Das Innere eines blauen Saphiers (#0010)

Neue Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin, Breitscheidplatz, 10789 Berlin

Mein Besuch am 14. Juni 2021

Wen im Inneren eines Edelsteins: Die neue Gedächtniskirche in Berlin

Topas, Lapislazuli oder blauer Saphir? Ich musste googeln, um die verschiedenen Blautöne von Edelsteinen zu sehen, und konnte mich dann doch nicht entscheiden. Das Innere der neuen Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche im Herzen von West-Berlin, direkt am Anfang des Kurfürstendamm ist in meiner Sammlung eine Ausnahme. Denn sie ist weltberühmt, vielleicht noch mehr wegen der Ruine ihres Vorgängerbaus, die uns an Krieg und Zerstörung mahnen soll. Geweiht wurde die neue Kirche im Dezember 1961, ein halbes Jahr nach dem Mauerbau.

Das Ensemble aus alter Ruine und neuer Kirche ist eine echte Sehenswürdigkeit, ein touristischer Hotspot – und doch ein Beispiel für genau das, warum mir Kirchen im öffentlichen Raum so wertvoll erscheinen: sie ist tagsüber geöffnet, für jeden, egal welcher Herkunft, welchen Standes und welcher Religion. In ihr ist es schlagartig still. Jeder Besucher findet sich wieder im Inneren eines blaue Edelsteins, übergossen mit blauem Licht, das durch die rund 20.000 quadratischen Glasbausteinen von außen in diesen verzaubernden Raum einströmt. Wer immer hier Ruhe sucht, kann sie in diesem Blau finden, während draußen vor der Tür das bunte und laute Leben tobt.

Wieviel diskutieren wir über die Rolle der Kirchen in unserer Zeit! Eine wichtige wäre, öfters genau solche Orte anzubieten. Deshalb ist diese Kirche einer meiner Lieblingsorte in Berlin. Auch, weil hier die Aufgabe offensiv angenommen wird, die sich für eine Kirche stellt, die inmitten der Kommerzmeile des Berliner Westens liegt, die offen gehalten wird für die Menschen, die sich modern bereithält für die Herausforderungen des Heute und Jetzt: mit kurzen täglichen Andachten, mit Konzerten, mit offensiver Informationspolitik auch auf modernen Kanälen. Persönlich würde ich mir noch wünschen, dass man den Kaiser aus dem historischen Namen streicht, wie das bereits bei der Internetpräsenz erfolgt ist. Gedächtniskirche – das genügt vollkommen, finde ich.

Die sehr informative Website der Kirchengemeinde findet man hier: https://www.gedaechtniskirche-berlin.de/

siehe auch mein Beitrag als #BerlinerFlaneur: Kirchen-Politik

 

 

Zwölf Berufene an der Autobahn (#0009)

Dorfkirche Zeestow, Wustermarker Str. 16, 14656 Brieselang (Ortsteil Zeestow)

Mein Besuch am 30. Mai 2021

Dorfkirche Zeestow

Wieder mal eine künstlerische Überraschung auf meiner Suche nach der Königseiche in Brieselang (siehe dazu mein Text als #BerlinerFlaneur): die auch als Autobahnkirche ausgewiesene (und daher tagsüber immer geöffnete) Dorfkirche Zeestow. Ähnlich wie die Feinigerkirche bei Weimar verdankt sie ihre Existenz dem Engagement von Bürgern, die einen fast schon dem Verfall preisgegebenen Kirchenbau mit vielen Stunden ehrenamtlichen Engagements retteten. Ursprünglich war die Kirche nach einem Großbrand 1851 völlig neue errichtet worden, verfiel aber in den DDR-Jahren.

„Die Berufenen“ von Volker Stelzmann

Entstanden ist auch hier wieder ein lauschiger Ort, umgeben von den Resten eines alten Friedhofes, eine echte „Tankstelle für die Seele“. Die große Überraschung findet sich aber in ihrem Inneren: Ein Bilderzyklus von Volker Stelzmann findet sich dort, der unter dem Titel „Die Berufenen“ auf die zwölf Apostel in der Form von Menschen in Not verweist – vor allem aber wohl darauf hinweist, dass „Jesus solche Menschen in seine Nachfolge berufen“ habe, wie der Prospekt der Kirche formuliert. Die Darstellung ist modern und eindringlich in diesem stillen, hellen, sonst modern und zurückhaltend gestalteten Kirchenraum. Entstanden sind eindrucksvolle Porträts der Armut, der jederzeitigen Chance zur Aufrichtigkeit unter der Last des Lebens. Der Zyklus ist jede Reiseunterbrechung am Berliner Autobahnring wert!

Die informative Website der Kirche: http://dorfkirche-zeestow.de/

Der Maler Volker Stelzmann hat eine eigene Website: https://www.volkerstelzmann.de/

 

 

Hier blickte Fontane vom Turm (#0008)

St. Nikolai, Berlin-Spandau, Reformationsplatz 1, 13597 Berlin

Mein Besuch am 30. Mai 2021

St. Nikolai, Innenraum und gotischer Altar

Eine große klare Kirche, hell und doch streng. Das gotische Gewölbe weist in den Himmel, der Kirchenraum ist breit gegliedert und lädt zum stillen Rundgang ein. Die Kirche ist sehr alt; im Rohbau um 1370 erstmals fertiggestellt, ein 1398 gestiftetes gotisches Taufbecken ist bis heute erhalten. Später wurde die Kirche neugotisch von Karl Friedrich Schinkel restauriert, der Turm brannte mehrfach aus und trägt eine barocke Spitze mit einer Aussichtskanzel, die schon Theodor Fontane in seinen „Wanderungen“ für einen ersten Rundblick auf das Havelland nutzte (siehe auch „Im Brieselang“ unter #BerlinerFlaneur).

Wer das Glück hatte, wie ich die Kirche geöffnet zu erleben, und das auch noch bereichert durch  Klavierspiel einer Kirchenmusikerin, findet sein stilles Glück in diesem Raum.

Barocke Kanzel, um 1700, Holz

Während des Nationalsozialismus war hier Superintendent Martin Albertz tätig, ein mutiger Mann aus dem kirchlichen Widerstand gegen das Hitler-Regime. Diesen Widerstand musste er nicht nur gegenüber dem Staat durchsetzen, sondern auch gegenüber der Mehrheit seiner eigenen Amtsbrüder und seines Kirchengemeinderates. Er war Mitbegründer und eine der führenden Vertreter der „Bekennenden Kirche“, die sich gegen die Gleichschaltung durch das NS-Regime wehrte.

Mehr über Martin Albertz: https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Albertz

und über St. Nikolai auf der Website der Pfarrgemeinde: https://nikolai-spandau.de/page/2062/st-nikolai-kirche

und der Text von Fontane im Original: https://www.textlog.de/41235.html

Eine Kirche bekennt sich zu ihrer Geschichte (#0007)

Johanneskirche Frohnau, Zeltinger Platz 18, 13465 Berlin

Mein Besuch am 17. Mai 2021

Johanneskirche Frohnau

Das findet man selten: Eine Kirche bekennt sich klar zu ihrer Geschichte, nicht nur kunsthistorisch, sondern auch politisch. „Die Johanneskirche ist ein Kirchenbau aus nationalsozialistischer Zeit“, schreibt die Ev. Kirchengemeinde im ausliegenden Informationsblatt. Die Grundsteinlegung erfolgt 1935. Während mich in anderen Kirchen Gedenktafeln für gefallene Soldaten irritieren (die es auch hier gab, aber zu DDR-Zeiten entfernt wurde), findet sich hier nun vor der Kirche ein Gedenkstein für die aus Frohnau verschleppten und ermordeten jüdischen Bürger.

Die Kirche mit ihrem massigen, sehr wehrhaft wirkenden Backsteinturm passt sich ein in die architektonische Idee der Gartenstadt Frohnau, die früher entstand und bis heute einen einladenden Zauber verbreitet mit der klaren städtebaulichen Struktur und dem vielen Grün, in dem die niedrigen Häuser und Villen nahezu verschwinden.

Johanneskirche Frohnau

Das Kirchenschiff wirkt tatsächlich wie ein umgedrehter Schiffsrumpf. In spitzen Bögen überspannen die Träger den weiten Raum, der damit sehr offen und und licht wirkt. Der Altarraum ist durch einige Treppenstufen abgesetzt. Kerzen auf den Stufen laden zu einem meditativen Moment ein. Oder zum Studium des wirklich informativen, bereits erwähnten Informationsblattes, das sich „geistliches Portrait der Johanneskirche“ nennt, aber viel mehr ist – nämlich eine selten gefundene, kluge Auseinandersetzung mit dem eigenen Kirchenraum, informativ, selbstkritisch und anregend. Der Text kann auch im Internet auf der Website der Kirchengemeinde nachgelesen werden:

https://www.ekg-frohnau.de/page/6561/die-johanneskirche

Mehr über die Geschichte der Gartenstadt Frohnau bei Wikipedia:

https://de.wikipedia.org/wiki/Berlin-Frohnau

 

Ein Säulenwald aus Holz (#0006)

St. Jacobus und St. Clemens, 06792 Brehna

Mein Besuch am 20. April 2021

Wuchtig, Ehrfurcht einfordernd, dominiert sie den Platz um sich herum, der einmal ein Friedhof war und jetzt eine gepflegte Parkanlage ist. Sie trägt den Namen gleich zweier Heiliger, und es waren auch einmal zwei getrennte Kirchen – eine des Volkes, eine der Augustinerinnen im Kloster. Das Kloster ist weg, die Kirche noch da – inzwischen zusammengeführt zu einem gemeinsamen, verschachtelten Kirchenraum. Ein hölzerner Säulenwald, den ich so noch in keiner anderen Kirche gesehen habe, trägt den Innenausbau – eine umlaufende Empore, aber insbesondere eine prächtig geschmückte Patronatsloge und eine deutlich bescheidenere Bürgermeisterloge. Alles das will nicht so recht passen zur eintausend Jahre alten, romanisch-trutzigen Bausubstanz dieses Kirchenraums. Der L-förmige Grundriss entstand bei der Zusammenführung der Klosterkirche mit der Kirche der Pfarrgemeinde und hat bis heute zur Folge, dass einfaches Kirchenvolk von einigen Plätzen aus der Hochalter gar nicht sehen kann. 


Mich hat besonders beeindruckt, mit welcher Geduld, mit welchem Einsatzwille eine aktive Kirchengemeinde hier unermüdlich, Stück für Stück, diese alte Kirche zurückversetzt hat in einen vorzeigbaren Zustand. Es bedurfte wieviel bürgerschaftlichen Engagements, den Verfall zu stoppen und eine moderne Idee von der Nutzung dieses Kirchenraumes (u.a. auch als Autobahnkirche an der A9 in der Nähe von Halle) zu entwickeln. Die vielen Schritte dorthin sind in einer liebevoll gestalteten, kleinen Ausstellung in der Kirche dokumentiert. Wo stünde unsere Gesellschaft ohne solches stetes und beharrliches Bemühen? 

https://www.pfarrbereich-sandersdorf-brehna.de/autobahnkirche/die-kirche.html

https://de.wikipedia.org/wiki/St._Jakobus_und_St._Clemens_(Brehna)

 

Die Feiningerkirche (#0005)

Die Kirche von Gelmeroda - Bild von Lionel Feininger
Die Feiningerkirche – hier ein Foto des Druckes „Gelmeroda XI“ von L. Feininger, der in der Kirche hängt; ein Gemälde mit ähnlichem Motiv besitzt das Metropolitan Museums of Art New York.

Feiningerkirche in 99428 Gelmeroda

Meine Besuche am 15. April und am 14. Mai 2021

Da duckt sie sich unter das hohe Turmdach, das nadelspitz zuläuft und so hoch ist wie der ganze restliche Turm, die weltberühmte Kirche im Thüringischen, nah bei Weimar, direkt an der Autobahn.  Weltberühmt? Oft bin ich vorbeigefahren, aber ich kannte sie nicht. Der Bauhaus-Künstler Lionel Feininger, der zwischen 1906 und 1937 „Meister“ am Bauhaus in Weimar war (solange es dort geduldet war, dann in Dessau und Berlin), liebte diese kleine Kirche und hat sie mehr als zwanzig Jahre immer wieder gemalt, auch dann noch, als er, geflohen vor den Nazis, längst wieder im sicheren Amerika wirkte. Eine späte seiner Skizzen ist in der kleinen Ausstellung in dieser Kirche zu sehen und stammt aus dem Jahr 1954, kaum zwei Jahre vor seinem Tod.

Innenraum
Im Innenraum sorgt schlichtes Weiß für eine sehr klare Atmosphäre.

Das uralte Kirchlein mit Fundamenten aus dem 12. Jahrhundert und dem gewaltigen Turmhelm wäre wohl längst verfallen, hätten nicht engagierte Menschen sich ihrer angenommen. In den 90er Jahren grundlegend renoviert, strahlt der Innenraum jetzt schmucklos weiß, still, streng, und doch einladend. Die spärlichen Rest-Fresken und der Altarraum aus früheren Zeiten blieben unangetastet, aber sie verschwinden in dieser klugen, modernen Inszenierung.

Abends könnte die Kirche im Stile eines Feininger-Gemäldes farbig angestrahlt werden, aber für die Wartung der Beleuchtungsanlage fehlt das Geld. An einer Lösung wird gearbeitet, berichtete mir Pfarrer Joachim Neubert, als ich die Kirche ein zweites Mal Mitte Mai besuchte und ihn dort zufällig antraf. Ob Licht oder nicht: Ich plädiere für einen Halt tagsüber an diesem künstlerisch inspirierenden Ort.

https://de.wikipedia.org/wiki/Lyonel_Feininger

https://www.kirchenkreis-weimar.de/kirchenkreis/gemeinden-und-kirchen/buchfart-legefeld/gelmeroda/kirche-gelmeroda-autobahnkirche-feiningerkirche/

An der Kirche führt auch ein „Feininger-Radweg“ vorbei.

 

Seelen-Raststätte (#0004)

Autobahnkirche St. Thomas von Aquin, Marktplatz 1, 91257 Pegnitz/Trockau

Mein Besuch am Ostermontag, 5. April 2021

„Raststätten für die Seele“ sollen Autobahnkirchen sein, lese ich im entsprechenden Wikipedia-Eintrag. Mich haben die Hinweisschilder auf Autobahnkirchen schon immer fasziniert, sie sind für mich großartige Stachel im Fleisch der dahinhetzende Mobilität, ein Gegenstück zu allem, was unsere Gesellschaft mit einer Autobahn verbindet: Schnell, schnell, dahin zum Ziel. Und dann hält da einer an und geht in eine Kirche? Wie viele derjenigen, die da dahinrauschen in Sicht- und Hörweite, halten das wohl für einen ganz außergewöhnlich unsinnigen Impuls, eine gerade provozierende Störung?

In Trockau liegt St. Thomas von Aquin weithin sichtbar am Rande der A9, der Lebensachse zwischen Berlin und dem Süden der Republik. Ein einfacher Bau, erst 1950 geweiht, und doch in konventionellem Stil erbaut, ohne architektonische  Experimente. Der Turm wurde sogar erst zwanzig Jahre später hinzugefügt. All das geschah, als es die Autobahn schon gab, aber noch nicht den Status einer „Autobahnkirche“. Den trägt dieser stille, unaufgeregte Bau erst seit 2010.

Mich rührt dieser Raum an: Viel Backstein, warmes Licht erfüllt den weiten, und doch intim wirkenden Bau. Im Gästebuch reihen sich die Einträge mit großem zeitlichen Abstand hintereinander; Menschen, die auf der Rast mehr suchen als einen Picknick-Platz, eine Toilette, einen Coffee-Shop. Die eine Inspiration, einen Moment des Innehaltens suchen auf der Hetze von A nach B. Eine gute Idee – in Deutschland gibt es 42 Autobahnkirchen.

https://www.autobahnkirche-trockau.de/

https://www.autobahnkirche.de/abk/liste-der-autobahnkirchen-in-deutschland.html

 

Der Seele beraubt (#0003)

Stiftskirche Herrenberg

Kirchgasse 7, 71083 Herrenberg

Mein Besuch am 7. März 2021

Majestätisch am Hang liegt sie, die „Glucke vom Gäu“, überragt wie eine brütende Henne das Gewirr der Fachwerkhäuser unter ihr. In einem Zettel, den die Kirchengemeinde für Besucher auslegt, finde ich die Information, dass die Kirche sich jedes Jahr durch geologische Prozesse um einen Millimeter auf die Stadt zubewegt. Als ich sie heute betreten habe, früher Nachmittag, leuchtete die Sonne in den weiten Kirchenraum, der mich zu meiner großen Überraschung in sattem Gelb empfing. Eine farbige Kirche, nicht wegen der Fenster, sondern wegen der Ausmalung im Kirchenraum. Die Pfeiler sind bis hinauf in das Deckengewölbe in gelb gehalten, in ihrer Spitze sogar ganz bunt. Ein starker Farbeindruck! Aber der Innenraum wirkt leider auf mich wie zusammengewürfelt – daran ändern auch die schönen Einzelelemente (vor allem das eindrucksvolle Chorgestühl aus dem 16. Jahrhundert) wenig. Es fehlt mir die Seele dieses schönen und stolzen Kirchenraums. Ich habe viele schöne, auch moderne Kirchen gesehen, denen ein Hochaltar fehlt. Aber hier in Herrenberg fehlt er wirklich. Jerg Rathgeb hatte ihn 1519 gemalt, zwei Jahre, nachdem Martin Luther seine berühmten Thesden in Wittenberg an die Kirchentür geheftet hatte. Ratgebs Hauptwerk, der „Herrenberger Altar“ wurde bereits 1891 verkauft und ist seit 1924 in der Stuttgarter Staatsgalerie zu besichtigen. Und so füllt nun eine bescheidene Holzvertäfelung die klaffende Lücke an der Spitze der Kirche, dort, wo sich alle hinwenden.

Gab es jemals eine Diskussion über die Rückführung von Kunstwerken an ihren ursprünglichen Platz – auch innerhalb Deutschlands? Die eindrucksvolle Altar-Skulptur auf dem nach Jerg Ratgeb benannten Skulpturenweg mahnt eindrücklich an die Leerstelle in der Kirche selbst.

https://de.wikipedia.org/wiki/Stiftskirche_Herrenberg

https://de.wikipedia.org/wiki/Jerg_Ratgeb

 

 

Ein Feuerwerk aus buntem Glas (#0002)

St. Josef, Danziger Str. 19, 70825 Korntal-Münchingen

Mein Besuch am 21. Februar 2021

Sonntagmittag um zwei. Die Kirche ist menschenleer. Ich halte mich fast zwanzig Minuten auf in dem Bau aus den 60er Jahren, niemand stört die Ruhe, es bleibt alles leer und still. Draußen strahlt die Sonne am ersten Frühlingstag im Jahr. Es sind solche intimen Momente,. die mich an Kirchen faszinieren: Die Fotos der Taufkinder. Die Vorbereitungen für die anstehende Erstkommunion. Die handschriftlichen Bitten und Gebete im ausliegenden Buch. Ein intimer Raum umfängt mich und nimmt mich auf. Die Kirche hat schmale Lichtbänder entlang der Dachlinie, und eine dominierende Betonglaswand, welche die komplette Nordseite der Kirche bildet. Ein Feuerwerk aus buntem Glas; der Künstler (Rudolf Walter Haegele) hat die Wand entlang der Naturgewalten gestaltet – Feuer, Blitz, Winde, Dunkelheit – alles soll Gott loben. Mich erreicht diese Deutung nicht. Aber das Licht erfüllt den harmonischen Kirchenraum, gibt ihm Licht, Wärme, Vielfalt.

https://kath-kirche-muenchingen-hemmingen.de/wp-content/uploads/2016/04/50J_SJ_HM.pdf

http://leuchtende-bilder.com/detail/rudolf-walter-haegele

 

Gefälle im Münster (#0001)

Heilig Kreuz Münster, Rathausgasse, 78628 Rottweil

Mein Besuch am 14. Februar 2021

Valentinstag, Fasnets-Sonntag, aber im Corona-Lockdown. Klare Kälte in der Luft, blauer Himmel, ein paar Schleierwolken, Schnee und Eis auf der Straße. Das Heilig Kreuz Münster überrascht mich einem Gefälle in der Kirche. Wie ein moderner Konzertsaal fällt die überbaute Fläche ab. Der winterliche Sonnenschein fällt durch die bunten Fenster in einen Kirchenraum, der nicht zum Himmel strebt, sondern solide am Boden bleibt. Getaucht in warmes Gold, spiegelt sich das Sonnenlicht in den Altären und auch im Gold der alten Zunftlaternen, die hinter Gitter gleich am Eingang stehen. Sauber beschriftet, hier die Laternen der Schreiner, dort die der Metzger. Und auch welche der Friseure, die sie derzeit vielleicht besonders bräuchten, hat man ihnen doch eine Zwangspause verordnet. Und gleich links davor: Zwei Nischen füllen die Totentafelns des zweiten Weltkriegs, auch berühmte Namen der Stadt darunter, die hier um Mitglieder ihrer Familien trauern mussten. Und doch frage ich mich, was das diese besondere Ehrung der Kriegsopfer an dieser prominenten Stelle in einer Kirche von heute zu suchen hat. Werden wir Tafeln der katholischen Corona-Toten in unsere Kirchen hängen?

https://de.wikipedia.org/wiki/Heilig-Kreuz-M%C3%BCnster_(Rottweil)

http://www.hl-kreuz-rottweil.de/kirchen/heilig-kreuz/patrozinium/patrozinum-titularfest.html