeitig, während holländische Maler sich in dieser Farbenvielfalt verloren, in Idstein die Pest wütete, 39 Hexenprozesse durchgeführt wurden und der Regent seinen eigenen ältesten Sohn verstieß, weil er katholisch glauben wollte, trübt den Blick ins bunte Gewölbe.

Trotzdem ist diese Kirche jeden Abstecher Wert, sie ist dankenswerterweise tagsüber meist geöffnet. Und über die Finsternis ihrer Geschichte kann den Besucher vielleicht auch ihr Name „Unionskirche“ hinwegtrösten: Er ist Ergebnis einer freiwilligen, nicht verordneten Fusion zweier protestantischer Linien zur „nassauischen“ Union. Na also, es geht doch: Man kann auskommen miteinander.

 

Ein guter historischer Überblick zur Unionskirche Idstein findet sich auf der Website der Kirchengemeinde: https://www.unionskirche-idstein.de/ueber-uns/die-unionskirche/

 

Zwei Türme, zwei Besitzer (#0018)

Bartholomäuskirche, Kirchplatz, 71706 Markgröningen

Mein Besuch am 10. August 2021

Ein Glockenturm, ein Turm für die Nachwache: Bartholomäuskirche in Markgröningen

Sehr dominant prägt die Kirche mit ihren auffällig unterschiedlichen beiden Türmen das Stadtbild von  Markgröningen, ein Fachwerkstädtchen wenige Kilometer entfernt von Stuttgart. Ich stand schon öfters vor dieser mächtigen Kirche, immer war sie geschlossen. Diesmal war es anders: Dank ehrenamtlicher und hilfsbereiter Aufsicht war die Kirche an einem Werktag nachmittags für zwei Stunden geöffnet, und der Anschlag an der Kirche verspricht, dass dies wieder öfter der Fall sein soll.

Die zahllosen Radfahrer und Ausflügler, die durch den Weinbauort strömen, sollten ruhig  hereinschauen in diesen großen, strengen Kirchenraum, wenn er geöffnet ist. Mich hat wieder einmal am meisten die Wucht jahrhundertealter Mauern und Pfeiler umfangen, die mich im Hochsommer mit angenehmer Kühle verwöhnten. Die majestätische Raumwirkung tritt zurück gegenüber den sehenswerten Details, auf die den Besucher nicht nur die nette Aufsichtsdame, sondern auch ein ansprechend gestalteter Flyer hinweist, der kostenlos ausliegt.

Ein hoher, strenger Kirchenraum mit vielen sehenswerten Details

Das originellste Merkmal der Kirche findet sich aber außen: ihre beiden Türme. Der eine davon gehört zur Kirche und enthält vier Glocken. Der andere gehört der Stadt, ist also weltlich, und hatte die Funktion eines „Hochwachturms“. Wer selbst in einer Stadt aufgewachsen ist, in der es sogar noch einen Türmer auf dem (einen) Kirchturm gibt (heute aus touristischen Gründen, früher aber auch als „Hochwächter“ über Feuer und andere Gefahren der Nacht), der fragt sich schon, warum man in  Markgröningen nicht den Glockenturm auch so hätte bauen können, dass er zur Nachtwache genutzt hätte werden können.

Sehr informative Ausführungen auf Wikipedia zur Bartholomäuskirche in Markgröningen: https://de.wikipedia.org/wiki/Bartholom%C3%A4uskirche_(Markgr%C3%B6ningen)

und auf der Website der Kirchengemeinde: https://markgroeningen.churchdesk.com/