Die Geburt der Vernunft (23. Dezember 2021)

Eine Weihnachtsgeschichte aus der Zeit des Omikron

Es begab es sich aber zu der Zeit, dass die Herrschenden sehr dringlich alle Bewohner des Landes aufriefen, voneinander Abstand zu halten und sich impfen zu lassen. Es war seit langem das erste Mal, dass solche Maßnahmen erforderlich waren, denn es war die Zeit des Omikron. So sollte jeder nur dann seine Nächsten treffen, wenn sonst große Not einträte. Und eine jede und ein jeder sollte in die Stadt gehen, in der er lebte, um sich impfen und die Impfung in gelben Heften eintragen zu lassen.

Aber es gab viel Unvernunft im Volke. Manche wollten den Herrschenden nicht folgen, obwohl diese ihr Amt einer ehrlichen Wahl verdankten. Andere suchten ihre Familien und Freunde ohne Vorsicht auf, und gaben damit dem Omikron die Macht über ihr Leben. Viele davon bezweifelten die Wirksamkeit des Impfens oder bestritten diese gar entgegen aller Klugheit. Also zog sich große Verwirrung durch das Volk; fast schien es so, dass keiner mehr des anderen Sprache verstehe.

Josef und Maria machten sich auf den Weg. Sie gehörten zum Volk der großen Stadt und mussten deshalb aus den Hochhäusern an ihrem Rande in das Impfzentrum reisen, das in der Mitte der Stadt lag, um sich dort impfen und eintragen zu lassen. Maria war schwanger, und als sie nach dem mühsamen Weg in die Stadt und nach langem Warten auf ihre Impfung endlich an der Reihe gewesen waren, kam für sie die Zeit der Entbindung.

Das Impfzentrum hatte seinen Ort auf dem Gelände eines großen Krankenhauses, und so brachte Maria mit liebevoll tätiger Hilfe der Hebammen, der Ärzte und Ärztinnen des Krankenhauses, unter lautem Klagen des Schmerzes, aber auch in großer Vorfreude auf das, was sie erwartete, ihr erstes Kind zur Welt. Es war ein Sohn. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn dann in ihr eigenes Bett, das auf dem Flur stand, weil im Krankenhaus sonst kein Platz mehr für sie war.

In der gleichen Nacht hielten viele Frauen und Männer des Krankenhauses Wache bei ihren Patienten. Sie waren sehr müde und erschöpft, denn der Omikron sorgte dafür, dass in unablässigem Strom schwer kranke Menschen in das Krankenhaus gebracht wurden, die alle ihrer Hilfe dringend bedurften. Es waren zu viele, so dass ihre helfenden Hände schmerzten und ihr Geist verhärtete. Und doch mussten die Pflegerinnen und Pfleger, die Ärztinnen und Ärzte Schicht um Schicht im Dienst verbleiben. Oftmals schliefen sie in den Nächten im Dienstzimmer ihres Krankenhauses. Dabei blieben ihnen meist vom Schlaf nur wenige Stunden, bis sie wieder zurück eilten zu den Hilflosen in ihren Intensivbetten.

Fürchtet Euch nicht! Eine aktuelle Lichtinstallation an der Pauluskirche in Stuttgart-Zuffenhausen.

Es waren für diese Frauen und Männer schwere Zeiten voller übermenschlicher Anstrengung. Unter ihnen herrschte auch große Sorge, selbst Opfer des Omikron zu werden. Deshalb hatten viele oft wirre Träume. Eines Morgens ereignete sich, dass sie alle das gleiche geträumt hatten, und sie erzählten sich gegenseitig davon und voller Staunen auch denjenigen, die während ihres Schlafes hatten Wache halten müssen. Plötzlich sei im Schlaf ein Engel zu ihnen getreten, und das Licht der Hoffnung habe ihn umstrahlt. Im Schlaf erschraken die Müden sehr und hatten Angst, aber der Engel sagte zu ihnen: „Ihr müsst euch nicht fürchten, denn ich bringe euch eine gute Nachricht. Heute Nacht ist endlich die Vernunft geboren worden. Ihr werdet sie daran erkennen, dass ihr ein Kind findet, das in Windeln gewickelt auf dem Flur in Eurem Krankenhaus bei seiner Mutter im Bette liegt. Es wird Ratio genannt werden.“ Und dann waren sie im Traum von strahlenden Engels-Heerscharen umgeben gewesen, die alle die Vernunft lobten und riefen: „Ehre und Herrlichkeit und Frieden den Menschen im Land, die uns den Gefallen der Vernunft tun!“

Die erwachten Träumer staunten über die Gleichartigkeit ihrer Erlebnisse in der Nacht und riefen: „Vielleicht haben es nun endlich alle verstanden! Die Vernunft ist geboren! Noch einmal verzichten auf das gemeinsame Feiern und Tanzen, noch einmal zur Impfung gehen, dann gibt es ein Licht der Hoffnung. Dann werden wir den Omikron besiegen und bald ohne Sorge zurückkehren können in unsere Heimatdörfer und Wohnsiedlungen. Wir werden Weihnachten feiern können mit unseren Familien, wir werden singen und tanzen und lachen können und Kraft sammeln und nicht nur Überstunden!“

Dann aber wurde ihnen bewusst, dass sie geträumt hatten, und dass die Engel längst verschwunden waren. Da sagten die Pflegenden zur Ärzteschar: „Kommt, wir gehen durch unsere Gänge und suchen die Mutter und das Kind der Vernunft, das uns geboren wurde!“ Schnell brachen sie auf und fanden Maria, das Kind und auch Josef, der auf einem harten Stuhl neben dem Bette saß und bei seiner kleinen Familie wachte. Als sie es gesehen hatten, erzählten sie, was ihnen im Traum über dieses Kind gesagt worden war. Alle, mit denen sie sprachen, wunderten sich sehr über das, was sie da berichteten. Maria aber bewahrte das Gehörte in ihrem Herzen und dachte immer wieder darüber nach.

Bald gingen die Pfleger und Ärztinnen wieder zu ihren Patienten zurück. Sie waren jetzt voller Hoffnung, die auch trotz ihrer schweren Belastungen nicht schwinden wollte. Zwar zwang der Omikron viele neue Hilfsbedürftige zu ihnen in das Krankenhaus, ohne Unterlass und mehr denn je. Aber immer wieder erzählten sie von ihrem Traum, von den Engeln und davon, dass sie die junge Familie der Vernunft tatsächlich bei ihnen auf dem Krankenhausflur getroffen hatten – ganz so, wie die Engel es vorausgesagt hatten.

Als das Kind acht Tage später beim Standesamt angemeldet wurde, gaben Maria und Josef ihm den Namen „Ratio“, ganz so, wie es die Engel vorhergesagt hatten.

Damals lebte ein im ganzen Land als gerecht und gottesfürchtig geachteter Mann namens Karl. Er wartete schon lange auf die Ankunft der Vernunft, die dem Land endlich Trost und Rettung in diesen Zeiten des Omikron bringen würde. Der hohe Geist des Wissens ruhte auf ihm, aber auch die schwere Last der Verantwortung. Als Karl von Ratios Geburt erfuhr, war er glücklich und besuchte die junge Familie. Danach sagte er: „Mit meinen eigenen Augen habe ich die Vernunft gesehen, die uns herausführen wird aus der Seuche. Die Vernunft ist ein Licht, das die Nationen erleuchten und mein Volk zu Ehren bringen wird, auch wenn sich viele gegen sie auflehnen werden.“

Als Ratio zwölf Jahre alt war, war der Omikron längst vom Volke gewichen. So reisten seine Eltern mit ihm zu den Großeltern und feierten dort ein großes sorgloses Weihnachtsfest, wie es der Sitte entsprach. Viele Freunde und Verwandte waren gekommen, und alle saßen auf engem Raum zusammen, sangen, tanzten und lachten.

Als das Fest zu Ende ging, vermissten Maria und Josef ihren Sohn. Voller Sorge suchten sie ihn im ganzen Haus. Endlich entdeckten sie ihn allein bei den Büchern seiner Großeltern. „Kind“, sagte seine Mutter zu ihm, „wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich verzweifelt gesucht.“ „Warum habt ihr mich denn gesucht?“, erwiderte Ratio. „Wusstet Ihr nicht, dass ich am Ort des Wissens sein muss?“

Ratio wuchs zu einem jungen Mann heran. Er wurde Wissenschaftler. Er forschte und publizierte, war vielen Kämpfen und immer wieder großem Streit ausgesetzt. Sein Platz war immer dort, wo es galt, der Vernunft Geltung zu verschaffen.

 

Vielleicht hat dieser Text Sie neugierig gemacht auf die echte Weihnachtsgeschichte der Bibel. Hier zum Nachlesen: https://www.bibel-online.net/buch/neue_evangelistische/lukas/2/#1

Weitere Texte aus meinem Blog als #Politikflaneur finden Sie hier. Ich wünsche: Frohe Weihnachten!

Geschichte vom Pferd (10. Dezember 2021)

Wie das Schöne politisch wird – eine Stuttgart-Erfahrung

Ein stolzes Kunstwerk: Das Bronzepferd von Fritz von Graevenitz von 1939 zur Eröffnung der „Reichsgartenschau“ auf dem Killesberg.

Ein Pferd sollte her! Wir befinden uns in Stuttgart, das ein Pferd in seinem Wappen führt, weil sein Name sich von einem Garten für Stuten ableitet. Ein stolzes Pferd sollte es also sein!

So oder so ähnlich mögen die Verantwortlichen der ersten Gartenschau am Neckar sich das gedacht haben. Eine „Reichsgartenschau“ sollte 1939 eröffnet werden, und so wurde der Auftrag erteilt, den schönen Park über der Stadt nicht nur mit Hakenkreuz-Flaggen, sondern auch mit einem Denkmal-Pferd zu schmücken.

Ein trauriger Torso: Graevenitz´ Pferd aus Muschelkalk am Eingang des Höhenparks Killesberg

Wer heute den Schauplatz betritt, der noch immer ein schöner Park ist, muss genau hinsehen, wenn er am Eingang noch ein Pferd erkennen möchte. Ein steinerner Torso fristet dort sein trauriges Dasein, angenagt von Wetter und Zeit. Sollte das hier das stolze Pferd von Stuttgart sein? Man kann es kaum glauben. Und es ist auch das falsche Pferd, zwar drei Jahre früher entstanden, aber erst seit den 70er Jahren hier aufgestellt.

Also ein paar Schritte den Hang aufwärts, hinein in den Park! Dort oben blinkt und lockt es schon im Sonnenlicht, das stolze Pferd von 1939, diesmal ein schmucker Bronzeguss. Dieses Pferd ist zeitlose Kunst, eine Pracht von Kraft und Energie, erstarrt in seiner aufstrebenden Bewegung. Eine Verbeugung vor der Schöpfung, die es vermocht hatte, ein solches schönes Geschöpf entstehen zu lassen.

Die beiden Pferde, der steinerne Torso wie auch das schöne aus Bronze (genauer gesagt: ein Nachguss von 1955) sind zu besichtigen im Höhenpark Killesberg in Stuttgart. Kaum jemand achtet heute auf das verschlissene Steinpferd am Eingang, aber fast jede und jeder Stuttgarter/in kennt den Pferderücken aus Bronze. Keine Kindheit in dieser Stadt, während der man nicht den in luftiger Höhe über der Stadt liegenden Park besucht hätte, seine Spielplätze, die kleine Kirmes, den Aussichtsturm, das Höhencafé, das sommerliche Lichterfest.

Das Bronze-Pferd steht dort mittendrin an zentraler Stelle. Abertausende Stuttgarter Kindesbeine haben schon seinen glattpoliert glänzenden Rücken erstiegen, haben des Hals dieses starren, stolzen Geschöpfs umarmt. „Das größte Glück der Erde …“ – für manches Kind lag es auf diesem Rücken.

Ein Museum, …

Geschaffen hat beide Pferde der Stuttgarter Bildhauer Fritz von Graevenitz, der von 1892 bis 1959 lebte, hochgeachtet als Künstler und bis 1945 Leiter der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Graevenitz entstammte altem württembergischem Militäradel, erlitt schwer Verwundungen im ersten Weltkrieg, aus dem seine beiden Brüder nicht zurückkehrten. Fritz von Graevenitz wusste wohl aus eigenem schmerzhaftem Erleben, was Krieg bedeutet, und vielleicht auch deshalb konzentrierte sich ein großer Teil seines Schaffens ganz politikfern auf die künstlerische Darstellung von Tieren.

Aber leider auch auf Portraitbüsten.

Denn Fritz von Graevenitz erfuhr nicht die Gnade der späten Geburt (wie Helmut Kohl über sich sagte), sondern musste während des Nationalsozialismus leben. Wer hinaufsteigt am Nordwestrand von Stuttgart auf die „Solitude“, das Lustschloss württembergischer Herzöge, kann dort sonntags ein kleines Museum besichtigen, das sich Graevenitz widmet. Viele Tiere in Bild und Skulptur sind dort zu sehen, und auch Portraitbüsten – Darstellungen seiner Frau, seiner vier Töchter in unterschiedlichen Altersstufen, ein frühes Portrait seines Neffen Richard von Weizsäcker.

… das Wichtiges verschweigt

Und – politisch besonders erläutert – die Büste von Rudi Daur, einem evangelisch-pietistisch orientierten Pfarrer, der sich nach dem ersten Weltkrieg für eine Überwindung des Militarismus eingesetzt hatte. Das Vorhandensein dieser Erläuterung ist von Bedeutung, weil sie bewusst ablenkt von dem, was dezidiert nicht zu sehen ist und auch mit keinem Wort erwähnt wird. Fritz von Graevenitz fertigte im Jahr 1935 eine Portraitbüste von Adolf Hitler, die vielmals kopiert im ganzen deutschen Reich zu sehen war.

Schmucker Bau, fragwürdiger Inhalt: Das Graevenitz-Museum bei der der Stuttgarter Solitude.

Im Stuttgarter Graevenitz-Museum aber ist die Zeit stehen geblieben in den 60er Jahren unserer Republik. Hier wird einmal tatsächlich eine sprichwörtliche „Geschichte vom Pferd“ erzählt. Nicht nur, weil sich auch hier mehrere Studien und Gemälde von Pferden finden, sondern weil es keinen Hinweis auf die Rolle des Künstlers im sog. „Dritten Reich“ gibt. Der Kunstfreund, der sich hierhin verirrt, wird im Unklaren gelassen über fragwürdige Aufträge der Nationalsozialisten und verfehlte kulturpolitische Einordnungen, die Graevenitz als Direktor der Stuttgarter Kunstakademie kriegskonformistisch verlauten ließ. Künstlerische Irrtümer und politische Fehltritte waren das. Es steht nicht an, über diese zu richten. Aber ihr Verschweigen durch die Nachkommen darf man als Skandal empfinden.

Trägt das Pferd eine vergiftete Ladung in sich?

Was ein Museumsbesuch bewirken kann! Auch der Blick auf das stolze Bronzepferd von 1939 wandelt sich. Was für eine prachtvolle Darstellung kräftiger Muskelpartien, kein Gramm Fett, keine Spur Dekadenz ist an diesem Tier! Sind wirklich alle Pferde so makellos? War da ein vom Hitlerwahn verblendeter Künstler ästhetisch verliebt in Stärke und Energie, in rassisch überlegene Vitalität, in kriegerischen Durchsetzungswillen, wenige Wochen vor dem deutschen Überfall auf Polen? Trägt das Bronzepferd vom Killesberg ganz nach seinem sagenhaften Vorbild aus Troja eine vergiftete Ladung, eine mörderische List, in sich?

Fritz von Graevenitz musste auch gewusst, vielleicht sogar gebilligt haben, dass jüdische Mitbürger erniedrigt und durch Stuttgarts Straßen getrieben wurden, seine jüdischen Akademiekollegen verfolgt, ihre Synagogen verbrannt waren – während er an ästhetischen Details dieses schönen Pferdes feilte. Während die Stuttgarter am Pferd vorbei durch den Höhenpark flanierten, stand nur wenige Meter entfernt von seinem luftigen Hufschlag jene Halle, in der sich ab Dezember 1941 die geächtet Todgeweihten der Stadt zur Deportation in den Tod einzufinden hatten.

Vom Killesberg ging der Weg der Todgeweihten hierhin: Startpunkt der Deportationszüge ab 1941 war der Innere Nordbahnhof. heute erinnert daran eine Gedenkstätte.

Beladen mit solchen Fragen könnte der Betrachter von heute wieder hinausschreiten aus dem Park, ein paar tausend Schritte hinüber zum Nordbahnhof, wo eine gut versteckt gelegene Gedenkstätte an den Startpunkt der Stuttgarter Deportationszüge in die Todeslager erinnert.

Ein trostloser Weg; immerhin, er führt wieder am steinernen Pferdetorso vorbei.  Sein Kalkstein war zu weich für Sturm und Regen und Sonne, zu anfällig für die Luftverschmutzung der modernen Zivilisation. Es ist ein Mahnmal der Vergänglichkeit, und als solches hat es auch etwas Tröstliches.

 

Über Fritz von Graevenitz kann man sich informieren auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_von_Graevenitz und – mit den genannten Einschränkungen – im Graevenitz-Museum bei der Solitude in Stuttgart: http://www.graevenitz-stiftung.de/home . Es gibt dazu auch einen kritischen Hörfunkbeitrag auf SWR 2: https://www.swr.de/swr2/kunst-und-ausstellung/das-stuttgarter-graevenitz-museum-die-luecke-ist-da-ein-bildhauer-und-seine-ns-vergangenheit-100.html

Ganz aktuell (8. Februar 2022): Die Stiftung Geißstraße in Stuttgart will sich in einem Projekt der kulturhistorischen Aufarbeitung des Werkes von Fritz von Graevenitz im Stadtraum von Stuttgart annehmen. Wer Interesse hat, dort mitzuwirken, kann sich bei der Stiftung melden.

Über Geschichte und heutige Gestaltung des Höhenparks Killesberg gibt es hier mehr zu lesen: https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6henpark_Killesberg

Die Gedenkstätte „Zeichen der Erinnerung“ im Inneren Nordbahnhof hat eine eigene, sehr informative Website: http://www.zeichen-der-erinnerung.org/

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Eine Jagd steht bevor (5. Dezember 2021)

Zum Amtsantritt von Annalena Baerbock – Ein Plädoyer für Respekt und Haltung

Die Welt und ihre Geschichte sind voller Frauen , denen man ihre Aufgabe nicht zugetraut hat.  Die wenigsten davon kennen wir. Einige schon: Clara Schumann war eine herausragende Pianistin, finanzierte mit ihren Auftritten die Existenz ihres berühmten Mannes, durfte aber nur heimlich eigene Werke schaffen, um seinen Ruf als Komponist nicht zu stören. Fanny Mendelssohn wurde von ihrem Vater daran gehindert, ihr musikalisches Talent auszuleben, weil sie das Strahlen ihres Bruders Felix am Musikhimmel nicht stören sollte.

Zu viel Musik? Die französische Nationalheldin Jeanne d´Arc musste zahllose entwürdigende Prüfungen über sich ergehen lassen, bevor sie sich gegen die Vorurteile „zu jung, eine Frau!“ durchsetzen konnte. Und auch Angela Merkel trauten viele die Aufgabe nicht zu, die sie jetzt nach 16 Jahren weltweit geachtet abgibt.

Nun blicken viele auf die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Und Skepsis ist schick, wenn der Blätterwald rauscht und die hinter anonymer Feigheit verborgenen Trolle ätzen. Ob sie das wohl schaffen wird?, wird geraunt. Auf Augenhöhe mit den Alphas dieser Welt? Ob ihre Stimme dafür nicht zu wackelig ist, um Sergej Lawrow die Menschenrechte zu erklären? Sie hat doch schon Fehler gemacht! Ob nicht der erfahrene Cem Özdemir geeigneter gewesen wäre?

Der Blätterwald rauscht, das Netz ätzt

Annalena Baerbock, damals noch Kanzlerkandidatin der Grünen, bei einer Veranstaltung in Stuttgart am 21. September 2021

Dies hier ist ein Appell an politische Kultur: Die bewusst-demokratisch denkende, große Mehrheit der Deutschen, egal ob Mann oder Frau, könnte sich in diesen Tagen auf Selbstdisziplin besinnen. Es geht darum, klug zu wägen, was wir sagen über Annalena Baerbock. Und zwar unabhängig davon, ob man grün gewählt hat oder nicht, unabhängig davon, ob man die ehemalige Kanzlerkandidatin persönlich schätzt oder nicht, ob man ihr Fehler verziehen hat oder nicht.

„Öffentliche Meinung“ kann Menschen vernichten

Jetzt ist Respekt und Haltung gefordert. Respekt vor einer Persönlichkeit, die einer neuen Generation von Politik angehört, die einen demokratischen Weg gegangen ist, der sie in dieses Amt geführt hat. Respekt vor dem Willen, fordernde Verantwortung zu übernehmen. Und auch eine Haltung gegenüber der lauernden Meute, die jetzt jedes Wort, jede Geste, jeden Gesichtsausdruck unter die Lupe nehmen, gnadenlos kommentieren, respektlos ausschlachten wird. Das desaströse Klima einer „öffentlichen Meinung“, das die Kandidatur von Armin Laschet jenseits aller sachlichen Argumente mit wenigen Bildern und einer Flut von Häme zerstört hat, kann da als Beispiel gelten. Die mitleidigen Töne wenige Tage nach der Bundestagswahl, in denen manche der gerade noch Zynischen einräumten, dass der „Armin manchmal vielleicht etwas ungerecht behandelt wurde“, machen den vor Respektlosigkeit triefenden Vorgang davor um keinen Deut besser.

Gleiches droht in den nächsten Wochen und Monaten Annalena Baerbock. Auch der neue Kanzler und allen anderen neuen Ministerinnen und Ministern werden Häme und Herabsetzung erleben. Aber kaum jemand (vielleicht nur noch der neue Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der öffentlich so hochgelobt nun besonders vor der Gefahr des tiefen Sturzes steht) wird von der Meute so kritisch beobachtet, so messerscharf beurteilt werden, wie die ehemalige, schon damals strauchelnde Kanzlerkandidatin und jetzt neue Außenministerin. Es ist eine Jagd, die uns bevorsteht. Und jede/r einzelne von uns steht jeden Tag neu in jedem Mittagsgespräch, jedem Facebook-Post, jedem Tweet vor der Frage, ob sie oder er sich an der Jagd beteiligen will.

Welpenschutz? Nein. Darf man lernen? Ja.

Sollte die neue deutsche Außenministerin also unter Welpenschutz stehen? Nein. Muss sie sich messen lassen an dem, was sie tut, sagt, verantwortet? Ja, aber auch nur daran. Muss alles, was sie früher gesagt hat, sich jetzt in konkreter Politik wiederfinden? Nein, weil das neue Amt andere Anforderungen hat als frühere Funktionen in einer Partei. Und weil man lernen darf, auch in höchsten Staatsämtern.

Die Welt ist voller Frauen, denen man ihre Aufgabe nicht zugetraut hat. Und voller Männer, die trotz tausend Fehlern in ihren Ämtern verblieben sind. Auch Frauen in Verantwortung scheitern an eigenen Fehlern. Zusätzlich prallen sie gegen eine Mauer von Vorurteilen und Chauvinismus. Wir sind es, die diese Mauer bauen.

Oder wir belassen es einfach dabei, Politik zu beurteilen, zu diskutieren, zu kritisieren, ohne dabei Menschen zu vernichten.

 

 

Weitere Beiträge als #Politikflaneur finden Sie hier.

Über das Schicksal von Fanny Mendelssohn und welche Bedeutung Väter für die freie Entwicklung ihrer Töchter haben, habe ich auch als #BerlinerFlaneur einige Überlegungen niedergeschrieben.

 

 

 

Ein Booster mit fünf Buchstaben (18. November 2021)

Misstrauen mit 7 Buchstaben? Booster mit 5 Buchstaben?

Da sitzt er, der selten gewordene Freund des Kreuzworträtsels, und grübelt: „Misstrauen, Verdacht“ mit sieben Buchstaben? Heute kann man alles googeln, weshalb der Zeitvertreib aus dem vor-digitalen Zeitalter kaum noch Konjunktur hat. Es geht um „Argwohn“. Des Rätsels Lösung ist also schnell gefunden. Auch in unserer Gesellschaft müssen wir ihn nicht mehr suchen.

Es macht sich Argwohn breit im ganzen Land

Überbordender Argwohn ist täglicher Begleiter unseres pandemischen Lebens geworden, es macht sich Argwohn breit im ganzen Land. Wir misstrauen unserem Sitznachbarn in der Bahn, im Kino, im Restaurant. Wir misstrauen ihm, wenn er keine Maske trägt, oder wenn sie nicht richtig sitzt. Wir verdächtigen diejenigen, die keinen Impfnachweis haben, und wir beginnen, sogar dem Impfnachweis selbst zu misstrauen, weil wir davon lesen, dass der Impfschutz nachlässt. Wir hören, dass es Fälle gibt, in denen der Impfnachweis gefälscht wurde.

Wir begegnen den müden Männern aus Osteuropa mit Argwohn, wenn sie nach Feierabend verstaubt und farbbekleckert von unseren Baustellen kommen als abstandslose Gruppe hinter uns in der Schlange am Supermarkt stehen. Hatten wir nicht gelesen von den niedrigen Impfquoten in ihrer Heimat, von der Ansteckungsgefahr in billigen Sammelunterkünften? Argwöhnisch halten wir die Luft an, wenn sich in den engen Regalgassen des Supermarktes der Obdachlose auf dem Weg zum Flaschenautomaten an uns vorbeischiebt. Ja, es macht sich Argwohn breit in unserem Land.

Die Plage des Misstrauens wächst in der Kälte

Und die Plage des Misstrauens wächst, je kälter es wird. Die sommerliche Wärme hat uns eingelullt in einer Wolke freundlichen Vertrauens, nicht nur wegen der niedrigen Inzidenz-Zahlen. Sondern auch weil draußen Platz war für das selbst gewählte Maß an Wohlfühl-Distanz, weil Wind und Sonne unsere Sinne lüfteten. Aber jetzt ist es dunkel, und drinnen regiert der Argwohn.

Dabei wissen wir es doch: Fehlendes Vertrauen ist die Quelle vielen Unglücks. Tausende Romane und zahllose Bühnenstücke basieren in ihren Erzählungen auf dem Argwohn. Falscher Verdacht beschuldigt zu Unrecht, vergiftet unser Miteinander, seinetwegen wurden Kriege angezettelt und Menschen vernichtet. Argwohn sickert wie Gift in unsere Seele, macht uns hart, abweisend und ungerecht.

Der Argwohn hat einen Zwilling

Des Argwohns Zwilling ist die naive Gutgläubigkeit. Sie lullt uns ein in das süße Gefühl, dass schon alles gut werden kann, auch wenn wir uns nicht anstrengen. Wie der Argwohn uns verfinstert im Gemüt, so trübt uns die Gutgläubigkeit den Blick, raubt uns unsere Scharfsichtigkeit. Es ist naiv, eine offenkundige Gefahr nicht sehen zu wollen, anstatt ihr entgegenzutreten. Es ist kein Argwohn, sondern vorausschauende Klugheit, dem Räuber ein einbruchssicheres Schloss entgegenzusetzen.

Im Jahr 2015 wurde das Wort „Gutmensch“ zum „Unwort des Jahres“ gekürt, da es zu Unrecht diejenigen in ein schlechtes Licht rückt, die mit hoffnungsfroh-positivem Blick auf unser Zusammenleben blicken. Mit dem Schimpfwort „Gutmenschen“, so die Jury, würden „Toleranz und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv, dumm und weltfremd, als Helfersyndrom oder moralischer Imperialismus diffamiert.“ Wer sich für das Gute in der Gesellschaft engagiert, muss eben nicht immer naiv und gutgläubig sein.

Die Dreifach-Impfung gegen den Argwohn

Erste Dosis: Zuhören. Wir wissen Vieles von unserer Welt, wenn wir Experten und Wissenschaftlern im gegenseitigen kritischen Diskurs einfach einmal zuhören. Aktives Zuhören, kritisches Nachfragen, Bereitschaft, sich überzeugen zu lassen – sie bilden die Basis unseres gesellschaftlichen Immunsystems. Wir können es stärken. Einfach mal zuhören!

Zweite Dosis: Solidarität. Sie ordnet unser Denken und unser Zusammenleben, und sie schützt uns vor naiver Gutgläubigkeit. Solidarität weitet unseren Blick darauf, was dem anderen zusteht, nicht nur einem selbst. Solidarität braucht auch einen gesunden Schuss Argwohn. Denn niemand, der Solidarität erfährt, kann aus der Verantwortung entlassen werden, nach seinen Kräften sich selbst zu helfen.

Und schließlich der Booster mit fünf Buchstaben: Demut. Demut macht uns bewusst, dass wir nicht alles wissen, und dass wir jederzeit irren können. Demut macht den Argwöhnischen tolerant und den Naiven vorsichtig. Das macht beide reicher.

 

Mit der Pandemie-Politik in Deutschland habe ich mich in einem weiteren Text als #Politikflaneur auseinandergesetzt: Von Macht und Machthabern

 

Von Macht und Machthabern (11. November 2021)

Die Bilder von der Grenze zwischen Belarus und Polen sind unerträglich. In Eiseskälte campieren Menschen auf dem Weg in die EU. Vor ihnen patrouillieren polnische Grenzsoldaten, die sie mit Stacheldraht und Waffengewalt genau davon abhalten. Hinter ihnen stehen ebenfalls Bewaffnete: Milizionäre aus Belarus, die sie hindern, umzukehren. Glaubt man dem, was dazu in unseren Medien berichtet wird, so sind diese Menschen zumindest zum Teil gezielt aus den desaströsen Verhältnissen ihrer Heimat, aus dem Irak oder Syrien, dorthin gelockt worden. Vom Regen in die Traufe? Das wäre eine zynische Untertreibung.

Ein „Machthaber“ handelt skrupellos …

Verantwortlich dafür sei der „Machthaber“ von Belarus, Alexander Lukaschenko, berichten die Medien. Er verleite Menschen, die in die EU einreisen wollen, gezielt dazu, dies an der Grenze seines Landes zu Polen zu versuchen. Angeblich holt er sie mit Hilfe Russlands und der Türkei sogar gezielt zu diesem Zweck in sein Land. Es sollen genau die Bilder des Grauens produziert werden, die uns jetzt quälen. Er will damit erreichen, dass europäische Sanktionen gegen sein Land zurückgenommen werden, seine Partner wollen Europa destabilisieren. Das Kalkül: Die Gutmenschen im satten Westeuropa werden es nicht aushalten, Menschen vor ihrer Eingangstür erfrieren zu lassen. Sie werden es nicht zulassen, dass ganze Familien sterben, wenn polnische Grenzsoldaten mit Waffengewalt das verteidigen, was wir „europäische Außengrenze“ nennen.

Und auch diese Bilder sind unerträglich: Am Rande der Erschöpfung kämpfen Intensivmediziner und -pflegende um das Leben von Menschen, die sich geweigert haben, die notwendige Vorsorge zu treffen. Obwohl sie es besser hätten wissen können. Obwohl die Impfung kostenlos und massenhaft angeboten wurde. Jetzt verstopfen sie die Betten für Menschen, die auf eine Krebsoperation oder das Einsetzen eines lebenssichernden Stents länger als eigentlich nötig und medizinisch geboten warten müssen. Gegen den Krebs oder den möglichen Herzinfarkt gibt es keine Impfung, gegen das Schicksal dieser Betroffenen keine Chance. Unsolidarische verstopfen den Weg zur Versorgung von Unschuldigen.

… und andere Machthaber zögern

Das Reichstagsgebäude in Berlin im herbstlichen Abendlicht.

Auch in diesem Drama fehlt es nicht an „Machthabern“, die daran etwas verändern könnten. Wir haben in Deutschland eine geschäftsführende Regierung, die umfassend handlungsfähig ist und auch verpflichtet, zu handeln. Wir haben amtierende Ministerpräsidenten. Sie alle sollte angesichts rapide steigender Infektionszahlen Macht ausüben, die ihr demokratisch zugeteilt wurde. Und wir leisten uns noch dazu den Luxus einer neuen, gerade legitimierten parlamentarischen Mehrheit. Auch sie könnte im Parlament Macht ausüben, wenn sie nicht abgelenkt wäre davon, sich mit anderen wichtigen Fragen zu beschäftigen. Die Ampel-Koalitionäre sind Machthaber im selbst auferlegten Wartestand. Kein Wort vom baldigen Kanzler, unentschlossene Konzepte der neuen „Machthaber“, die noch nicht „fertig“ damit sind, die Macht auch wirklich ausüben zu wollen, die ihnen die Wähler verliehen hat.

Vorsicht mit Begriffen! Wer ist ein „Machthaber“?

In beiden Geschichten sind nicht vergleichbar. Und doch wird in beiden der Begriff „Machthaber“ verwendet. Er geistert derzeit täglich durch deutsche Medien, wenn man den so Bezeichneten nicht anders einordnen kann oder möchte. In der Tatenlosigkeit deutscher Politik gegenüber wieder rapide steigenden Infektionszahlen zeigt sich, dass „Machthaber“ eine neutrale Bezeichnung sein könnte für diejenigen, welche die Macht ausüben. Wir haben in Deutschland nach unserer Verfassung hauptsächlich einen Machthaber: die oder der Bundeskanzler/in. „Machthaberin Merkel“ würde aber (außerhalb einzelner Pegida-Verwirrter) ernsthaft kein Mensch sagen. Auch den französischen oder amerikanischen Präsidenten würden wir niemals als „Machthaber“ bezeichnen, obwohl es beide noch viel umfassender sind als ein deutscher Kanzler. Sogar der mit fragwürdigen Methoden regierende russische Präsident Putin wird meist respektvoll als „Präsident“ bezeichnet.

Einen „Machthaber“ macht nach unserem Verständnis aus, dass ein Mächtiger (ja, in der Regel ist es ein Mann) seine Macht missbräuchlich nutzt. Ein „Machthaber“ vertritt die böse Seite der Macht. An der Grenze zu Belarus zeigt sich, dass der Begriff „Machthaber“ eine Verharmlosung ist. Wer ohne demokratische Kontrolle rücksichtslos Macht ausübt, wer mit Gewalt und Einschüchterung verhindert, dass er abgewählt werden kann, wer Hilflose oder Naive als menschliche Munition missbraucht und sie bewusst in ihr möglicherweise tödliches Unglück treibt, ist ein Tyrann, ein Diktator, vielleicht sogar ein Verbrecher.

Auch Macht-Unlust verursacht Schäden

Auch das Nichtausüben von Macht ist fragwürdig, zumal dann, wenn sie demokratisch legitimiert ist. Was ist das für ein Geeiere zwischen 2G und 3G, zwischen Impf- und Maskenpflichten, zwischen Festen und Testen! Es fehlt an entschlossener Machtausübung in unserem Land, das noch dazu geadelt ist von hoher politischer Kultur, in der eine große Mehrheit der Gesellschaft den Konsens sucht. Was wir erleben, ist Machtunlust der Machthaber zum Schaden unser aller Gesundheit.

Was also folgt daraus? Deutsche Medien sollten einen gewalttätigen, menschenverachtenden Diktator nicht als „Machthaber“ verniedlichen, sondern als solchen bezeichnen. Und eine Gesellschaft, die gewählt hat, hat Anspruch auf Machtausübung. Das gilt erst recht, wenn die Sorge um die Gesundheit keinen Aufschub des Tätigwerdens duldet. Demokratisch legitimierte „Machthaber“, die ihre Macht nicht ausüben, weil sie gerade anderweitig beschäftigt sind, versündigen sich an ihrem Auftrag.

Ein kluger Essay zum Thema Machtausübung in der Pandemie von Nils Minkmar in der Süddeutschen Zeitung (hinter der Bezahlschranke, aber lohnt sich!):  https://www.sueddeutsche.de/kultur/corona-politik-deutschland-bundesregierung-zaudern-1.5460138?reduced=true

Das perfide Kalkül, dem die Flüchtenden derzeit an den Westgrenzen von Belarus ausgesetzt sind, schildert sehr anschaulich der SZ-Podcast zu diesem Thema „Auf den Punkt“: https://www.sueddeutsche.de/politik/podcast-nachrichten-gefluechtete-in-belarus-lukaschenkos-kalkuel-1.5459637

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Von Konstanz nach Glasgow (4. November 2021)

Wahrscheinlich war der 11. November 1417 ein grauer Tag, nebelig vielleicht, der Dunst stieg auf vom See. Wenig ist heute so wie damals (aber um das Wenige wird es in diesem Text gehen). Das herbstliche Bodensee-Wetter könnte im Vergleich zu allem anderen, und trotz Klimawandel, eine Konstante geblieben sein.

Das Konzilgebäude von Konstanz ist der einzige Ort in Deutschland, in dem ein Papst gewählt wurde – vor mehr als 600 Jahren. Und es steht noch heute.
Die „Imperia“ an der Hafeneinfahrt gegenüber dem Konzilgebäude mahnt an den Sittenverfall während des Konzils (und davor und danach).

Also nehmen wir an, dass es vor 604 Jahren grau-dunstig gewesen ist in Konstanz am Bodensee. Aber niemand achtete auf das Wetter. Alle strömten zu den Straßen, suchten einen Blick zu erhaschen auf den festlichen Zug, der aus dem wuchtigen Walmdachbau am Seeufer herausquoll und sich über das nassgraue Pflaster wälzte. In edlem Brokat gekleidete Kardinäle, Edelmänner, hochdekorierte Beamte folgten gemessenen Schrittes einem Papst, der eben neu gewählt worden war. Martin V. führte den feierlichen Tross an, der hinüberzog zum Konstanzer Münster. Dort hatte das Konzil nun schon mehr als drei Jahre getagt. Ein Riesenaufwand, zigtausende Fremde waren in diese Stadt eingefallen, die selbst nur ein paar tausend Einwohner hatte. Die vielen Gäste hatten deren Alltag durcheinandergebracht, hatten gewohnt, gezecht, gehurt, gestritten, Geld ausgegeben und Schulden gemacht.

Nun kam das Spektakel zu einem Ende, denn jetzt war es vollbracht: Habemus papam! Von diesem Tag an gab es wieder nur noch einen Papst der katholischen Kirche, nicht mehr drei, wie zuvor. Mit Martin V., dem einzigen auf deutschem Boden gewählten Papst, konnte die katholische Kirche des Mittelalters ihr „abendländisches Schisma“ überwinden.

Heute spielt im Konzil das Sinfonieorchester

Die Orte dieses Geschehens sind bis heute zu besichtigen. Das Münster dominiert das Konstanzer Stadtbild, und auch der Ort der Papstwahl, das „Konzil“ direkt neben dem Bahnhof von Konstanz, steht bis heute. Ursprünglich war es ein mittelalterliches Warenhaus, und die Ehre, zum Ort einer Papstwahl zu werden, wurde ihm aufgrund seiner Größe und gut abgrenzbaren Lage zuteil.

Die schönste Art, den Geist dieses Ortes auf sich heute wirken zu lassen, ist vielleicht ein Konzert der Südwestdeutschen Philharmonie, die regelhaft im „Konzil“ musiziert. Also Applaus! Was für ein wunderbarer Ort, um zur Musik die Gedanken schweifen zu lassen…

Warum also heute diese Geschichte erzählen? Weil die Papstwahl von Konstanz uns lehrt, wie Pragmatismus und Realpolitik funktionieren. Und weil das viel mit dem Ringen der Mächtigen zu tun hat, die derzeit in Glasgow um eine Eindämmung der Klimakatastrophe streiten. Die Ausgangslage damals war so aussichtslos verworren wie heute. Seit fast vierzig Jahren gab es drei konkurrierende Päpste in der damals bekannten (also europäischen) Welt. Der Zustand war untragbar, denn der unselige Streit um Macht und Pfründe war für das Volk der Gläubigen vor allem Ausdruck für eine vollkommene Verrottung der kirchlichen Moral. Der deutsche König Sigismund, dessen Machtstellung sich ebenfalls von „Gottes Gnaden“ ableitete, wollte sich damit nicht abfinden. Was er einleitete und zum Abschluss brachte, war ein Musterbeispiel für einen realpolitischen Prozess.

Am Anfang steht der kleine gemeinsame Nenner

So gedacht, war das Konstanzer Konzil der Weltklimakonferenz nicht unähnlich: Am Anfang steht als kleinster gemeinsamer Nenner, dass man sich trotz scheinbar unüberbrückbarer Gegensätze wenigstens trifft. Das Konzil dauerte vier Jahre, in endlosen Sitzungen rangen Adlige und Kardinäle und ihre Politiker um jeden Millimeter der Annäherung. Es mussten scheinheilige Reden und hohle Ankündigungen ertragen werden, Kompromisse und Gegengeschäfte gemacht werden. Man musste lernen zuzuhören, zu geben und zu nehmen, aber nach Jahren stand immerhin ein Teilerfolg: Zwei der konkurrierenden Päpste waren mehr oder weniger freiwillig abgedankt, um die Wahl eines gemeinsamen Nachfolgers zu ermöglichen. Der dritte war politisch isoliert und wurde in Abwesenheit abgesetzt.

Für dieses Ergebnis musste ein Preis entrichtet werden. Die Mehrheit konservativer Kleriker setzte durch, dass auf grundlegende Reformen in der Kirche verzichtet wurde. Das sollte sich hundert Jahre später in der von Martin Luther losgetretenen Reformationsbewegung aus katholischer Sicht bitter rächen. Und doch hätte Luther vielleicht nicht erfolgreich wirken können, hätten nicht Jan Hus und Hieronymus von Prag schon in Konstanz gegen Pomp und Luxus in der Kirche gepredigt, dafür mit ihrem Leben bezahlt, und doch ihm damit den Weg bereitet.

Wir werden mit Glasgow nicht zufrieden sein können

Vor dem Eingang zum Konstanzer Münster steht ein Protestcamp der Klimabewegung.

Greta Thunberg ist nicht Jan Hus, und diese junge Frau und andere Aktivisten der Klimabewegung müssen (jedenfalls außerhalb mancher „sozialen“ Medien) in Europa keine Hinrichtung wegen Ketzertums mehr fürchten. Sie haben Recht, wenn sie realpolitischen Pragmatismus der heute Mächtigen als unzureichend anprangern. Aber sie erhalten nicht Recht, denn unüberbrückbar sind die Differenzen zwischen den reichen und den armen Ländern, zwischen Ignoranten und Idealisten, zwischen satten, hochgelegenen und armen, von Überflutung bedrohten Regionen.

Also werden wir nach Glasgow nicht zufrieden sein können, so wie die Kirche nach dem Konzil von Konstanz nicht ausreichend reformiert war. Wir werden Kompromisse hinnehmen müssen, und dafür Preise zahlen. Wie einst die selbstverliebten Kardinäle in Konstanz, verschließen auch wir die Augen vor den Folgen unserer Beharrung. Wie sie wollen wir unseren Glauben nicht verändern, unseren Glauben an ewiges Wachstum und unantastbaren Wohlstand. Das wird sich rächen.

Das Konstanzer Symphonieorchester steuert dem Ende des Konzertes zu, fiedelt und trötet sich souverän durch den letzten Takte machtvoller Musik. Für satte Akustik sorgen jene mächtigen hölzernen Balken, die gleichen stammdicken Säulen, die schon die Papstwahl bezeugt haben. In 600 Jahren haben sie schon viele Töne gehört, ehrliche und falsche, schrille und harmonische. Sie haben die Lügen der Kardinäle gehört, die falschen Schwüre, die unerfüllten Appelle. Sie haben alle Katastrophen überlebt, die über Konstanz schon hereingebrochen waren, die Hochwasser, die Brände, Kriege, Bombardierungen, auch die Verwüstungen der Moderne.

Diese Zeugen aus Holz wissen es längst: Wenn der letzte Ton dieser Musik verklungen ist, klatscht und pfeift und johlt das Publikum. Und dann wird ein neues Konzert folgen.

 

Nähere Informationen zum Konzil von Konstanz bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Konzil_von_Konstanz

 

Das Konzertprogramm und weitere Informationen über die Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz findet sich auf deren Website: https://www.philharmonie-konstanz.de/

 

Das Münster von Konstanz, in dem das Konzil (außer bei der Papstwahl) tagte, ist auch in meiner Sammlung #1000Kirchen zu finden, hier

Die Konzil-iante (#0023)

Münster Unserer lieben Frau, Münsterplatz 1, 78462 Konstanz

Mein Besuch am 26. Oktober 2021

Die gotische Kirchendecke passt nicht recht zu den wuchtigen romanischen Säulen, genauso wenig wie die Kanzel aus dem Barock. Mehr als 1000 Jahre Baugeschichte mischen sich im Münster von Konstanz.

Wer „konziliant“ ist, der sucht das Verbindende, das Versöhnliche. Das Münster von Konstanz hätte  genau ein solcher Ort sein können. Über vier Jahre suchte man in diesem mächtigen Bau zwischen wuchtigen romanischen Säulen nach Kompromissen. Leider nicht nur, denn engstirnige Kleriker sprachen dort auch todbringende Urteile gegen vermeintliche „Ketzer“. Von 1414 bis 1418 tagte hier das Konzil von Konstanz, das seinen Höhepunkt mit der einzigen Papstwahl auf deutschem Boden fand (siehe dazu auch meinen Text als #PolitikflaneurVon Konstanz nach Glasgow„).

Heute präsentiert sich dieser stark gegliederte Kirchenbau mit historischer Wucht über viele Epochen. Sein romanischer Kern ist eines der größten Kirchenbauten dieser Epoche in Süddeutschland. Der Eindruck ist aber stark geprägt durch zahlreiche Ein- und Anbauten in anderen Baustilen. Es gibt einen gotischen Kreuzweg, Seitenkapellen, eine mit viel Licht sehr stimmungsvoll inszenierte Krypta. Sie erinnert zusammen mit den schon erwähnten Säulen des Hauptschiffs an den romanischen Kern dieser Kirche.

Von 1260, aber Instagram-tauglich: Die heitere Überraschung aus der Frühgotik in den Darstellungen der Mauritiusrotunde.

Das Münster lädt ein zum Entdecken, hier ist man nicht in wenigen Augenblicken „fertig“. Jede Ecke, jeder Seitenaltar, jedes Relief birgt neue Geschichten. Mich hat am meisten beeindruckt die „Mauritiusrotunde“ mit einer geradezu unglaublich heiteren Darstellung der Weihnachtsgeschichte. Diese Figuren entstanden schon um 1260; sie grinsten also schon den Teilnehmern des Konzils entgegen und hätten das Potential gehabt, dem machtbesessenen Männerkampf eine Note heiterer, im wahrsten Sinne konzilianter, Selbstironie entgegenzusetzen.

Allein diese Figuren, aber auch die Kirche insgesamt, sind jedes Umwegs würdig!

 

Die Kirche ist sehr umfänglich beschrieben bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Konstanzer_M%C3%BCnster

 

Buchmesse: Drei Erkenntnisse

Nach links, und wieder zurück, nach links und wieder zurück, nach links … entspannt beobachten die rot gekleideten Damen am Einlass der Frankfurter Buchmesse den ausgedehnten Zickzack-Lauf des Besuchers durch den Warteparcours bis zur Ticketkontrolle. Ganz offensichtlich ist seine Kapazität überdimensioniert. Sechs Stunden später, 10.000 Schritte weiter, eine umfassende Ermüdung mehr in Kopf und Beinen: Hier die drei wichtigsten Erkenntnisse des Flaneurs aus der Büchershow:

Er gibt schon genügend Bücher!

Wer ist größer? Asterix und der Frankfurter Messeturm

Wer träumt nicht davon, einmal ein Buch zu schreiben und zu veröffentlichen? Eine wahrnehmbare Anzahl von Ständen auf der Buchmesse 2021 adressiert genau diesen Wunsch: Self-Publishing, Print on Demant, Autorenverlage („Manuskripte willkommen!“) – alles vorhanden. Offen bleibt, ob die Welt auf weitere Bücher wartet. Dem durchschnittlich leseinteressierten Buchmesse-Besucher schwirrt schon noch einer Stunde des Wandelns und Blätterns der Kopf ob der überbordenden Flut der vielen neuen Bücher. Kein Thema, kein Drama, keine Wichtigkeit und keine Belanglosigkeit, offenbar auch kaum eine Lebensgeschichte, die noch nicht erzählt worden wäre. Kein Mensch wartet auf noch ein Buch. Außer auf die eine Geschichte, das den Lesenden in den Strudel von Spannung und Neugierde und Sinnlichkeit hinabzieht, in den sie oder er immer schon hinabgezogen werden wollte. Außer von jener speziellen Lieblingsautorin, außer über den einen speziellen Prominenten, außer natürlich zu dem einen Thema, das nun gerade diesen einen Einzelnen bannt. Und so dreht sich das Rad der Neuerscheinungen doch immer weiter, immer weiter. Es rattert wie ein Hamsterrad. Wir Leser/innen, Autor/innen und die Verlage sind die Hamster, die das Rädchen des eitlen Wahnsinns mit Neugier, extrovertierter Mitteilungsfreunde und geweckten Bedürfnissen immer weiter schnurren lassen.

Achte auf das Licht!

Die Mehrklassengesellschaft zwischen selbstbewussten Großverlagen, die sich wort- und personalstark an repräsentativen Prachtständen präsentieren, und den vielen kleinen Verlagen, die sich an ihrem Norm-Minimalstand noch nicht einmal die Extra-Standbeleuchtung leisten wollen oder können, erinnert an Bertold Brecht: „Denn die einen sind im Dunkeln, und die anderen sind im Licht. Und man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.“  Die Scheinwerfer gleißen bei Rowohlt, Penguin, Hanser und Co, wo sich die Menschen Corona-vergessen abstandslos drängeln. An anderen sitzen von den Vortagen ermüdete Standbesetzungen, die ihrerseits erholungssuchend in Büchern blättern oder auf Handyschirmen scrollen, ganz so, als würden sie schon gar nicht mehr damit rechnen, dass sich da noch jemand für ihre im Halbdunkel präsentierte Druckware interessieren könnte. Wenn man nicht genau hinsieht, taumelt man von einem im Lichte zum nächsten. Die Digitalisierung als drohendes Raubtier im Nacken, werden große Verlage immer größer und vermarkten ihre Erfolgstitel weltweit, ohne auf lokale Lizenznehmer angewiesen zu sein. Gleichzeitig ducken sich die Kleinen der Branche in die noch nicht voll ausgeleuchteten Nischen, in denen sie sich ein Überleben erhoffen: Hier eine noch exotischere Story, dort ein noch anspruchsvoller künstlerisch gestalteter Foliant, und da die noch ausgefallenere Marktlücke („Krimi für die Badewanne – wasserfest!“). Übrigens fällt auch jener Stand eines rechtsradikalen Verlages, dessen Vorhandensein auf der Buchmesse viele politische Diskussionen auslöste, eher in die zweite Kategorie. Ganz bestimmt wäre man an ihm ohne Beachtung vorbeigeschlendert, hätte nicht lautstarker Protest gegen seine Präsenz dazu verleitet, sich mit Lupenblick auf die Suche nach dem Skandalstand zu machen. Brecht wusste noch nichts davon, dass Twitter-Getümmel und aufgeregte intellektuelle Diskussionen dazu führen können, dass manche im Dunkeln ganz besonders trefflich ausgeleuchtet werden.

Unbedingt S-Bahn fahren!

Für die Rückfahrt vom Bücherfest zurück ins normale Leben, sollte der Frankfurter Verkehrsverbund einen Extra-Erkenntnis-Aufpreis verlangen dürfen. Es ist eine Lehrminute dafür, wie unendlich weit , die Welten unseres Heute auseinander liegen. Da der Kosmos der Belesenen, die mit Kennerblick in den Büchern blättern, an die Touchscreens touchen, mit bedächtig nach innen gerichtetem Blick den Lesungen zuhören. Und dort die Lebenswucht derjenigen, die sich einen Schal um den Hals schlingen, wenn sie vom Stadion kommen, die überlegen, wie die Arbeit des nächsten Tages aussehen wird, die sich über die letzte Folge ihrer Lieblingsserie unterhalten.  Es sind so viele Menschen, in deren Welt es ganz und gar nicht um Bücher geht, noch viel weniger um das, was in der intellektuellen Blase der Literaturszene ventiliert wird. Muss das unseren vom Buchmesse-Besuch müde gewordenen Blick auf Literatur, Kochbücher, Bildbände oder Comics ändern? Nein. Dass ganze Lebensentwürfe ohne Bücher auskommen, ist nicht neu. Bücher hatten Mönche im Koster, nicht Bauern auf dem Feld. Es war und bleibt bis heute ein Privileg, sich überhaupt mit Gedrucktem beschäftigen zu können. Wir Bücherfreunde sollten es nur nicht vergessen.

Und immer weiter fließt der Strom der Buchstaben: Eine begehbare Lichtinstallation des Gastlandes Kanada. Im Hintergrund gab´s auch noch ein paar gedruckte Bücher.

 

 

 

Wilhelm geht ins Museum (19. Oktober 2021)

Eine freie Assoziation über Wilhelm II., den letzten König von Württemberg, auch als Audiodatei:

Das Denkmal für Wilhelm II. von Württemberg als Spaziergänger mit seinen Spitzhunden ist nicht unumstritten. Derzeit steht es in der Ausstellung im Stadtpalais; im Sommer stand es vor dem Stuttgarter Opernhaus.

Was für eine Schande, denkt sich Wilhelm. Er stützt sich auf seinen Rollator, als er vor seine Villa tritt. Das schöne Eingangstor aus Schmiedeeisen mit den goldenen Spitzen, das ist noch gut in Schuss. Aber wie sinnlos ist es geworden! Unmittelbar davor, dort, wo einmal alles grün und prächtig war, hatten die Demokraten ihm das ewige Brausen, Jaulen und Tosen einer vierspurigen Straße vor die Nase gesetzt. Den ständigen Lärm, Tag und Nacht, nahm er schon gar nicht mehr wahr. Seit vielen Jahren durchschneidet die scheußliche Schneise den schönen Park, seinen Park. Wenig ist davon übriggeblieben, auch links die Pferdeställe, früher ein Prachtquartier für seine edlen Hengste und Stuten, sind nur noch Ruinen. Immerhin, seine Villa Marienwahl selbst, die sieht noch recht ordentlich aus, findet Wilhelm.

Wer Straßen nutzt, soll sich nicht über sie beklagen, hatte ihm einmal ein kluger Mensch gesagt. An diesen Spruch denkt Wilhelm jetzt, als er das beige Taxi herbeirollen sieht, das ihn nach Stuttgart bringen wird. Die freundliche Taxifahrerin hilft ihm, den Rollator zusammenzuklappen und in den Kofferraum zu wuchten. Wilhelm lässt sich seufzend auf den Beifahrersitz hinabsinken. Schon praktisch, diese Autos, denkt sich Wilhelm, während das Taxi herausrollt aus dem, was geblieben ist vom schönen Garten rund um seine Villa und einbiegt auf diese schreckliche Straße, die sein Ludwigsburg durchschneidet.  Nicht nur seine Villa, auch sein Schloss liegt nun unmittelbar an dem brausenden Ungetüm von Straße. Es ist, als hätte der Allmächtige persönlich mit einer Axt einen Spalt durch die einst so prächtige Residenzstadt geschlagen. Demokraten sind ästhetische Barbaren, denkt sich Wilhelm.

Leben in Stuttgart nicht Menschen, sondern Autos?

Die gleiche Gewalt dann auch in Stuttgart. Wilhelm hat den Eindruck, dass dort nicht Menschen, sondern Autos wohnen, die auf Straßen leben, und nicht in Häusern. Manche Gebäude kann man wegen der vielen Straßen, dem ewigen Brausen, das kein Anhalten erträgt, schon gar nicht mehr erreichen. Auch vor seinem früheren Stuttgarter Haus kann man nicht mehr anhalten und aussteigen.

„Im Wesentlichen hat die Demokratie den Menschen Autos gebracht“, sagt Wilhelm, als die Taxifahrerin im Getümmel der Großstadt eine Stelle sucht, an der sie ihn absetzen kann. Sie hat keine Zeit, auf diese Aussage zu reagieren, blickt links und blinkt rechts, schließlich findet sie gegenüber vom Bahnhof eine Möglichkeit zum Anhalten. Von dort kann man direkt in den Park gehen, der einmal sein Schlossgarten war.

So viel Unordnung in seiner alten Welt …

Wilhelm sucht sich erstmal eine Parkbank. Er möchte dem ganzen Durcheinander entfliehen und Kraft schöpfen für die letzten Meter seines Ausflugs. Wackelig ist er, das weiß er, aber auch zäh, und wach, ein liberaler, auch stolzer Geist, noch immer diszipliniert und mit wenig Dünkel. Seine Augen mustern die Szene, lange ruht sein Blick auf jenem Bahnhof, den er noch höchstpersönlich in Auftrag gegeben hatte. Auch dort schrauben und bohren sie herum. Diese ganze Unordnung seiner alten Welt! Überall Absperrungen, Baugruben, Putz und Mörtel. Schweres Gerät macht lauten Lärm, kein Vogel mehr zu hören im Park. Ein heilloses Durcheinander haben sie angerichtet, die demokratischen Kräfte, die das jetzt alles zu verantworten haben.

Die Ruhepause im Tumult hat ihm dennoch gutgetan. Also wuchtet er sich wieder hoch, packt die beiden Griffe seines Rollators und macht sich auf den Weg durch den Schlossgarten. Ach, wäre er doch noch der stattliche Mann, der er einmal war, als er mit seinen zwei Spitzhunden durch diese Stadt spaziert ist! Wie leichtfüßig wäre er diese paar Meter bis zu seinem Ziel flaniert, links und rechts gegrüßt von den Leuten, die ihn mochten! Jetzt aber ist es eine Qual, der Weg ist lang und mühsam, vorbei an seinem schönen großen Theaterbau, auf den er noch immer stolz ist. Hinten herum um sein Schloss, in dem er einmal regiert hatte. Dann die Böschung hinauf, bis er schließlich wieder vor so einer Straßenschneise steht, die es zu überwinden gilt. Immerhin hatten die Demokraten eine gute Idee dafür gehabt: Ampeln hatten sie erfunden, die wie mit Zauberhand den unaufhörlich fließenden Strom der Autos anhalten können.

… und sein früheres Zuhause ist jetzt ein Museum

Jenes Haus, das einmal sein Zuhause in Stuttgart war, ist jetzt ein Museum. Wilhelm weiß das; er hatte es ja selbst erlebt, wie sie ihn hinauskomplimentiert hatten aus diesem Gebäude, das alte Stuttgarter noch immer „Wilhelmspalais“ nennen. Für die Jüngeren heißt es „Stadtpalais“, und so steht es auch in leuchtenden Buchstaben über dem Eingang. Besser gefallen hat es ihm ohnehin immer in seiner Villa Marienwahl in Ludwigsburg. Dass man ihm sein Stadtpalais genommen hatte, schmerzt ihn also wenig.  Sollen sie es doch als Museum nutzen.

Bis 27.3.2022: Wilhelm II. in der Ausstellung von Stadtpalais und Landesarchiv Baden-Württemberg. Foto: Volker Naumann, bereitgestellt von Stadtpalais Stuttgart

Mehr als hundert Jahre war Wilhelm nicht mehr hier gewesen. Heute aber will er sich selbst besuchen, in einer Ausstellung. An der Kasse erkennen sie ihn nicht, und er will auch keine Sonderbehandlung. Diese Zeiten sind vorbei. Also kramt Wilhelm acht Euro Eintritt heraus, hält widerwillig einen Arm hin, um sich ein Bändchen darum herum kleben zu lassen. Ob er geimpft sei, wird er gefragt. Ja, klar, „ich bin doch nicht blöd“, nuschelt er durch seinen Bart. Dann muss er sich noch über die Ermahnung wundern, er solle keine Bilder berühren. „Sehe ich so aus?“, fragt er zurück. Und er muss versichern, dass er über keines dieser neumodischen drahtlosen Telefone verfügen würde, weil er es sonst tief in seiner Tasche zu vergraben hätte. Wilhelm findet, dass es ganz schön kompliziert geworden ist, sich selbst zu besuchen.

Aber dann ist er endlich drin in seinem eigenen Leben. War es überhaupt „seins“?  Niemals hat ihn jemand gefragt, ob er hatte König werden wollen. Ein Studium hatte er absolviert, sich mit allem beschäftigt, was für den Staat wichtig war: Jura, Politik und Finanzen. Dann musste er zum Militär, sogar zu den kriegsfreudigen Preußen nach Potsdam.

Die Weitsicht des Adels war begrenzt …

Vieles lief nicht so, wie er sich das gewünscht hätte. Seine erste Ehefrau, die liebe Marie, war gestorben, zwei tote Kinder hatte er zu betrauern. Kein Thronfolger war ihm vergönnt gewesen, aber es wurde ja auch keiner mehr benötigt. Seine zweite Frau Charlotte, die war ihm geblieben.  Und natürlich Pauline, seine Tochter. Wie hatte sie seine Pferde geliebt! Täglich geht er zu ihrem Grab, nicht zum Friedhof, sondern die kleine Allee bei Marienwahl entlang. Pauline ruht direkt neben den verfallenen Pferdeställen.

Villa Marienwahl in Ludwigsburg

Das ist ohnehin jetzt alles vorbei, denkt sich Wilhelm, die Pferde tot, auch an eine Jagd ist nicht mehr zu denken. Gott sei Dank sind auch die sinnlosen Kriege vorbei, für die er Soldaten an seinen preußischen Namensvetter, den Kaiser und Kriegstreiber, hatte abstellen müssen. Wilhelm muss schwer atmen, als er seinen eigenen Aufruf an seine Württemberger liest. „Furchtlos und treu“, hatte er 1914 geschrieben, sollten sie für das Vaterland kämpfen. Wo hatte er das erst neulich wieder gelesen?

Gekämpft haben sie bestimmt, aber hauptsächlich sind sie gestorben, denkt sich Wilhelm. Der Krieg ging verloren. Die Weitsicht des militärverliebten Adels war eben sehr begrenzt. Jetzt betrachtet er die Bilder und Texte rund um seine Vertreibung aus diesem Haus. An das pseudo-revolutionäre schwäbische Gedruckse kann er sich noch gut erinnern. Das schlechte Gewissen triefte damals seinen sozialistischen Untertanen aus jeder Pore. Eine Revolution vollziehen wollten und sollten sie, obwohl sie gegen ihn als König eigentlich gar nichts einzuwenden hatten.

… und die Weitsicht der Demokraten ist es auch

Also haben sie ihn nach Bebenhausen vertrieben, aber dort ihn in Ruhe gelassen. Das waren schwere Stunden, denkt sich Wilhelm, aber man kann es schlechter erwischen. Die in der Revolution ermordeten Adligen von Frankreich zählen dazu sowieso, aber zum Beispiel auch der kunstsinnige junge König von Bayern, nur drei Jahre älter als er, den sie irgendwie im See ersäuft haben. Hätte der mal besser auch einen Bahnhof und nicht teure Schlösser gebaut, dann hätte er vielleicht länger leben dürfen. Heute verdienen sie Millionen mit Neuschwanstein und Herrenchiemsee, aber damals waren sie ihnen zu teuer. Auch die Weitsicht der Demokraten ist begrenzt, denkt sich Wilhelm.

Der alte Nicht-mehr-König ist nun reichlich erschöpft von seinem eigenen Leben, als er den Ausstellungsraum verlässt. Erschrocken hält er inne: Sein lebensgroßes Gegenüber steht da, mit seinen zwei Spitzhunden, in grau gegossen, bärtig, Hut und Anzug. Sein Denkmal! Wilhelm gefällt sich in dieser Darstellung. In der Zeitung hatte er gelesen, dass die Stuttgarter streiten, ob überhaupt und wo dieses Denkmal einmal auf Dauer stehen soll. Ihm ist es egal.

Dann tritt Wilhelm heraus aus seinem Palais, vorsichtig bugsiert er seinen Rollator die geschwungene Einfahrt herunter, die einmal seine Besucher für ihre Kutschen benutzt hatten. An der Straße winkt er einem Taxi, das auch gleich anhält. Lautes Getröte und Gehupe erschallt, als der Taxifahrer die Weiterfahrt blockiert, um dem alten Mann zu helfen. „Nach Ludwigsburg“, sagt Wilhelm, als er im Auto sitzt.

„Schön im Museum?“, fragt der Taxifahrer, „um was geht’s denn dort?“

„Um mich, aber das ist nicht wichtig“, antwortet Wilhelm.

Der Taxler wendet sich zu Wilhelm herum und mustert ihn lange. Aber Wilhelm erwidert den Blick nicht, sondern schaut geradeaus.

„Sie sollten lieber auf den Verkehr achten“, sagt er schließlich und deutet durch die Windschutzscheibe nach vorne. Bremslichter leuchten vor ihnen auf, lautes Hupen ertönt, ein Fahrer gestikuliert wild aus dem Autofenster heraus. Quietschend bleibt auch das Taxi stehen. Da vorne, direkt vor ihnen, laufen todesmutig zwei Spitzhunde durch das Verkehrsgetümmel, wuseln hindurch zwischen den Autos, überspringen Verkehrsinseln, kümmern sich nicht um Ampeln – und verschwinden im Schlossgarten.

 

 

 

Die Ausstellung „Wilhelm II. – König von Württemberg“ ist noch bis 27. März 2022 zu besichtigen im Stadtpalais Stuttgart und im unmittelbar benachbarten Hauptstaatsarchiv Stuttgart: https://www.stadtpalais-stuttgart.de/ausstellungen/wilhelm-ii-konig-von-wurttemberg

Auf der Website der Ausstellung finden sich zahlreiche weiterführende Informationen über Wilhelm II von Württemberg, sein Leben, eine historische Einordnung und Beiträge zur Diskussion über die Erinnerungskultur heute (auch über das Denkmal).

Ein sehr schöner Beitrag über die Geschichte der Villa Marienwahl in Ludwigsburg findet sich im Online-Archiv der Stuttgarter Zeitung: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.ludwigsburg-die-klitsche-des-koenigs.73f60c60-45ce-4b4a-a88a-4eebc0cbe1e1.html

 

Verhüllter Triumph (30. September 2021)

 

Was ist große Kunst? Die Mona Lisa, vielleicht das berühmteste Kunstwerk der Welt, ist nicht sehr groß. Nur 53 auf 77 Zentimeter misst das Gemälde mit dem rätselhaften Lächeln der heiteren Florentiner Schönheit. Viele Menschen, die sich oft stundenlang angestellt haben, nur um das Gemälde im Original zu sehen, sind überrascht, dass es so klein ist. Die Mona Lisa hängt im Pariser Louvre, nur wenige hundert Meter entfernt vom Triumphbogen. Um 1500 gemalt, ein Lächeln von genialer und rätselhafter Tiefe, zeitlos schön. Ein kleines Bild, aber große Kunst!

Flugzeuge haben ihn schon durchflogen

Der Arc de Triomphe ist groß. Fast fünfzig Meter ragt er in den Himmel, und fast genauso breit umspannen seine mächtigen Pfeiler einen neun Meter breiten Bogen. Als prächtiger Solitär überragt er die Straßen von Paris, die sich um ihn herum verknüpfen in dem vielleicht schönsten Kreisverkehr der Welt. Nach antikem Vorbild vom selbsternannten Kaiser Napoleon initiiert, aber erst lange nach seinem Tod fertiggestellt, wurde er größer als alle seine Vorbilder und Nachahmer. Sogar mit Flugzeugen hat man den Bogen bereits durchflogen. Siegestrunken hindurchmarschieren kann man schon seit dem Ende des 1. Weltkrieges nicht mehr, denn dort ist das Grab eines unbekannten Soldaten platziert – ein prominenter Gedenkort für alle Grauen der Kriege.

Man könnte mit der Metro hinfahren, aber schöner ist, sich dem Bogen des Krieges zu Fuß zu nähern, die lange Achse der Champs-Élysées entlang, mit lustvollen Abstechern hinein in das berauschende Grün der Tuilerien, hindurch durch die stillen Gärten entlang der lauten Straße, mit Rast in den Cafés der Avenue. Es geht sanft aufwärts, und stets hat man den Bogen im Blick, wenn auch meist nur zu Hälfte. Um ihn in ganzer Größe näherkommen zu sehen, muss man eine der knappen Rotphasen der Ampeln abwarten, die mit Zauberhand das mörderische Gedränge und Gehupe des Verkehrs aufhalten. In der Mitte des Boulevards kann man endlich einen Blick erhaschen auf den Triumphbogen in seiner ganzen Breite.

Ein ungeschliffen-matter Diamant

Tausende Menschen hasten oder schlendern oder fahren täglich auf diesem Weg unter den Bäumen entlang. Auch für den #Kulturflaneur ist es nicht das erste Mal. Doch in diesen Tagen ist vieles anders. Der Bogen ist verändert, das Ziel dieser Straße, das Riesenbauwerk der Siege und Kriege, es glänzt silberbläulich daher, funkelt im Sonnenlicht wie ein ungeschliffen-matter Diamant, und ist doch unverkennbar geblieben in seinen Konturen. Weithin sichtbar: Große Kunst.

Über fünfzig Jahre hat das Künstler-Ehepaar Christo und Jeanne Claude daran gearbeitet, dieses Kunstwerk zu schaffen. Es galt, einen ganzen Staat zu überzeugen. Der Triumphbogen ist ein nationales Symbol, mehr noch: Ein Mahnmal für Frankreichs Größe und Demut zugleich. Auch ein Vergleich mit dem Berliner Reichstagsgebäude hinkt: Zum Zeitpunkt seiner Verhüllung im Jahr 1995 durch das inzwischen in Amerika lebende Künstlerpaar war der Bau eher Symbol der fragwürdigen deutschen Geschichte. Erst heute, nach seiner klugen Neuerfindung durch Norman Foster, und seit dort der demokratisch gewählte deutsche Bundestag residiert, streitet und entscheidet, hat er vielleicht die Chance, einmal ein nationales Symbol für unseren Stolz auf Demokratie zu werden.

Der Arc de Triomphe ist für die Franzosen schon heute vollkommen unumstritten ein Ort des Nationalstolzes. Hier wurden Sieger geehrt, hier marschiert jährlich die Militärparade vorbei, hier färben Flugzeuge den Himmel in Blau-weiß-rot. Hier wurde auch Victor Hugo aufgebahrt, hier feierten Millionen Franzosen ihre Fußball-Weltmeistertitel, hier endet jedes Jahr die Tour de France. Der Triumphbogen steht für die Nation, und deshalb versammelten sich hier auch die Gelbwesten zum Protest, fügten ihm Schäden zu; aber sie aktivierten in der Protestbewegung auch Kräfte, die das Grab des unbekannten Soldaten schützten gegen die Randale anderer. Gelbwesten bildeten unter dem Bogen einen Schutzwall gegen andere Gelbwesten.

Nichts mehr zu sehen von den Namen und Orten der Siege

Marianne als Kriegsgöttin (fotografiert im Museum)

Da steht er nun, silberblau glänzend, verhüllt. Nichts mehr zu sehen von den mehr als 600 Namen französischer Generäle, von den Orten der 150 gewonnenen Schlachten, von den heroischen Darstellungen des Soldatenschicksals. Nichts mehr zu sehen von den Reliefs. Vom schreiend-fordernden Gesichtsausdruck der wie eine Kriegsgöttin inszenierten Marianne, die den unbekleideten jungen Mann mit Wucht in das Soldatendasein treibt. Alles verdeckt. Nur die Flamme am Grab des unbekannten Soldaten, die brennt auch unter der silbernen Stoffkuppel weiter, mittendrin in diesem Trubel von Menschen, die sich auf der verkehrsumtosten Insel versammelt haben, den Kopf im Nacken, um die schiere Größe dieses Werkes zu erfassen, Abstand gewinnend, den Silberstoff und die roten Seile betastend. Große Kunst, ganz nah.

Was es braucht, damit große Kunst Wirklichkeit wird

Unter dem Silberbogen ist der richtige Platz, um über Größe und Kunst nachzudenken. Über die enorme Kreativität und den unfassbaren Mut, die Kunstschaffende jeden Tag aufbringen, um unsere Welt reicher zu machen. Über die Beharrlichkeit und Überzeugungskraft, die es braucht, damit aus einer kühnen Idee Wirklichkeit wird. Über den Mut einer Gesellschaft und ihrer Verantwortlichen, all das zu ermöglichen. In diesem Fall bedeutete das immerhin, vorübergehend unsichtbar zu machen, was für ihre Nation steht, und es damit noch fester zu verankern in der Welt. In anderen Fällen sind es andere Bedingungen – Geld, Räume, Toleranz -, die Kunst ermöglichen. Über die Professionalität und Behutsamkeit, die gefragt ist, damit dabei nichts zu Schaden kommt: nicht der nationale Stolz, nicht das Bauwerk, nicht die Umwelt, nicht seine Besucher. Und auch nicht die künstlerische Idee selbst, die nicht untergehen darf im Sog zur kommerziellen Vermarktung. Ja, dies hier ist ein Event, aber auch ein Triumph des Geistes, der Kultur, der Kunst in großer Vollendung: prächtig, strahlend, für sich selbst sprechend, kostenlos für alle.

Und dann wendet man sich ab, umrundet noch einmal dieses silberne Spektakel und biegt schließlich ein in eine der vielen einladenden Straßen, zurück ins urbane Getümmel, hinunter zur Seine. Der verhüllte Bogen bleibt zurück. Nur noch wenige Tage, dann wird er wieder so aussehen wie zuvor, die Siege lesbar, die Kriege sichtbar. Aber die Verhüllung wird bleiben in unseren Köpfen, bricht den Blick auf das Eindeutige für immer. Große Kunst.

 

 

Die eindrucksvolle Geschichte des Pariser Triumphbogens ist aufgearbeitet in einer sehr informativen Dokumentation von Arte: https://www.arte.tv/de/videos/096305-000-A/der-pariser-triumphbogen/