Backstein und barocke Turmhaube: St. Katharinen in Hamburg hat Brände, Überschwemmungen und Kriege überstanden, und alle haben sie verändert.
Hauptkirche St. Katharinen, Katharinenkirchhof 1, 20457 Hamburg
Mein Besuch am 28. März 2022
Im Eingangsbereich der Kirche erinnert eine Gedenktafel an die 80 Seeleute der „Pamir“. Das Segelschulschiff sank 1957 bei einem Sturm in der öden, salzigen, sich aufbäumenden Meereseinsamkeit des Atlantik, weit weg von jedem rettenden Land. Der Orkan, das tobende Meer und wohl auch zahlreiche menschliche Fehler rissen sie aus ihrem Leben, 45 davon waren „Kadetten“, die noch nicht einmal das 18. Lebensjahr vollendet hatten. Für Landratten wie mich ist die Vorstellung von solchem Geschehen unfassbar schaurig und herausfordernd. Für Menschen, die seit Generationen Matrosen, Seefahrer, Kapitäne in ihren Familien haben, ist es sicherlich nicht weniger erschreckend, aber doch näher an ihrer Gefühlswelt.
Die evangelische Hauptkirche St. Katharinen in Hamburg liegt in Hafennähe. Seit 1657 trägt ihr geduckter Turm eine markante Barockhaube. Sie leuchtet hinüber in die Speicherstadt, gestaltet die seeseitige Silhouette der Hansestadt mit. Die Ursprünge dieser Kirche gehen auf das 13. Jahrhundert zurück, seither hat das alte Gemäuer Brände, Überschwemmungen, Kriege aushalten müssen, und alles das hat vieles verändert. Heute präsentiert sich die Kirche äußerlich in Backstein, innen überrascht sie mit einem streng weiß gehaltenen, hohen (29 Meter) Innenraum. Dicke Rundsäulen prägen den Raum, die zum Dach hin in gotische Bögen auslaufen und einen weiß getünchten Kirchenhimmel mit goldenen Sternen tragen.
Strenges Weiß, moderne Fenster, goldene Sterne am Kirchenhimmel: Der behutsam modernisierte Innenraum überrascht.
Der ungemein stimmige Innenraum lädt zum Verweilen und Innehalten ein, und daher ist es erfreulich, dass die Kirche auch tagsüber genau dafür geöffnet ist. Dann fällt das bläuliche Licht durch die modernen Kirchenfenster hinein, genau das passende Licht, um an Menschen zu denken, die ihr Leben dem Wasser verschrieben haben.
Die Kirchenfront im Abendlicht verrät wenig von der Pracht, die sich dahinter verbirgt …
Obwohl es fast schon dämmert, strömt viel Licht in den strahlend gold-rot-weißen Kirchenraum, der zu den größten in Deutschland zählt. Breite Glasflächen der Fenster lassen das Abendlicht herein, und tausendfach reflektiert es im goldenen Stuck, an den weißen Figuren, die im Kirchenschiff überall thronen.
Schwäbisches Rokoko, v0n Meistern aus der un mittelbaren Umgebung gestaltet, gemalt, geformt, empfängt den Besucher im ungeheizt kalten Kirchensaal . Ein Monument der Kirchenkunst dieses Landstrichs, nicht umsonst an der „Oberschwäbischen Barockstraße“ gelegen. Der Bau stammt aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, wurde 1785 vollendet und ist seither unverändert.
Aber der Innenraum strahlt in der weiß-goldenen Pracht des späten Barock, ungestört von späteren Eingriffen.
Und dieser unveränderte Zustand macht ihn besonders. Rote Stuckmarmorsäulen bestimmen das Bild, dazu viel Gold und prächtige Gemälde an der Decke. Die Kirche wirkt auf mich wohltuend „aufgeräumt“, keine Einbauten stören das Gesamtbild, es stehen keine Möbel herum, die da nicht hingehören, keine Kunstwerke aus anderen Epochen lenken von der spätbarocken Pracht ab. Die frühere Klosterkirche ist ein christlicher Luxusbau aus seiner Zeit, in der man Pracht und Reichtum zeigen wollte. Der Raum ist in Ausmaß und Ausstattung einschüchternd groß, aber auch sehr stimmig – und deshalb nicht so demonstrativ stolz, nicht so herrschsüchtig wie z.B. die nur etwa dreißig Kilometer südlich gelegene Basilika in Weingarten.
Ein gewaltiges Bauwerk, halb so groß wie der Petersdom, thront über dem kleinen Städtchen Weingarten: Basilika St. Martin.
Stolz thront diese Kirche am Hang, prächtig und riesig. Wenn man sie betritt, überwölbt das (derzeit zum Teil eingerüstete) Innere den Besucher in himmelstrebender Höhe, überschüttet ihn mit geschwungenem Barock, macht ihn klein und winzig in diesem übergroßen Kirchenbau.
Woher kommt meine Freude am Kirchenbesuch? Vielleicht auch daher: Im Herbst 1951 besuchten meine Eltern auf einer ihrer ersten Reisen nach dem Neuanfang als Flüchtlinge auch diese Kirche. Das war vier Jahre nach der Rückkehr meines Vaters aus der Kriegsgefangenschaft. Ich weiß das, weil meine Mutter darüber ein Tagebuch geführt hat. Ich zitiere daher einfach einmal ihre Ausführungen von damals:
„Ziel war die größte Barockkirche Deutschlands, riesenhaft auf einem Berg gebaut. Baumeister ein gewisser Herr Moosbrugger, Gemälde von Asam. Die Kirche ist dreischiffig, hat eine Kuppel und erinnert ein bisschen an den Petersdom. Sie soll vom italienischen Barock beeinflusst sein, was man auch merkt. … Reizend ist das holzgeschnitzte Chorgestühl, wunderschön die Orgelgliederung, bemerkenswert die Fensteranordnung.“
Die mit der Anordnung der Orgel abgestimmte Fenstergliederung bewunderte schon meine Mutter vor 70 Jahren.
Was würde ich heute, 70 Jahre später, nach meinem Besuch ergänzen wollen? Vielleicht die schlichte Information, dass der Baumeister tatsächlich anstrebte, die Kirche orientiert an den hälftigen Ausmaßen des Petersdoms zu errichten. Herausgekommen ist ein fast übermütiges Bauwerk, dem aus heutiger Sicht die Demut einer Kirche fehlt, die nicht durch Pracht einschüchtern, sondern durch Großmut für sich werben muss.
Für meine kirchenliebenden Eltern habe ich in dieser Basilika zwei Kerzen entzündet, und bin dann durch die nette Innenstadt von Weingarten geschlendert.
Pfarrkirche St. Michael, Burgberg, 86381Krumbach (Schwaben)
Mein Besuch am 12. Februar 2022
St. Michael dominiert das Stadtbild von Krumbach.
Gelockt hat mich in diese Kirche die Geschichte des heiligen Valentin, des Namensgebers unseres „Valentinstages“. Unter den zahlreichen Gotteshäusern, die für sich in Anspruch nehmen, eine Valentins-Reliquie ihr Eigen zu nennen, zählt auch St. Michael.
Das stolze Gebäude steht am Rande der Krumbacher Altstadt oberhalb eines kleinen Flüsschens und beherrscht das Gewirr der einladenden Gassen des Städtchens, eine unbestrittene Dominante. Rokoko begrüßt den Besucher, der die Kirche betritt. Der Innenraum ist weitgehend in Weiß gehalten, Heiligenfiguren stehen im Kreis herum, prächtige Altäre ziehen den Blick an, keine Säule stört den Blick. Überall glänzt das Gold und strahlt der Marmor, und eine prächtige Deckenmalerei erzählt uns vom Teufel und dem göttlichen Plan zur Errettung der Welt.
Weiß, Gold und Rot – ein bunter, sinnlicher Innenraum, ….
Die Kirche wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts neu errichtet, wobei Mauerreste von Vorgängerbauten, insbesondere der Turm, einbezogen wurden, aber auf ein einheitliches barockes Bild von außen wie im Inneren geachtet wurde. Ich neige eher der Ästhetik der strengen Gotik zu, die Fülle von bunten Bibeldarstellungen, plastischen Engelen und frommen Figuren treibt mich stets in eine Abwehrhaltung gegen allzu viel missionarischem Eifer beim Kirchenbesuch. Das ist natürlich ungerecht. Und die ganz große Kunst in diesem Stil, wie sie zum Beispiel in der weiter südlich am Alpenrand gelegenen Wieskirche zu besichtigen ist, hat das Krumbacher Gotteshaus leider nicht zu bieten.
… und dazu ein eigener Altar für Valentin, den Märtyrer, zum Valentinstag passend geschmückt.
Dafür einen Valentin (wenn auch nicht den vom Valentinstag). Das Skelett lagert hinter Glas im linken Seitenaltar, beschriftet als „Valentin, Märtyrer“. Geschmückt war er zwei Tage vor dem „Valentinstag“ mit vielen bunten Blumen und roten Herzen. Nun ja. Ruhe er in Frieden.
Eine gute Zusammenfassung der Baugeschichte von St. Michael findet sich auf der Website der Pfarrgemeinde: http://www.st-michael-krumbach.de/
St. Lambertus, St. Lambertus-Kirchplatz 20, 48317 Drensteinfurt-Walstedde
Mein Besuch am 5. Februar 2022
Ein Kirchplatz, der zum Verweilen einlädt, eine Glocke, die den Schlaf unterbricht: St. Lambertus in Walstedde
Diese Kirche hat mich aufgeweckt, im wörtlichen Sinne. Als Gast im unmittelbar daneben gelegenen Hotel schreckte ich um 6.15 Uhr beim Schlag der Glocke aus dem morgendlichen Schlaf und hatte auch sofort verstanden, warum das Hotel freundlicherweise Ohrstöpsel auf den Nachttisch der sonst so wunderbar ruhig gelegenen Herberge platziert hatte. Aber die Schallschutzfenster ermöglichten dann ebenfalls die Fortsetzung des Schlummers bis in den hellen Morgen.
Alles in Weiß: Der Innenraum von St. Lambertus
St. Lambertus ist ein kleines Kirchlein, im Zentrum eines harmonischen Kirchplatzes, der anmutig und einladend gestaltet ist. Viel Grün und lockere Bebauung umgibt diesen Ort. Die Harmonie findet seine Entsprechung auch im Inneren der Kirche, die außen wie innen weitgehend in Weiß gehalten ist. Der Kirchenbau zeigt sich im Stil der Renaissance, ein mächtiger Bogen am Eingang lässt nach meinem Eindruck jedoch auf ältere Vorgängerbauten schließen. Schmale weiße Säulen stützen die Empore, die eine zierliche Orgel von 1876 trägt. Ein wuchtiges Kreuz dominiert den Altarraum, uralt soll es sein, angeblich von 1150. Ich kann das weder beurteilen, noch hat es mich sehr beeindruckt. Mehr berührt hat mich die Tafel mit kleinen Kreuzen für die in der Gemeinde Verstorbenen, an die dort für ein Jahr nur mit dem Vornamen erinnert wird. Danach wird das kleine Kreuzchen den Angehörigen übergeben. Eine schöne Idee des Gedenkens!
Gedenken an die Verstorbenen der Gemeinde – ein Jahr lang.
Ach ja, und die Glocken. Die älteste, die „Marienglocke“, soll bereits von 1500 stammen. War sie es, die mich geweckt hat?
Stiftskirche St. Georg, Holzmarkt 1, 72070 Tübingen
Mein Besuch am 14. Januar 2021
Das Lichtspiel der modernen Fenster von Emil Kiess im Langschiff der Tübinger Stiftskirche
Wenn die Sonne seitlich herein scheint, dann werfen die modernen Fenster buntes Licht auf das alte Gemäuer. Was für ein schönes, intimes Licht! Diese Fenster stammen aus dem Jahr 1964 und wurden vom württembergischen Maler Emil Kiess gestaltet. Sie zählen damit zu den modernsten Elementen dieser Kirche, die sonst seit dem Ende des 15. Jahrhunderts in der heutigen Gestalt und Höhe das Tübinger Stadtbild bestimmt.
Die dreischiffige Kirche ist weit und groß und lädt mit sanftem Licht zum Verweilen ein, auch zum Stöbern nach Überraschungen, etwa den Schnitzereien im Chorgestühl. Dieses Gestühl stammt aus den Gründungsjahren der Kirche, hat alle Unbill der Zeiten überlebt, stehen jetzt allerdings reichlich randständig links und rechts vom Altarbereich. Da Gestühl hätte ein en besseren Platz verdient, zumal in diesen Holzbänken die weltberühmte Tübinger Universität gegründet wurde. Beeindruckt hat mich auch die Schnitzkunst an der Kanzel aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts, wo sich vermutlich der Holzbildhauer selbst als höchst sympathisches „Tübinger Kanzelmännchen“ verewigt hat.
Der Künstler höchstselbst? Das Tübinger Kanzelmännchen stammt vom Anfang des 16. Jahrhunderts.
Bei meinem Besuch war der Chorraum verschlossen. Er enthält zahlreiche württembergische Fürstengräber und wird geschmückt von den berühmtesten Glasfenstern dieser schönen Kirche, die angeblich bereits Goethe begeisterten. Geschaffen wurden sie von Peter Hemmel von Andlau noch vor 1500. Und das Licht leuchtet bis heute hindurch auf die Stille der Gräber. Der Besucher kann es sich bewusst machen, dann fasst er nach einem kleinen Zipfel der Ewigkeit.
Das Ulmer Münster, eine Kirche der Superlative, betritt der Besuchende durch den schmalen Seiteneingang. Es ist ein unscheinbarer Vorraum, den man betritt, immerhin eröffnet er den Blick in eines der insgesamt vier Seitenschiffe, dessen Raumprogramm alleine für manche Kirche längst ausreichen würde. Streng genommen handelt es sich um jeweils ein Seitenschiff auf Nord- und Südseite, die aber schon im 15. Jahrhundert aus Stabilitätsgründen unterteilt wurden. Der staunende Gast muss sich also nach rechts wenden, um die Kirche in ihrer ganzen Dimension erfassen zu können. Steht er endlich am westlichen Ende des Kirchenraums, unter dem über ihm in den Himmel stürmenden Turm (und lässt er sich an dieser Stelle nicht von den leider auch hier nicht kommentierten Gedenktafeln an Kriegsgefallene ablenken) – dann kann dieser gewaltige gotische Kirchenraum endlich in Gänze wahrgenommen werden.
Das Ulmer Münster ist die größte evangelische Kirche Deutschlands, und sie nennt den höchsten Kirchturm der Welt ihr eigen, zumindest so lange noch, bis die Sagrada Familia in Barcelona einmal vollendet sein wird. Wer nach Ulm fährt, muss nicht suchen, um das Münster zu finden, es ragt weit über die kriegszerstörte und wieder errichtete Bebauung der Stadt hinaus, es dominiert das Stadtbild schon vom weitem.
Fast 125 Meter lang, mehr als 40 Meter hoch: Das strenge Münster schüchtert mit seinen Dimensionen ein.
Die gotische Raumwirkung – fast 125 Meter lang, das Hauptschiff mehr als 40 Meter hoch – hat mich denn auch erwartungsgemäß überwältigt. Wie verloren irrt der ehrfürchtige Kirchengast durch den strengen Säulenwald, sucht Halt an den Kunstwerken, den Skulpturen, den stummen zeigen, die im gedämpften Winterlicht ausharren, das durch die teils noch in ihrer Notverglasung nach der Kriegszerstörung verharrenden hohen Fenster hereinströmt.
Beeindruckt hat mich neben den Dimensionen, neben der gotischen Strenge am Münster vor allem auch die Baugeschichte: Den etwa 10.000 Ulmer Bürgern war es – noch vor der Reformation – zu dumm geworden, für den Kirchgang vor die Stadt zu pilgern und noch dazu in ihrer Glaubensausübung abhängig zu sein von den Mönchen des Klosters Reichenau im Bodensee, dem die Ulmer Pfarrei unterstellt war. Also begannen sie 1377, mit eigenen Mitteln eine Kirche innerhalb ihrer Stadtmauern zu errichten, finanziert durch Spenden der gläubigen Bürgerschaft. Knapp 150 Jahre später war die Reformation im Gange, und die Ulmer Bürger (genauer: die Männer) stimmten in namentlicher (!) Abstimmung mehrheitlich dafür, dass Ulm mitsamt der halbfertigen Kirche nun evangelisch sein sollte. Damals hatte der Turm erst eine Höhe von 100 Metern, seine heutige Höhe erreichte er in der Neugotik im Jahr 1890.
Über die Jahrhunderte in einer niemals endenden Aufgabe vereint: Gedenktafeln für die Ulmer Dombaumeister.
Der Erhalt des gewaltigen Bauwerkes ist bis heute eine anhaltende Aufgabe der Bürgerschaft. Stolz weisen örtliche Firmen, aber auch eine bundesweit agierende Drogeriekette, deren Geschäft unweit des Münsters steht, auf ihre unterstützende Rolle für die Dombauhütte hin, die sich um das stetig bröckelnde Gestein und den Erhalt der Statik aus früheren Jahrhunderten bemüht. So ist die Himmelstürmende in Ulm auch ein Symbol für eine mutige Vision und dafür, was der gemeinsame Wille engagierter Menschen erreichen kann. Koste es, was es wolle.
Der Ulmer Spatz – hier das Original, das auf Augenhöhe innerhalb des Münsters zu besichtigen ist. Um den Spatz auf dem Dach zu entdecken, muss man schon genau hinsehen und an einer geeigneten Stelle stehen.
Die gotische Kirchendecke passt nicht recht zu den wuchtigen romanischen Säulen, genauso wenig wie die Kanzel aus dem Barock. Mehr als 1000 Jahre Baugeschichte mischen sich im Münster von Konstanz.
Wer „konziliant“ ist, der sucht das Verbindende, das Versöhnliche. Das Münster von Konstanz hätte genau ein solcher Ort sein können. Über vier Jahre suchte man in diesem mächtigen Bau zwischen wuchtigen romanischen Säulen nach Kompromissen. Leider nicht nur, denn engstirnige Kleriker sprachen dort auch todbringende Urteile gegen vermeintliche „Ketzer“. Von 1414 bis 1418 tagte hier das Konzil von Konstanz, das seinen Höhepunkt mit der einzigen Papstwahl auf deutschem Boden fand (siehe dazu auch meinen Text als #Politikflaneur „Von Konstanz nach Glasgow„).
Heute präsentiert sich dieser stark gegliederte Kirchenbau mit historischer Wucht über viele Epochen. Sein romanischer Kern ist eines der größten Kirchenbauten dieser Epoche in Süddeutschland. Der Eindruck ist aber stark geprägt durch zahlreiche Ein- und Anbauten in anderen Baustilen. Es gibt einen gotischen Kreuzweg, Seitenkapellen, eine mit viel Licht sehr stimmungsvoll inszenierte Krypta. Sie erinnert zusammen mit den schon erwähnten Säulen des Hauptschiffs an den romanischen Kern dieser Kirche.
Von 1260, aber Instagram-tauglich: Die heitere Überraschung aus der Frühgotik in den Darstellungen der Mauritiusrotunde.
Das Münster lädt ein zum Entdecken, hier ist man nicht in wenigen Augenblicken „fertig“. Jede Ecke, jeder Seitenaltar, jedes Relief birgt neue Geschichten. Mich hat am meisten beeindruckt die „Mauritiusrotunde“ mit einer geradezu unglaublich heiteren Darstellung der Weihnachtsgeschichte. Diese Figuren entstanden schon um 1260; sie grinsten also schon den Teilnehmern des Konzils entgegen und hätten das Potential gehabt, dem machtbesessenen Männerkampf eine Note heiterer, im wahrsten Sinne konzilianter, Selbstironie entgegenzusetzen.
Allein diese Figuren, aber auch die Kirche insgesamt, sind jedes Umwegs würdig!
Kath. Pfarrkirche St. Wolfgang, St.-Wolfgangs-Platz 9, 81669 München-Haidhausen
Mein Besuch am 24. September 2021
Der neo-barocke Turm von St. Wolfgang stammt von 1915 …
Der barock anmutende Turm verspricht eine gänzlich andere Kirche. Immerhin befinden wir uns mitten in München, Siedlungsgebiet aus dem Anfang des letzten Jahrhunderts. Die betuliche BR-Fernsehserie „Die Hausmeisterin“ (mit Veronika Fitz und Helmuth Fischer und vielen anderen) spielte hier um die Ecke. Bis heute vereinen die Straßen dieses Viertels allen Charme, von dem uns dort erzählt wird. München ist noch immer fast dörflich, sobald man die breiten Boulevards verlässt, einladend, und doch sehr urban. Hier vermutet man neben einem barocken Turm auch eine solche Kirche.
Aber schon die erste Annahme ist falsch. Der Turm samt Kirche wurde erst 1915 erbaut, da war das Barock schon lange vorbei. Aber offenbar fanden die Haidhauser Katholiken es schön, in die alte Zeit der Schnörkel zurückzukehren. Die Bomben des 2. Weltkrieges zerstörten St. Wolfgang. Nur der Turm überstand die Einschläge weitgehend unbeschadet und steht daher bis heute. Die Kirche aber, neu errichtet in den 60er Jahren, ist modern gestaltet. Hell durchflutet das Tageslicht den weiten Raum, grauer Beton bildet die Wände, und es dominiert ein eindrucksvoll riesiges Wandmosaik hinter dem Altar, das sich bis hinauf auf die ganze Höhe des Raumes erstreckt. Braun-grau schauen Christus und die vielen Menschen um ihn auf den Besucher herab. Ein Bilderbogen moderner christlicher Sinnlichkeit.
… aber das Kirchen-Innere wurde 1966 fertiggestellt.
Wendet man sich herum, so blickt man auf eine Orgel-Rarität. Sie steht dort seit Beginn der 2000er Jahre und ist ein Wiederaufbau. Ursprünglich stammt sie aus England und wurde dort bereits 1907 gebaut. So darf sich diese Haidhauser Alltagskirche damit rühmen, das „erste und einzige original englische Instrument mit symphonischem Charakter in Bayern“ (Wikipedia) ihr Eigen zu nennen. Zu hören habe ich sie nicht bekommen. Also werde ich wiederkommen.
Auf Sand gebaut, umgeben von Dünen: St. Nikolaus auf Langeoog
Eigentlich soll sie einen versunkenen Schiffsrumpf symbolisieren. Aber für mich ragt der Kirchenturm wie das Schwert eines Hais aus der Wellenlandschaft der Dünen. St. Nikolaus ist die katholische Kirche auf der Nordsee-Insel Langeoog, ein längliches, wasser- und windumtostes Sandgebilde voller Touristen, aber auch voll von natürlicher Stille, autofrei, strandverwöhnt.
Seit Jahren reise ich auf diese Insel, wenn ich auf der Suche nach Weite, Meer und guter Luft bin, und niemals darf ein Besuch in St. Nikolaus fehlen. Nicht, weil ich einen Gottesdienst aufsuchen würde. Auch nicht, weil die viel größere und zentral im Ort gelegene Inselkirche der evangelischen Kirchengemeinde weniger zugänglich oder attraktiv wäre. Sondern wegen der Dünenlage von St. Nikolaus, die das in den 60er Jahren errichtete und mehrfach renovierte Kirchengebäude auf drei Seiten umgibt. Wo könnte man sinnbildlicher erfahren, was es bedeutet, wenn etwas „auf Sand gebaut“ ist?
Der Wasserturm, und dahinter das Meer: Der Blick aus dem großen Fenster von St. Nikolaus (Foto: Ute Vogt)
Im Inneren erwartet den Besucher ein trapezförmiger Raum, stimmungsvoll erleuchtet im Wesentlichen durch ein einziges großes Glasfenster, das den Blick frei gibt auf die Dünenlandschaft der Nordsee, bis hin zum Inselsymbol, dem Wasserturm. Die Innenausstattung ist schlicht und streng, und doch einladend, sich zu setzen, die Stille zu hören und seinen Gedanken nachzugehen. Bei Flut rauscht draußen das Meer. Wie oft war ich in einer Kirche und habe vor allem hinschauen dürfen: tolle Architektur, sakrale Kunst, aufregende Bilder, strenge Statuen. Hier lenkt kaum etwas davon ab, worum es in einer Kirche gehen kann: Einen Ort von erbauter Meditation zu finden.
Übrigens habe ich noch nie gesehen , was es dort gibt: Einen gemeinsamen Gemeindebrief der ev. und der kath. Kirche auf der kleinen Insel. Ökumene ist möglich!
Wir verwenden Cookies, um unsere Website und unseren Service zu optimieren.
Funktional
Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.